Kopflos einerseits, voller Vorfreude andererseits, so fühlt sich Lisa Rädlein heute. Dass sie erstmals ohne Kamera auf einen CAVALLO-Termin fährt, "ist ungefähr so, als ob ich ohne meinen Kopf auf dem Hals losgezogen wäre", findet die CAVALLO-Fotografin. Kein Wunder, schließlich steht Lisa Rädlein meist hinter der Kamera.
Heute ist das jedoch anders: Denn für unsere neue Reihe, in der wir Sättel, Sulkysitze und Kutschböcke ausprobieren wollen, in und auf denen wir noch nicht saßen, hat sich Lisa Rädlein sofort begeistert gemeldet. Und hatte für den Start gleich einen großen Wunsch: "Ich möchte beim ersten Mal gerne Sulky fahren." Erfahrung in punkto Fahren hat sie "nullkommanull", dafür aber Respekt davor. "Vermutlich habe ich einfach schon zu viel über Kutschunfälle gehört und gelesen."

Darüber grübelt sie auf der Anreise zum Sulky-Termin aber nicht nach, eher über die Frage: "Ob sich das erste Mal Sulkyfahren wohl anfühlt wie die erste Reitstunde? Ich hoffe nicht, denn da stellt man sich ja doch meistens eher etwas doof an." Für die erste Runde im Sulky steht Lisa jedoch Artur Nieberle zur Seite.
Der Allgäuer ist für den Fahrversuch die perfekte Wahl, managt er doch normalerweise größere Herausforderungen: nämlich einen Haufen Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren, die mit Nieberles quirligen Ponys anspruchsvolle Quadrillen in Sattel und Sulky zeigen. Das Show-Team vom Fohlenhof Farbenfroh in Kaufbeuren ist deutschlandweit unterwegs, etwa auf der "Hop-Top-Show" der Messe Equitana 2017 oder im Show-Programm von großen Reitturnieren. Dabei fahren die Mädchen in den Sulkys nicht nur stets auf den Punkt genau, sondern vor allem immer mit feinen Händen.

Ein kleiner Show-Profi für die erste Sulky-Fahrt
Beste Bedingungen also für Lisas erste Fahrstunde. Für die hat Artur Nieberle heute seinen Deckhengst "Fürst Fabelhaft" mitgebracht – einen schicken, 112 Zentimeter großen Tigerschecken. "Der Fabi läuft auch in den Shows mit und ist super zu fahren", so Nieberle. Hätte Lisa Bedenken gehabt, wären diese spätestens beim Putzen wie der Staub verflogen, den sie aus Fabis Fell bürstet.

"Was für ein hübsches Kerlchen", ist sie von dem kleinen Hengst begeistert. Als Fabis Fell glänzt, geht’s gemeinsam ans Einspannen. Lisa soll zuerst das Rückblatt mitsamt Schweifriemen anlegen. Das Rückblatt verläuft wie ein Longiergurt in der Gurtlage über Widerrist und Rücken und wird genauso verschnallt. Für den Schweifriemen hat Nieberle einen Tipp parat: "Pack den Schweif an der Schweifrübe, nimm sie zur Seite und zieh sie dann vorsichtig durch den Riemen." Dann folgt das Brustblatt, das einmal quer über die Brust läuft. "Das darf nicht zu hoch hängen, sonst drückt es dem Pferd die Luft ab. Sitzt es zu tief, schränkt es die Bewegung der Schulter ein", erklärt Artur Nieberle und hilft Lisa, es an die richtige Stelle zu rücken.
Beim Trensen hat die Fotografin Mühe, Fabis vollen Schopf zu ordnen. "Lass ihn am besten unter dem Stirnriemen", so der Tipp von Nieberle – dann stören den kleinen Hengst später keine wehenden Haare.
Wie beim Reiten: Feine Hände sind ein Muss
Während CAVALLO-Redakteurin Barbara Böke Fabi hält, hängen Artur Nieberle und Lisa gemeinsam den Sulky ins Rückblatt ein und befestigen das Brustblatt. Nun folgen die Leinen: Die werden vom Fahrersitz durch Ringe am Rück- und Brustblatt geführt und in die Trense eingehängt. "Leg sie hinten am besten über den Sitz und geh mit einem Bein beim Einsteigen gleich drüber", sagt Artur Nieberle. "So bleibst du nirgends hängen."

Gesagt, getan – Lisa klettert und sitzt erstmals im Sulky. "Voll bequem", findet sie. Und jetzt? "Jetzt halte die Leinen wie die Zügel beim Reiten, dann musst du dich nicht umgewöhnen. Behalte eine leichte Anlehnung, sitz wie beim Reiten möglichst aufrecht und rede viel mit ihm. Mehr musst du nicht machen." Na dann: Lisa lässt Fabi mit einem kleinen Schnalzen antreten und dreht die ersten Runden im flotten Schritt über den großen Sandplatz des Reitvereins Gennachtal.
"Und, wie fühlt sich das an?", ruft Artur Nieberle der CAVALLO-Fotografin zu. "Super", ruft Lisa zurück. "Aber Fabi hat ganz schön Dampf!" Um etwas davon abzulassen, lässt Lisa den kleinen Hengst nach ein paar Runden Warmziehen im Schritt antraben.
Gute Mischung aus Schwung und Ruhe finden
Fleißig zieht Fabi das Gespann über den Reitplatz, begleitet von vielen "Ho, ho, hos" aus dem Fahrersitz. Je länger Fabi trabt, umso gelassener wird er. "So langsam habe ich das Gefühl, dass ich zum Reiten komme", ruft Lisa, "so ein schönes Gefühl!" Der Hengst spiegelt das wider: Mit Vorwärtsdrang, aber losgelassen schnurrt er Runde um Runde, geht ganze Bahn, Zirkel, wechselt die Hand.

"Ein guter Reiter fährt relativ schnell gut, und wer im Sattel eine feine Hand hat, hat die auch im Sulky", ist Nieberle wenig überrascht. "Was die meisten anfangs Überwindung kostet, ist das Nachgeben, das Gehen lassen." Schwung ist das eine, immer wieder Ruhe ins Gespann reinbringen das andere. Daher soll Lisa zum Schritt parieren. "Gib ihm ein Stimmkommando und eine deutliche Parade, aber dann gleich wieder nach", ruft Nieberle. Das klappt, Fabi geht Schritt, und Lisa will wissen: "Das hat er fein gemacht, aber wie lobe ich denn?"
Richtig loben im Sulky
Leinen und Gerte soll sie dafür in eine Hand nehmen und Fabi mit der freien Hand an der Hinterhand streicheln – auf dem Sulky ist der Fah- rer sehr nah dran am Pferd. Dann hat Artur Nieberle ein paar anspruchsvollere Aufgaben parat: "Fahr mal eine Volte. Die kannst du richtig eng anlegen." Also lenkt Lisa das Gespann auf eine sechs Meter große Volte, die sie nach und nach verkleinert; den Oberkörper legt sie intuitiv richtig etwas nach innen. Rechtsherum fällt ihr das leichter – wie beim Reiten auch. "Klappt super, jetzt geh ganze Bahn und lass ihn aus der Ecke heraus angaloppieren."

Nach dem Galopp ist der Show-Platz sicher
Da zögert Lisa zunächst und meint: "Das trau ich mich nicht!" "Doch, das schaffst du", ermutigt Artur Nieberle und erklärt: "Gib ihm in der Ecke den Impuls, also mit der inneren Hand etwas vorgehen, den Oberkörper ebenfalls leicht nach vorne, leicht mit der Gerte touchieren und ein Stimmkommando geben."
Fabi galoppiert brav an – und Lisa kommt aus dem Strahlen nicht mehr heraus: "Wow, was für ein tolles Gefühl!" Nieberle ist ebenfalls zufrieden. "Gut, Lisa, super! Wenn ich das nächste Mal eine Show in Stuttgart habe, kann ich dich ja problemlos mitnehmen." Zum Abschluss der Fahrstunde verlassen Lisa und Fabi den Platz und drehen eine Runde über die Allgäuer Feldwege. Wenn es nach Lisa gehen würde, würde es nicht nur bei Feldwegen bleiben. "Ich fahre so nach Stuttgart zurück", jubelt sie. Das Absteigen fällt ihr sichtbar schwer.
"Der beste Tipp war: Stell dir vor, du bist auf dem Pferd. Hätte ich nicht gedacht, aber genauso ist es. Und ich bin sicherlich nicht das letzte Mal Sulky gefahren."

Was ist eigentlich ein Sulky
Eine Achse und ein Sitzplatz für einen Fahrer: Das sind die beiden Kennzeichen eines Sulkys. Bietet das Gefährt Platz für zwei Personen, nennt man es Gig. Sulkys sind auch auf unwegsamem Gelände meist gut zu fahren. Klassisch werden Sulkys beispielsweise in Trabrennen eingesetzt, aber etwa auch bei Pony-Fahrprüfungen. Wer Sulky fahren lernen will, kann bei Fahr-Ausbildern entsprechende Kurse belegen oder ein Fahrabzeichen (etwa bei der VFD oder der FN) ablegen.
