Ein kleines, lichtdurchflutetes Räumchen mit Fenster zum Garten ist das Arbeitszimmer von Jeannette Leineweber. An sich nicht ungewöhnlich, so ein Heimarbeitsplatz im eigenen Wohnhaus. Doch die Produkte, die hier entstehen, sind ganz besondere. Und nicht nur, weil sie für Pferde gemacht werden!
Die Rheinländerin fertigt hier zum Beispiel wunderschöne Schabracken in verschiedensten Farben und Formen. Alle sind maßgeschneidert aus reinem Wollfilz, wie die vielen anderen ungewöhnlichen Ausrüstungsgegenstände fürs Reiten, die aus ihrer Werkstatt kommen. Ihr Anspruch: Für Pferde nur das Beste. "Was ich für die Tiere herstelle, soll nicht nur schön aussehen, sondern ihnen vor allen Dingen gut tun", sagt sie.
Jeannette Leineweber liebt Pferde. Ihre ganze Leidenschaft für diese Tiere spiegelt sich in ihrem Handwerk. Die gelernte Schneiderin war mit dem Reitzubehör, das auf dem Markt angeboten wird, nicht immer zufrieden. "Was nicht richtig sitzt und deshalb drückt, kann fürs Pferd nicht komfortabel sein", ist ihre Meinung.
Ein extremer Headshaker, den sie kennenlernte, war für sie der Auslöser, endlich einmal etwas Eigenes zu entwerfen. So begann sie zu tüfteln. Ihr Ansporn: Für dieses Pferd eine Lösung finden, damit es ihm besser geht. "Viele Pferde haben Probleme im Genickbereich, aber auch seitlich am Kopf, wo sich Ohrspeicheldrüse, Kiefergelenk und Austrittsort des Trigeminusnervs befinden. Unglücklicherweise kommen dort auch viele Riemen, Schnallen und Befestigungen des Reithalfters zusammen, die unangenehm drücken und deshalb Beschwerden und Schmerzen verursachen können", erklärt sie.
Dem Headshaker konnte sie jedenfalls helfen. Mit einem Produkt, von dem sie so überzeugt ist, dass sie es inzwischen hat patentieren lassen: dem Trigeminus-Polster. Der Genickschoner aus Wollfilz verlagert den Genickriemen ein Stück weiter nach hinten und hebt ihn seitlich etwas vom Pferdekopf ab. So werden empfindliche Stellen geschont.
Für die Pferde muss es immer das Beste sein
Dieser tolle Erfolg motivierte die ehrgeizige Frau. "Ich wollte noch mehr Pferden helfen", sagt sie. Im Dezember 2016 gründete sie die Firma "Krakeltier" – mit Unterstützung ihres Ehemanns. Der hat die Webseite entworfen, druckt Broschüren und kümmert sich um den Vertrieb. Dass seine Frau so viel Zeit und Herz in ihre Arbeit steckt, bewundert er. Und dass sie nebenbei noch jeden Tag im Stall ist, gönnt er ihr gerne.
Denn Jeannette Leineweber will auch das Beste für ihr eigenes Pferd. Schon seit ihrer Kindheit ist sie pferdebegeistert und reitet. Es begann ganz unbekümmert auf den Ponys der Familie. Wenn sie von damals erzählt, kommt ein bisschen Immenhof-Feeling auf. "Jedes Wochenende und in den Ferien haben wir unsere Ponys gesattelt und sind einfach losgezogen."
Ihre spätere Reitausbildung nahm sie sehr ernst. So begann sie nicht nur das Westernreiten, sondern machte auch einen Trainerschein im Westernreiten. Und weil sie ihre Quarter-Stute so gut wie möglich reiten möchte, suchte sie nach guten Ausbildern. Sie lernte die Connected-Riding-Trainerin Petra Sackschewski kennen, die auf dem Rothhof in Tönisvorst Pferde korrigiert, die durch schlechtes Reiten Probleme bekommen haben. Leineweber wird eine gelehrige Schülerin. Sackschewski: "Jedes Buch, das ich ihr empfehle, kann sie beim nächsten Treffen schon auswendig."
Alle Produkte werden am Pferd intensiv getestet
Durch die Zusammenarbeit mit der Trainerin ergeben sich für Jeannette Leineweber weitere neue Projekte: "Viele meiner Produkte habe ich entwickelt, weil Petra etwas Bestimmtes für eines ihrer Pferde haben wollte." So ist der Rothhof sozusagen zum Entwicklungszentrum von Krakeltier geworden. Hier wird jedes neue Ausrüstungsteil so lange getestet und optimiert, bis es endlich gut genug ist, um ins Sortiment aufgenommen zu werden. Und das wird immer größer: von den Dressurschabracken und Westernpads (ab 290 Euro) über die Longierunterlage (80 Euro), das Trigeminus-Polster (70 Euro), das "Combipad" (120 Euro) und speziell gepolsterte Führ- und Bodenarbeits-Halfter (ab 50 Euro) bis hin zum "Zwanglos-Sattelgurt" (150 Euro), der das Brustbein entlastet. In der Entwicklungsphase ist ein Reitpad, das eine Schülerin von Petra Sackschewski gerade ausprobiert. "Hinten liegt die Wirbelsäule schön frei. Aber im vorderen Bereich braucht es noch etwas mehr Luft", urteilt Leineweber kritisch. Zu Hause wird sie die Gurtung des Pads noch einmal verändern.
Jeannette Leineweber ist eine Perfektionistin, wie sie im Buche steht. Alles, was sie macht, will sie richtig machen. Und sie macht viel. Um noch bessere Produkte für die Pferde entwickeln zu können, schnupperte sie ins Sattelhandwerk hinein. Bei einem Sattler machte sie ein Praktikum, bei einem anderen lernte sie, wie Leder punziert wird. An einem Stück Leder zeigt sie uns, mit welchen Werkzeugen sie die feinen Figuren ins Material drückt. "Ich kann das aber nicht so gut", behauptet sie selbstkritisch. Ihren Westernpads, die mit punzierten Lederstreifen bestückt sind, sehen wir das nicht an.
Auch die anderen Filz-Produkte, die aus ihrer Werkstatt kommen, sind mit Liebe zum Detail und Sinn für hochwertige Materialien fein verarbeitet. Den Zwanglos-Sattelgurt zum Beispiel ziert ein winziges Stoffröschen, um zu markieren, wie herum der Gurt ans Pferd gehört. Die Sattelunterlagen sind mit einem Distanz-Gewebe gefüllt, das atmungsaktiv ist und Druckspitzen optimal dämpft.
Warum eigentlich Wollfilz? "Weil er ein tolles Naturprodukt ist: atmungsaktiv, temperatur- und druckausgleichend, schmutzabweisend und antibakteriell", erklärt Leineweber. Derzeit testet sie für ihre Produkte aber auch vegane Materialien, weil sie immer häufiger nachgefragt werden. Erfindergeist steht bei Krakeltier sowieso ganz oben. "Ich biete auch Hundeausrüstung an", erzählt Jeannette Leineweber. "Für einen Rollstuhl-Hund habe ich ein neues Geschirr gemacht. Das Standard-Modell hat ihn gedrückt. Jetzt kann er endlich mit seinen Freunden, zwei großen Wolfshunden, wieder mithalten", freut sie sich.
Jedes Teil ist ein Einzelstück
Ungewöhnliche Wünsche erfüllt Leineweber gerne. Schließlich werden ohnehin alle Krakeltier-Produkte nach Maß gefertigt. Artikel von der Stange gibt es nicht. Noch nicht mal eine Schabracke? "Nein", sagt sie. "Auf einen kurzen Pferderücken gehört auch eine kurze Satteldecke. Der Durchlass für die Gurtstrupfen muss da angebracht sein, wo auch die Gurtlage des Pferds ist. Und die Polsterung soll genau unter den Sattelkissen liegen."
Das ist nun mal einfach der Grundsatz von Krakeltier: Jedes Teil muss dem jeweiligen Tier, für das es gefertigt wird, zu hundert Prozent passen. Wer etwas bestellt, muss trotzdem nicht lange warten. "Ungefähr 14 Tage dauert es in der Regel, bis ich ausliefern kann", sagt Leineweber. Dann lacht sie: "Mal abwarten, ob ich das nach der nächsten CAVALLO-Ausgabe noch einhalten kann."