Was ist eigentlich PMSG?
Pregnant Mare Serum Gonadotropin (PMSG): Stuten produzieren das Hormon nur in den ersten drei Monaten der Trächtigkeit. PMSG wird vorwiegend in der industriellen Schweinehaltung zur Brunstsynchronisation eingesetzt. Die Sauen werden zum gleichen Zeitpunkt trächtig und bekommen gleichzeitig ihre Ferkel, das vereinfacht Arbeitsabläufe. In den Jahren 2016 bis Anfang 2019 kamen in Deutschland rund 6,4 Millionen Einzeldosen mit je 5 ml PMSG zum Einsatz. Geschäfte mit PMSG sind lukrativ: Die Pharmafirma Syntex exportierte im Jahr 2015 eine 100-Gramm-Charge PMSG von Urugay nach Frankreich für ca. 870.000 Euro.
Wir sind mit über 350 Pferden das grösste Haflingergestüt Europas. Seit nunmehr über 30 Jahren züchten wir diese sympathischen, blonden Pferde hier im kleinen Ort Meura (...). Wir halten unsere Pferde so artgerecht wie möglich." So wirbt das Gestüt Meura auf der Homepage "Thüringen entdecken" der Thüringer Tourismus GmbH. Tierschützer der Animal Welfare Foundation (AWF) haben allerdings im idyllischen Landkreis Saalfeld-Rudolstadt noch viel mehr entdeckt. In Meura wird nicht nur Stutenmilch gewonnen, das Gestüt belieferte seit den 80er-Jahren auch das Pharmaunternehmen IDT-Biologika in Sachsen-Anhalt mit Serum aus Stutenblut.
Hormon für die Schweinezucht
Das Serum dient der Herstellung des umstrittenen Sexualhormons PMSG, das vorwiegend in der Schweinezucht eingesetzt wird. Umstritten deshalb: In den "Leitlinien zur Gewinnung, Lagerung, Transport und Verabreichung von Blut- und Blutprodukten im Veterinärbereich, Absatz 2.1.2" heißt es ganz klar: Weder trächtigen noch laktierenden Stuten darf Blut abgenommen werden. Wie ist die rechtliche Lage? Bereits vor fünf Jahren bekam die Tierschutzorganisation AWF, die auch die Geschäfte mit Stutenblut in Argentinien und Urugay aufgedeckt hatte, erste Informationen, dass in Meura trächtigen Stuten Blut abgenommen wird, um daraus PMSG herzustellen.
Im letzten Jahr wurde es dann konkreter: Auf eine Anfrage des agrarpolitischen Sprechers der Grünen, Friedrich Ostendorff, ob die Bundesregierung davon wisse, dass in Deutschland PMSG produziert und gewonnen werde, antwortete das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Es lägen diesbezüglich keine Informationen vor. Vom Ministerium heißt es auf CAVALLO-Anfrage: Die Gewinnung von PMSG in Deutschland als Tierversuch nach §7a Absatz 1 Nr.4 des Tierschutzgesetzes einzustufen und damit grundsätzlich genehmigungspflichtig. Ein solches Versuchsvorhaben ist der zuständigen Behörde anzuzeigen, wobei auch die Unerlässlichkeit und die ethische Vertretbarkeit dargelegt werden muss.
Serum- oder Hormongewinnung?
Beim Landwirtschaftsministerium in Thüringen ist man, anders als die Bundesregierung, bestens über Meura informiert. Die Einschätzung ist allerdings eine ganz andere: Die längjährige Lieferbeziehung für das gewonnene Blutserum zwischen dem Haflingergestüt Meura bzw. der 2016 gegründeten IGM-Inno Meura GmbH und der IDT Biologika GmbH sind bekannt, heißt es auf eine Anfrage der AWF. Die IGM-Inno Meura GmbH betreut die Herstellung von Serum, Plasma und anderen Produkten aus Pferdeblut. Geschäftsführerin des Gestüts und der IGM-Inno Meura GmbH ist Anke Sendig. Eine Genehmigung, so das thüringische Landwirtschaftsministerium, sei nicht erforderlich: "Nach unserer Kenntnis wird in Thüringen kein PMSG, sondern Serum gewonnen.
Die Serumgewinnung als Rohstoff zur Wirkstoffherstellung ist nicht als Tierversuch einzustufen." Ganz ähnlich sieht es das Landratsamt Saalfeld-Rudolstadt. "Nach unserer Rechtsauffassung verstößt die Blutentnahme nicht gegen das Tierschutzgesetz." Die Entnahme sei nicht genehmigungspflichtig, der Gesetzgeber habe dies nicht vorgesehen. Dementsprechend sei es weder erforderlich noch möglich, eine Genehmigung zu erteilen. Für die Tierschutzorganisation AWF und ihren Sprecher York Ditfurth ist das kaum nachvollziehbar. "Es ist skandalös, dass erst nach Veröffentlichung der PMSG-Produktion in Meura die Behörden und Ministerien die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit prüfen. (...) Ich vermute hier Interessenskonflikte innerhalb eines profitablen Geschäfts auf dem Rücken der Stuten."
"Nur ein unerhebliches Unbehagen"
Gestütsleiterin Anke Sendig bestätigte in einem Bericht des ARD-Magazins Fakt am 18.12.2019: Den Stuten werden in der Woche viermal bis zu vier Liter Blut abgenommen, das sind 16 Liter wöchentlich. Auf CAVALLO-Anfrage erläuterte sie den Prozess: Den Stuten werde ähnlich einer Plasmaspende beim Menschen Blut unter medizinischen Bedingungen entnommen. "Dies erfolgt völlig angst- und stressfrei, auf hygienisch höchstem Niveau und so, dass bei den Tieren kein oder nur ein unerhebliches Unbehagen entstehen kann." Da nur das Blutplasma benötigt werde, würden die Blutzellen am nächsten Tag zurückgeführt. Jede Stute werde täglich tierärztlich kontrolliert, die Ergebnisse seien für die Behörden und Zertifizierungsstellen einsehbar.
Tierärzte sehen Blutentnahmen in dieser Menge kritisch. Veterinär Rupert Ebner, der seit Jahren den Einsatz von PSMG in der Schweinezucht kritisiert, weist darauf hin, dass die Stuten mehr Zeit und ausreichend Eisen bräuchten, um sich zu erholen. "Dabei geht es ja nicht um die Herstellung eines lebenserhaltenden Produktes. Das ist ein Milliardengeschäft, für das es durchaus synthetische Alternativen gibt. Die Schweinezucht ist auch ganz ohne diese Hormone möglich." Ähnlich sieht es Andreas Franzky von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT): "Die Häufigkeit und Mengen dieser Blutabnahmen sind ein tierschutzfachlich kritisch zu sehender Vorgang, der bei den (...) zuständigen Behörden anzuzeigen ist und strengen Prüfungskriterien unterliegt.
Wie groß die Belastung tiermedizinisch einzuschätzen ist, ohne dass Schäden bei Stute und Fötus auftreten, dazu liegen uns keine wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse vor." Die rechtliche Klärung lässt auf sich warten Gestütsleiterin Anke Sendig sagte gegenüber CAVALLO, neben dem Verkauf der Pferde und weiteren Angeboten des Gestüts sei der Verkauf des Serums ein wichtiger Teil der Unternehmensstruktur. "Die Blutentnahme und Verarbeitung wurden bisher als Produk- tionsprozess eines landwirtschaftlichen Betriebes bewertet. Nach §1 des Tierzuchtgesetzes gilt auch ein Pferd (...) als landwirtschaftliches Nutztier. Insofern kann man diese Beurteilung nicht als falsch oder illegal einstufen." Bis Mitte Februar sollten eigentlich die widersprüchlichen Rechtsauffassungen geklärt werden. Zum Redaktionsschluss lag allerdings noch kein Ergebnis vor.
Kommentar von Ute Stabingies, CAVALLO- Redakteurin
Als das Leid der Pferde bei der PMSG-Gewinnung vor einigen Jahren in Südamerika bekannt wurde, war das weit weg. Meura liegt in Deutschland und die Lebensbedingungen der Tiere sind sicherlich nicht vergleichbar. Dass der Handel mit dem Blut trächtiger Stuten ohne Genehmigung jahrelang möglich war, zeigt, wie wachsweich und bedarfsorientiert das Tierschutzgesetz ausgelegt wird. Das Wohl der Tiere hört da auf, wo wirtschaftlicher Profit beginnt, egal ob es sich um Schweine oder Pferde handelt. Geschäfte mit dem Blut trächtiger Stuten wird es hoffentlich in Zukunft nicht mehr geben.