
Wem Reitstiefel zu unbequem sind, greift gerne zu ihren kleinen Schwestern, den Stiefeletten. In ihnen läuft es sich angenehm und luftig; sie drücken nicht in der Kniekehle. Manche schlüpfen sogar direkt nach dem Reiten aus den Stiefeln in die Stiefeletten – und bedauern es sehr, wenn die bequemen Schuhe schneller kaputt gehen als die Stiefel.
CAVALLO schickte daher zehn Zugstiefeletten-Paare gängiger Hersteller zum harten Belastungstest in ein Prüflabor nach Pirmasens. Über den Tragekomfort verrät dieser Test nichts: Stiefeletten mit guten Strapazierwerten sind nicht zwingend bequemer.
Das PFI (Prüf- und Forschungsinstitut Pirmasens) prüft und testet seit über 50 Jahren Schuhe. Liselotte Vijselaar, Leiterin der Prüfstelle für Physikalische Materialprüfung des PFI, zerlegte für CAVALLO die zehn Testkandidaten. Weil das Leder der Stiefeletten in der Praxis stark strapaziert wird – im Steigbügel geknickt, im Regen gewässert – testete das PFI die Lederqualität.
An der Sohle gibt es ebenfalls typische Bruchstellen, so dass in einem weiteren Test die Sohle unter die Lupe genommen wurde. Innen ist es besonders unangenehm, wenn das Fersenfutter aufrubbelt. Ein dritter Test prüfte daher die Haltbarkeit des Fersenfutters.
„Die Prüfungen sind alle härter als in der Praxis“, sagt Liselotte Vijselaar. „Sie sollen zeigen, was die Schuhe maximal aushalten.“ Viele Stiefeletten lagen mit guten Ergebnissen so eng beieinander, dass CAVALLO genau differenzierte, um Unterschiede deutlich zu machen: Leder, das nach dem Test nur etwas matt war, schnitt besser ab als Leder, das anschließend faltig war.
Der Faltentest prüft die Qualität des Leders

Dazu wird aus dem rechten und linken Schuh je ein Rechteck geschnitten – inklusive Futter. Sie werden geknickt und in eine Maschine gespannt. Diese faltet das Leder nun an die 50000 mal im trockenen und 10000 mal im nassen Zustand.
Hier zeigt sich, wie gut das Leder ist: Entstehen Risse, gibt es Abzüge bei der Bewertung, etwa bei der Zugstiefelette von USG: Nach dem Test ziehen sich durch ihr Leder im trockenen und nassen Zustand Risse. „Damit ist die Prüfung nicht bestanden“, sagt Prüfexpertin Liselotte Vijselaar.
Der Rest der Stiefeletten-Modelle ist lediglich etwas faltig, matt oder heller als vor dem Versuch. Feinstes Abblättern des Finish – so heißt die Oberfläche des Leders – ist so lange nicht tragisch, wie man es nicht mit bloßem Auge erkennt. „Leder, das diesen Test besteht, darf keine sichtbaren Beschädigungen oder deutliche Veränderungen zeigen“, beschreibt Liselotte Vijselaar die Mindestanforderungen an die Qualität.
Der Nässe-Test ergründet die Bruchanfälligkeit: Trocknet Leder anschließend und wird hart, bricht es leichter und wird wasserdurchlässig.
Nässe mach Stiefeletten zu schaffen

„Die Beanspruchung des Materials ist im nassen Zustand wesentlich höher. Da braucht es nicht viel, bis es beschädigt ist.“ Das beweist die Stiefelette von Hobo, die durch den Nässe-Test fiel. „Das Finish blätterte sichtbar ab. Sie ist damit beschädigt“, erklärt die Prüf-Expertin. Besonders faltig war keine Stiefelette nach dem Test. „Schlechtes Leder wirft viele Falten. Das ist unangenehm. Zudem braucht es mehr Pflege“, sagt Vijselaar.
Ein weiterer Test prüfte die Qualität des Fersenfutters. In einem normierten Verfahren aus der Textilindustrie scheuerten die Futterproben mit 51200 Umdrehungen im trockenen Zustand und unter Druck über eine Stoffplatte. Auch hier wurde das Futter zusätzlich nass geprüft, allerdings nur mit 12800 Umdrehungen. Die Stiefelette von Busse hatte als einzige Textilfutter; alle anderen Modelle hatten Lederfutter.
„Nass scheuert Leder viel schneller auf, da der Reibungswiderstand gegen das Gewebe größer wird“, sagt Liselotte Vijselaar. Leder nimmt zwar Feuchtigkeit sehr gut auf und speichert sie, trocknet aber langsam. „In diesem Bereich ist ein Futter aus Textil oft besser“, weiß die Schuh-Expertin. „Die Qualität ist gleichbleibender, und in der Verarbeitung ist Textil wesentlich einfacher.“
Geriffelte Sohlen halten länger

Leder ist ein Naturprodukt und verhält sich nie identisch. „Je nachdem, aus welchem Teil des Tiers Sie das Leder nehmen, dehnt es sich in eine Richtung mehr als in die andere“, sagt Vijselaar. So kommt es zu Unterschieden zwischen rechtem und linkem Schuh. Ein hochwertiges Textil als Fersenfutter ist daher oft besser als Leder.
Den Scheuertest des Fersenfutters bestanden im trockenen Zustand alle Stiefeletten. Zwar waren einige sichtbar angescheuert, während andere nur glänzten, kaputt ging jedoch keine Probe.
Ganz im Gegensatz zum härteren Nässe-Test: Dabei scheuerten alle Fersenfutter durch. Die Stiefeletten von Horze und Felix Bühler trotzten dem Scheuer-Angriff noch am besten. Trocken glänzten sie ein bisschen mehr; nass rissen sie erst bei 9600 Umdrehungen.Doch was hilft das beste Fersenfutter, wenn die Sohle nach kurzer Zeit bricht oder nicht flexibel ist?
Um das zu prüfen, wurden die Laufsohlen künstlich verletzt und im 90 Grad Winkel über eine Rolle 30000 mal gebogen. „Sohlen, die diesen Test bestehen, können in der Praxis meist gut bestehen“, sagt Albert Lipps, leitender Laborant für Prüfungen im Schuhunterbau. Aus der Reihe tanzte im Test die Sohle von Kavalkade: Sie riss rechts bis 28 Millimeter, links bis 21. Positiv fielen die Sohlen von Horze und Busse auf, deren künstlich erzeugten Risse sich um keinen Millimeter verbreiterten. Beide Sohlen sind fein geriffelt und leicht geschwungen. „Das ist gut, es leitet Spannung ab“, sagt Albert Lipps. „Bei starkem oder durchgehendem Profil konzentriert sich die Spannung im Tal und führt leichter zu Rissen.“
Wie sehr es auf die Gummi-Mischung der Sohlen ankommt, zeigen die Stiefeletten von Felix Bühler und Ekkia. Die Sohlen scheinen identisch, aber das Gummi von Felix Bühler hält mehr aus. „Das kann an der Mischung liegen. Die Sohle von Felix Bühler ist Braun, die von Ekkia Schwarz. Oft reicht schon eine andere Komponente – und die Unterschiede werden gravierend“, sagt Albert Lipps.
Nur drei der zehn Kandidaten bestanden einige Prüfungen nicht: USG den Leder-Test, Kavalkade die Sohlen-Knickerei und das Leder von Hobo den Nässe-Test.
Labor-Test: Das sind die Ergebnisse
Horze Klassik Leder - von CAVALLO empfohlen!

Hersteller
www.horze.de
Preis (circa): 52 Euro
Farben: Schwarz, Dunkelbraun
Größen: 32 bis 47
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 0
linke Sohle: 0
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: etwas matt
nass: matt, faltig, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: deutlicher Glanz
nass: beschädigt nach 9600 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 11 Punkte
Felix Bühler Lausanne

Hersteller
www.kraemer.de
Preis (circa): 70 Euro
Farben: Braun
Größen: 36 bis 45
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 1
linke Sohle: 1
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: etwas heller, etwas faltig
nass: matt, faltig, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: deutlicher Glanz
nass: beschädigt nach 9600 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 9 Punkte
Alassio

Hersteller
www.loesdau.de
Preis (circa): 70 Euro
Farben: Schwarz
Größen: 36 bis 45
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 2
linke Sohle: 1
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: etwas faltig
nass: etwas matt, etwas faltig, leicht verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: Glanz, Narben stellenweise angescheuert
nass: beschädigt nach 6400 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 8 Punkte
Sir John 25.11

Hersteller
www.hoboshoes.com
Preis (circa): 70 Euro
Farben: Schwarz, Mokka
Größen: 30 bis 47
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 1
linke Sohle: 1
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: etwas faltig
nass: Abblättern Finish, matt, etwas faltig, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: deutlicher Glanz
nass: beschädigt nach 9600 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 7,75 Punkte
Classic

Hersteller
www.busse-reitsport.de
Preis (circa): 50 Euro
Farben: Schwarz, Dunkelbraun
Größen: 30 bis 46
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 0
linke Sohle: 0
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: feinstes Abblättern Finish
nass: matt, feinstes Aufblättern der Zurichtung, leicht verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: deutlich angescheuert
nass: beschädigt nach 6400 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 7 Punkte
Chelsea Classic

Hersteller
www.cavallo.info
Preis (circa): 110 Euro
Farben: Schwarz
Größen: 34 bis 47
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 2
linke Sohle: 2
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: etwas faltig
nass: etwas matt, faltig, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: angescheuert
nass: beschädigt nach 9600 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 6,3 Punkte
Paris

Hersteller
www.waldhausen.com
Preis (circa): 80 Euro
Farben: Schwarz, Cafe
Größen: 36 bis 47
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 1
linke Sohle: 1
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: etwas faltig
nass: etwas matt, faltig, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: Narben angescheuert
nass: beschädigt nach 6400 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 6,3 Punkte
KavalBoots

Hersteller
www.kavalkade.de
Preis (circa): 100 Euro
Farben: Schwarz
Größen: 36 bis 45
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 28
linke Sohle: 21
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: feinstes Abblättern Finish
nass: matt, faltig, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: angescheuert
nass: beschädigt nach 9600 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 6 Punkte
Norton Deauville

Hersteller
www.ekkia.com
Preis (circa): 30 bis 31 Euro
Farben: Schwarz
Größen: 36 bis 45
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 4
linke Sohle: 5
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: etwas faltig
nass: matt, faltig, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: deutlicher Glanz, Narben stellenweise angescheuert
nass: beschädigt nach 5600 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 6 Punkte
New Allround

Hersteller
www.usg-reitsport.de
Preis (circa): 26 bis 28 Euro
Farben: Schwarz
Größen: 28 bis 46
Biegeverhalten Laufsohle (in mm Risswachstum)
rechte Sohle: 2
linke Sohle: 1
Dauerbiegefestigkeit des Oberleders im Verbund
trocken: Risse
nass: feine Risse, matt, verhärtet
Scheuerversuch Fersenfutter
trocken: deutlicher Glanz
nass: beschädigt nach 6400 Zyklen
Punkte (maximale Anzahl 12): 5,3 Punkte
Darauf sollten Sie beim Kauf achten
1. Genau hinsehen

Schauen Sie sich beide Schuhe genau an. Sind sie gleichmäßig gearbeitet oder ist ein Schuh unterschiedlich? Ist die Farbe gleich oder womöglich ein Schuh etwas matter oder heller? Nehmen Sie beide in die Hand und drücken Sie mit dem Daumen an der Schuhspitze ins Leder. Ist es hart, dünn, weich? Betrachten Sie die Sohle: Ist sie vielleicht nur geklebt?
2. Anprobieren
Das ist natürlich unumgänglich, da je nach Hersteller die Schuhe mal größer und mal kleiner ausfallen. Probieren Sie unbedingt beide Schuhe an. Laufen Sie damit nicht nur, sondern gehen auch in die Hocke oder setzen sich mit den Stiefeletten.
3. Innenleben
Von außen mag der Schuh hübsch aussehen; angezogen fühlt er sich vielleicht auch gut an. Um das Innenleben zu erkunden, sollten Sie aber unbedingt auch mit der Hand nach störenden Nähten oder möglichen Druckstellen tasten.
4. Fersenfutter
Die Qualität zu beurteilen, ist für Kunden fast unmöglich. Achten Sie daher darauf, dass im Fersenbereich keine Nähte sind, dass das Futter gleichmäßig verarbeitet ist und dass keine Falten zu spüren sind.
5. Leder
In den meisten Fällen sind Stiefeletten aus Rindleder. Das ist stabil und auch dick genug. Sehr beständige, aber auch teurere Leder stammen von Känguru und Strauß.
6. Laufsohle
Eine starre Sohle ist unbequem. Nehmen Sie im Geschäft daher den Schuh ruhig in die Mangel: Biegen und drehen Sie die Sohle.