Ob es um die Fütterung, Hufbearbeitung, Ausrüstung oder das Reiten an sich geht: Ratschläge aus der Stallgemeinschaft sind niemals Mangelware. Diesem subjektiven Gefühl ging nun eine Studie wissenschaftlich nach.
91 Prozent haben schon ungefragt Ratschläge bekommen
Ziel der Studie von Prof. Dr. Kathrin Schütz und Antonia Kessel war es herauszufinden, welche Motive hinter Ratschlägen von Reitern stecken – und wie die Ratschläge bei anderen ankommen. Dazu wurden 798 Reiterinnen und Reiter verschiedener Disziplinen zu ihren Erlebnissen und möglichen Motiven rund um das Ridersplaining befragt. Fast alle Befragten (91 Prozent) hatten bereits ungefragte Ratschläge erhalten – am häufigsten von anderen Pferdehaltern, Stallbetreibern und Freunden aus dem Stall.
Das sind die Motive für erteilte Ratschläge
Interessante Erkenntnis: Während Reiter hinter den Ratschlägen anderer eher negative Motive vermuteten ("Die Person wollte sich als besonders fähig hervortun", "Die Person wollte mir ihre Meinung aufdrängen"), gaben sie an, selbst Ratschläge aus einer positiven Motivation heraus zu geben, etwa um anderen Reitern zu helfen oder mit ihnen in Kontakt zu treten. Den Personen, denen die ungefragten Ratschläge mitgeteilt wurden, wurden vor allem die Gefühle von Dankbarkeit und Freude zugeschrieben.
Ridersplaining löst eher negative Gefühle aus
Tatsächlich löste es bei den meisten Befragten selbst aber eher negative Gefühle aus, von anderen Ratschläge zu erhalten: Es kam vor allem das Gefühl auf, für dumm gehalten zu werden, bevor sie Gleichgültigkeit oder Dankbarkeit für den ungefragten Ratschlag empfanden.
Je besser die befragten Personen ihr eigenes Wissen einschätzten, umso eher verteilten sie im Rahmen des Ridersplainings ungefragte Ratschläge. Reiter der Ridersplaining-Gruppe hatten im Vergleich zu denjenigen, die nach eigener Aussage noch keine ungefragten Ratschläge verteilt hatten, außerdem ein stärkeres Bewertungsbedürfnis, ein höheres interpersonales Vertrauen und ein höheres Neutralitätsbedürfnis. Letzteres überraschte die Forscherinnen. "Es könnte sein, dass diese Gruppe den Eindruck hat, besonders neutral zu sein und anderen Personen mit ihren Ratschlägen helfen zu wollen und auch zu können", vermuten sie und verweisen auf selbstwertdienliche Motive beim Erteilen von Ratschlägen.
Studienergebnisse könnten Kommunikation verbessern
"Mithilfe weiterer Forschungserkenntnisse könnten Reiterinnen und Reiter, die selbst ungefragte Ratschläge erhalten, zugehörige Hintergründe ihrer Mitmenschen nachvollziehen und durch die Ratschläge von anderen nicht mehr oder zumindest weniger gestört oder belastet werden", hoffen die Forscherinnen. "Grundsätzlich kann auch ein größeres Bewusstsein für die Thematik geschaffen werden." Reiter könnten ihr eigenes Verhalten und das der anderen hinterfragen, um weniger ungefragte Reitschläge zu verteilen. Außerdem könnten Trainings entwickelt werden, wie betroffene Reiter mit Ridersplaining besser umgehen und darauf reagieren könnten. Hierdurch könnten die Kommunikation der Reiterinnen untereinander und so das Teambuilding in Reitställen verbessert werden, so die Forscherinnen.
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