Alles begann mit Langeweile im Corona-Lockdown. Miriam Gernhard legte Hochbeete an, säte Gemüse, pflanzte Blumen. Als Dünger nutzte die Pferdehalterin den Mist ihrer Offenstall-Pferde. Was ihr zuvor nie aufgefallen war, weckte jetzt ihr Augenmerk: Die abgelagerten Pferdeäpfel verwandelten sich mit der Zeit in schwarze Erde. Der perfekte Dünger! Die Reiterin recherchierte, experimentierte – und macht nun mit Pferdemist Geld. Ihr Produkt: Bokashi-Pferdedünger. Den verkauft sie auf dem Altstadtmarkt in Oberursel (Taunus) und im Online-Shop. 500 Gramm kosten rund 5,50 Euro. Die Pferdeäpfel in Pelletform sind in Papiertütchen verpackt. Sieht geradezu appetitlich aus. Wie hat sie das geschafft?
Fermentieren auf japanische Art
Miriam Gernhard stellt den Dünger auf die feine japanische Art her: mit Bokashi, einer Fermentier-Methode. Das Prinzip: Die Pferdeäpfel lagern für mehrere Wochen in einem luftdicht verschließbaren Behälter. Dazu kommen Effektive Mikroorganismen (EM) – mikroskopisch kleine Lebewesen wie Milchsäurebakterien, die bei der Fermentierung helfen.
Das Ziel der Tüftlerin: biologischen Dünger ohne Zusatzstoffe produzieren. Damit auch jeder weiß, was er etwa an seine Tomaten schüttet, die er essen möchte. Dünger-Lieferanten sind die vier Pferde in ihrem Offenstall. Eines ist klar: Nachschub an Rohstoff gibt es genug. Für die Weidehygiene sammelt die Pferdehalterin täglich die Pferdeäpfel ab. Statt auf dem Misthaufen landen diese jetzt in der Tonne. Miriam Gernhard hat rund 30 verschließbare Tonnen für die Fermentierung angeschafft. "Das sind alte Olivenölfässer. Auch für die Brotproduktion wurden sie schon genutzt", erzählt sie. Nun landen Pferdeäpfel im Fass – ohne Stroh, die reine Ware von der Weide. Das ist wichtig, denn sonst würde sich der Prozess verlangsamen.

Fermentieren ist viel fixer als Kompostieren Ist das Fass mit 140 Kilo Mist gefüllt, kommen Mikroorganismen und Urgesteinsmehl aus zermahlenem Gestein hinzu – damit Nährstoffe wie Stickstoff für den Boden erhalten bleiben. Dann heißt es: Deckel drauf und warten. Allerdings gar nicht so lange. "Mit der Fermentierung entsteht innerhalb von etwa acht Wochen Dünger. Beim herkömmlichen Kompostieren würde es über ein halbes Jahr dauern", sagt die Diplom-Kauffrau.
So schnell ist alles fertig? Naja, fast. Denn die Pferdeäpfel sind nach dem Fermentieren schon Dünger, aber: "Für den weniger naturnahen Verbraucher wäre die Anwendung nicht so angenehm." Die Pferdeäpfel sehen noch aus wie Mist – und riechen auch so. Der Bokashi-Dünger duftet aber eher wie Vollkornmehl. Ein paar wichtige Schritte fehlen also noch.
Erst trocknen, dann pressen
Das Kernthema der Herstellung ist die Trocknung. Miriam Gernhards Mann tüftelte als Ingenieur mit. Im Maschinenbau-Familienbetrieb stehen nun eine alte Weinpresse, eine Rebenmühle und eine Pelletpresse. Der Betrieb ist fußläufig zum Offenstall. So rollen die Gernhards die Fässer zum Trocknungsprozess. Praktisch! 40 Prozent Flüssigkeit verlieren die Pferdeäpfel noch. Sie trocknen mit Solarenergie.
Dann werden sie zu Pellets gepresst – und sehen aus wie Mineralfutter. "Verbraucher können so den Dünger in kleinen Portionen nach Bedarf in die Erde geben", sagt Miriam Gernhard. Sie empfiehlt etwa eine Handvoll Pellets (rund 150 Gramm) auf zehn Liter Erde. Die Tüftlerin testete den Dünger zuerst natürlich selbst: an ihren Rosen, ihrem Elefantenbaum, dem Gemüsegarten und auf dem neu eingesäten Rasen. Alles sprießte. Sie war zufrieden.
So erleben Pferdeäpfel also eine Renaissance als Dünger. Ohne dass wir die Nase rümpfen müssen. Und nachhaltig ist der Gärtner damit auch noch. Wir Reiter dürfen also hoffen, dass Pferde-Bokashi ein Boom wird.
Vielleicht stürmen dann ja auch wieder Leute mit Schaufel auf die Straße, wenn das Pferd beim Ausritt einen Haufen hinterlässt. Das wär’s!
CAVALLO Praxistest: Was können die Mist-Pellets?
CAVALLO-Redakteurin Kristina Hofer machte die Wachstums-Probe: Warum ich gleich "Hier!" gerufen habe, als Tester für den Bokashi-Pferdedünger gesucht wurden? Weil er nicht riechen soll. Ich finde nichts ekliger als den Gestank von organischem Dünger im eigenen Garten. Seien es Hornspäne oder Guano-Dünger – mein Mann schleppt an, was müffelt. Zweiter Gedanke: Wir können als Eltern von zwei kleinen Kindern bedenkenlos düngen, da die Pellets frei von Chemie sind.
Düngen ganz ohne Gestank: Die Pellets sehen so appetitlich aus, dass unser jüngster Sohn direkt naschen wollte. Und sie riechen tatsächlich keine Spur nach Pferdeäpfeln. Nötig haben es bei uns einige Pflanzen. Am schlimmsten hat es bei der ersten Hitzewelle unseren Rasen getroffen.

Auch die verblühte Rose bekommt ein paar Bokashi-Pellets, in der Hoffnung, dass neue Knospen austreiben. Ebenso eine Erdbeerpflanze, die uns Sorgen bereitet, sowie unsere Ligusterhecke und die Hortensie. Die Pellets lassen sich ganz einfach ausbringen: Einfach eine Handvoll in die Erde einarbeiten und etwas Platz zum Wurzelballen lassen.

Danach habe ich die Pflanzen wie gewohnt gegossen. Beim Rasen habe ich die Pellets ausgestreut und zusätzlich etwas zerbröselt. Sehr angenehm: Die Hände blieben sauber und rochen nicht.
Rasen und Rose sprießen tatsächlich: Die Rose zeigte als Erste eine Reaktion. Nach nicht mal einer Woche sprossen die ersten zarten Blättchen. Nach drei Wochen hat sie unglaublich viele Blätter gebildet, die ersten Knospen sind da.

Der Dünger hat also ganze Arbeit geleistet. Der Rasen hat sich ebenfalls in kürzester Zeit wieder in seine ursprünglich grüne Form verwandelt.

Das geht mit unserem eigentlichen Dünger definitiv nicht so schnell. Mein Mann ist schwer begeistert. Ich ebenfalls. Nur die Kinder sind etwas enttäuscht, denn die Erdbeeren blühen erst – aber dank Pferdedünger zum zweiten Mal.
Kontakt

Miriam Gernhard entwickelte den Bokashi-Pferdedünger. www.bokashi-pellets.de