Stuten lassen Blut für Schweinezucht
Hormongewinnung von tragenden Stuten

Um das Sexualhormon PMSG für die Schweinezucht zu gewinnen, wird tragenden Stuten literweise Blut abgenommen. Pharma-Firmen verdienen weltweit am Geschäft mit dem Pferdeblut.

Red blood bag in hand scientist over white background in laboratory.
Foto: getty Images/ toeytoey2530

Was ist PMSG und wie wird es in der Schweinezucht eingesetzt?

Pregnant Mare Serum Gonadotropin (PMSG): Stuten produzieren das Hormon nur in den ersten drei Monaten der Trächtigkeit. PMSG wird vorwiegend in der industriellen Schweinehaltung zur Brunstsynchronisation eingesetzt. Die Sauen werden zum gleichen Zeitpunkt trächtig und bekommen gleichzeitig ihre Ferkel, das vereinfacht Arbeitsabläufe. Zur PMSG-Gewinnung wird trächtigen Stuten regelmäßig literweise Blut abgenommen. In den Jahren 2016 bis Anfang 2019 kamen in Deutschland rund 6,4 Millionen Einzeldosen mit je 5 ml PMSG zum Einsatz. Geschäfte mit PMSG sind lukrativ: Die Pharmafirma Syntex exportierte im Jahr 2015 eine 100-Gramm-Charge PMSG von Urugay nach Frankreich für ca. 870.000 Euro.

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Pharma-Firmen verdienen weltweit am Geschäft mit Pferdeblut

Südamerika: 2015 stieß die Animal Welfare Foundation (AWF)bei Recherchen zu Pferdefleisch-Importen erstmals auf Blutfarmen in Argentinien und Paraguay (siehe CAVALLLO 12/2015). Pharmafirmen wie MSD/Merck, IDT Biologika und Ceva Santé Animale beendeten den Import von PMSG aus Südamerika 2017/2018.

Meura: Auf dem Haflingerstüt Meura in Thüringen wird seit mehreren Jahren trächtigen Stuten Blut für die PMSG-Produktion (siehe CAVALLO 04/2020) abgenommen. Rechtswidrig, wie Tierschützer immer wieder kritisieren. Ein Gutachten des Deutschen Tierschutzbundes ergab, dass die Blutentnahmen in Meura genehmigungspflichtig sind. Das Gestüt hat einen Antrag auf Tierversuche gestellt, dieser wurde 2020 nachträglich genehmigt und für weitere fünf Jahre verlängert.

Island: In Island werden auf sogenannten Blutfarmen trächtigen Stuten wöchentlich bis zu 5 Liter Blut für die lukrative PMSG-Gewinnung entnommen. 60 % der Bevölkerung haben sich gegen Blutfarmen ausgesprochen.

Die Aufsichtsbehörde der Europäischen Freihandelszone EFTA hat Island im März 2023 per Mahnschreiben aufgefordert, geltende EU-Tierschutzrichtlinien einzuhalten. Die EFTA geht davon aus, dass es sich dabei um Tierversuche handelt. Diese dürfen laut EU-Richtlinien, die auch für die Freihandelszone gelten, nur nach vorausgegangener Projektbewertung durchgeführt werden. Dabei wird u.a. geprüft, ob es keine Alternativen gibt, die ohne lebende Tiere auskommen.

Die isländische Regierung hat angekündigt, bis 2025 über die Fortführung des Blutgeschäfts auf der Insel entscheiden.

So wird PMSG gewonnen

Meura-Gestütsleiterin Anke Sendig bestätigte in einem Bericht des ARD-Magazins Fakt am 18.12.2019: Den Stuten werden in der Woche viermal bis zu vier Liter Blut abgenommen, das sind 16 Liter wöchentlich. Auf CAVALLO-Anfrage erläuterte sie den Prozess: Den Stuten werde ähnlich einer Plasmaspende beim Menschen Blut unter medizinischen Bedingungen entnommen. "Dies erfolgt völlig angst- und stressfrei, auf hygienisch höchstem Niveau und so, dass bei den Tieren kein oder nur ein unerhebliches Unbehagen entstehen kann." Da nur das Blutplasma benötigt werde, würden die Blutzellen am nächsten Tag zurückgeführt. Jede Stute werde täglich tierärztlich kontrolliert, die Ergebnisse seien für die Behörden und Zertifizierungsstellen einsehbar.

Wie die PMSG-Gewinnung auf Island abläuft, haben Tierschützer der Animal Welfare Foundation (AWF) über zwei Jahre lang gefilmt und dokumentiert: Rund 5000 Tieren wird pro Saison fünf Liter Blut in der Woche abgenommen für die Produktion des Hormons PMSG. Das Geschäft in Island verteilt sich auf rund 120 kleinere Höfe, einige Pharmaunternehmen besitzen sogar eigene Herden. Zum Teil werden die Pferde mit aggressiven Hunden in die Fixierboxen getrieben. Geht es nicht schnell genug, werden sie mit Stangen brutal malträtiert. "Die Islandstuten sind halbwild, sie hatten bislang sehr selten Kontakt zu Menschen und sind traumatisiert", darauf weist York Ditfurth von der AWF hin.

Tierärzte sehen Blutentnahmen in großer Menge bei trächtigen Stuten kritisch

Tierärzte sehen Blutentnahmen in dieser Menge kritisch. Veterinär Rupert Ebner, der seit Jahren den Einsatz von PSMG in der Schweinezucht kritisiert, weist in Bezug auf Meura darauf hin, dass die Stuten mehr Zeit und ausreichend Eisen bräuchten, um sich zu erholen. "Dabei geht es ja nicht um die Herstellung eines lebenserhaltenden Produktes. Das ist ein Milliardengeschäft, für das es durchaus synthetische Alternativen gibt. Die Schweinezucht ist auch ganz ohne diese Hormone möglich." Ähnlich sieht es Andreas Franzky von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT): "Die Häufigkeit und Mengen dieser Blutabnahmen sind ein tierschutzfachlich kritisch zu sehender Vorgang, der bei den (...) zuständigen Behörden anzuzeigen ist und strengen Prüfungskriterien unterliegt. Wie groß die Belastung tiermedizinisch einzuschätzen ist, ohne dass Schäden bei Stute und Fötus auftreten, dazu liegen uns keine wissenschaftlich abgesicherten Erkenntnisse vor."

Kommentar von Ute Stabingies, CAVALLO- Redakteurin

Als das Leid der Pferde bei der PMSG-Gewinnung vor einigen Jahren in Südamerika bekannt wurde, war das weit weg. Meura liegt in Deutschland und die Lebensbedingungen der Tiere sind sicherlich nicht vergleichbar. Dass der Handel mit dem Blut trächtiger Stuten ohne Genehmigung jahrelang möglich war, zeigt, wie wachsweich und bedarfsorientiert das Tierschutzgesetz ausgelegt wird. Das Wohl der Tiere hört da auf, wo wirtschaftlicher Profit beginnt, egal ob es sich um Schweine oder Pferde handelt. Geschäfte mit dem Blut trächtiger Stuten wird es hoffentlich in Zukunft nicht mehr geben.

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10 / 2023

Erscheinungsdatum 13.09.2023