Viele Tierärzte verärgert über GOT-Petitionen

Viele Tierärzte sind verärgert
Gegenwind für die GOT-Petitionen

Zuletzt aktualisiert am 20.12.2023
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Foto: Lisa Rädlein

Knapp einen Monat ist es her, dass die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) und die Vereinigung Deutscher Tierhalter (VDTH) zwei Petitionen auf den Weg brachten (CAVALLO berichtete). Das Ziel: Druck auf die Politik aufzubauen und so zu erreichen, dass die Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) geändert wird. Diese war im November 2022 in Kraft getreten – und hat für Diskussionsstoff unter Reitern gesorgt: Etliche Posten waren teurer geworden, dazu kam die neugeschaffene "Hausbesuchsgebühr". Weil die Interessen der Tierhalter nicht berücksichtigt wurden und der Gebührenanstieg zu stark sei, versuchen VDTH und FN mit ihren beiden Petitionen nun, den Gesetzgeber von einer Überarbeitung zu überzeugen.

Die Petitionen werden unter Reitern heiß diskutiert – und sorgen vor allem bei Tierärzten für Gegenwind. Die Bundestierärztekammer (BTK) verurteilte die Aktionen aufs Schärfste: "Es werden Falschaussagen verbreitete, die an Polemik nicht zu überbieten sind", kritisierte Ltd. VD Dr. Holger Vogel, Präsident der BTK. Und auch unter vielen Tierärzten ist der Unmut groß. Wir haben uns bei etlichen Tierärzten umgehört.

Dr. Stephen Eversfield, Tierarzt und Klinikteilhaber aus Hattersheim/Hessen:

"Ich finde, in der Sache muss man alles diskutieren können. Aber die Art und Weise, wie hier nicht argumentiert, sondern polemisiert wird, schüttet das Kind mit dem Bade aus. Hier wird eine Berufsgruppe herausgegriffen, die per Gesetz dazu angehalten ist, angepasste Preise zu nehmen – und die Preise wurden aus verschiedenen, nachvollziehbaren Gründen angepasst. Diese Berufsgruppe, wir Tierärzte, wird an die Wand gedrängt. Das ist unseriös, und das verärgert mich.

Die Petition ist ein klarer Fehlgriff in die politische Instrumentenkiste. Die FN erwähnt ihre eigenen Versäumnisse im Vorfeld nicht; dabei müssten sie vor diesem Hintergrund kleine Brötchen backen. Dazu kommt, dass die Tonalität, die sich hier widerspiegelt, nichts mit vertrauensbildenden Maßnahmen zu tun hat – das ist Polemik, Klientelpolitik, um gut dazustehen. Aber das ist idiotisch, weil so die Stimmung vergiftet wird, anstatt lösungsorientiert zu arbeiten. Diese Petition ist unsäglich, und das Beste wäre, sie würde ganz schnell in der Mülltonne verschwinden. Und dann sollte man sich mit den Leuten hinsetzen und reden, die was beitragen können. Da müssen Landwirtschaftsministerium, FN und Tierärzteschaft an den Tisch, denn wenn man ein Gesetz ändern will, dann muss man auch den Weg gehen, der dafür vorgesehen ist. Aktuell erweckt die FN nur den Eindruck, dass man was tut – die FN setzt sich aber auf Kosten der Tierärzteschaft in Szene. Ich weiß von vielen Kollegen, die nun sagen: Dann sollen die mal schauen, wie die ihre Turniere veranstalten.

Das Leid der Pferdebesitzer zudem an der Hausbesuchsgebühr festzumachen, ist Quatsch. Man könnte bei Impfungen beispielsweise einen Sammeltermin im Stall organisieren. Wenn ein Pferdebesitzer als Ansprechpartner dient, gibt es auch nur eine Abrechnung, und die Gebühr könnte auf alle Beteiligten aufgeteilt werden. Da müsste sich natürlich nur der Organisator darum kümmern, dass er das Geld seiner Stallkollegen bekommt. So ein Termin ist allerdings nicht einmal in unserer Kundschaft gelungen!

Man muss zudem auch die Vorteile der GOT sehen: Wir konnten aufgrund der Erhöhung zwei weitere tierärztliche Kolleginnen einstellen. Das wäre bei einer nicht-verbesserten Einnahmesituation nicht möglich gewesen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir einen Arbeitskräftemangel haben, einen stark gestiegenen Mindestlohn und Tariflohn. Beides betrifft nicht die Tierärzte, fließt aber in die Gesamtkalkulation ein. Dazu kommt der Fachkräftemangel bei Tierärzten. Vor 15 Jahren hatte ich auf eine ausgeschriebene Tierarztstelle 15 bis 20 Bewerbungen. Heute muss ich suchen gehen. Damit wir in der Klinik Not- und Wochenenddienste abdecken können, müssen wir jede Stelle 1,5-fach besetzen. Dazu kommt, dass auch die Geräte teurer geworden sind. Ein ambulantes Röntgengerät kostet 50.000 bis 60.000 Euro, ein Ultraschallgerät bekommt man nicht unter 20.000 Euro. Das muss sich auch refinanzieren. Die beste Therapie kostet."

Dr. Maren Franke, Tierärztin für Pferde und Kleintiere aus Ilsfeld/Baden-Württemberg:

"Die FN sägt mit ihrer Petition an dem Ast, auf dem sie sitzen. Sie wollen was von uns, brauchen uns auch. Einerseits stellen die sich nun hin und sagen, das ginge nicht gegen die Tierärzte – und andererseits fahren die so eine Schiene. Dabei ist das Grundthema doch: Haben die das nicht selbst verschlafen? Der Bauernverband war im Vorfeld der GOT-Überarbeitung geladen, und die FN gehört als assoziierter Verband zum Bauernverband. Warum war die FN dann nicht in der Lage, auch an dem Tisch zu sitzen? Selbst wenn die FN festgestellt hat, dass sie vom Bauernverband nicht informiert wurden, dann muss man doch selbst aktiv werden und Informationen anfordern. Sich hinzustellen und zu sagen, dass man nicht informiert wurde, das ist verlogen. Die FN macht mit der Petition ein unglaubliches Fass auf und zündet aus meiner Sicht eine Nebelkerze, um von den eigenen Fehlern abzulenken.

Und: Die FN ist auch kein Kind von Traurigkeit. Die Mitgliedsbeiträge wurden deutlich erhöht. Und warum müssen national startende Pferde häufiger gegen Influenza geimpft werden als international startende? Auch mit der Herpesimpflicht, die wissenschaftlich sehr umstritten ist, wurden die Kosten hochgetrieben. Dieser bescheuerte Flyer, den die FN aufgesetzt hat, der ist zudem inhaltlich falsch. Mit Verlaub: Da bedient sich die FN einer Polemik, einer Propaganda, das ist armselig. Es wird publiziert, was Stimmen fängt, und das mit Falschbehauptungen.

Ich finde es nur konsequent, dass etliche Kollegen nun sagen, dass sie ihre Turnierdiensttätigkeiten vorerst einstellen. Das ist konsequent und korrekt. Die Frage ist nur, wie lange das durchgehalten wird; die Gruppe der Tierärzte ist oft nicht geschlossen.

Meine Gebühren haben sich nach der Einführung der neuen GOT an vielen Stellen nur marginal erhöht, weil ich bereits zuvor schon lange nicht mehr zum einfachen Satz abgerechnet habe. Das ist wirtschaftlich nicht machbar gewesen. Für Kunden der Kollegen, die das aber bis zur neuen GOT gemacht haben, war der Sprung zu den heutigen Sätzen sicherlich sehr groß. Man darf aber auch nicht vergessen: Wenn wir die GOT nicht hätten, dann wären die Preise nochmal ganz anders! Zwar würde es dann keine Mindest-, aber eben auch keine Höchstsetze geben, zu denen abgerechnet würde. Das heißt, es würde dann ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Aspekten abgerechnet, so wie in den meisten anderen Ländern heute schon. Das hat höhere Preise zur Folge. Mit den neuen Sätzen kommen Tierbesitzer, die vorher schon auf Kante genäht waren, jetzt natürlich ins Schleudern. Aber es kann nicht Aufgabe einer Berufsgruppe sein, durch niedrige Preise jedem die Tierhaltung zu ermöglichen. Auch ich muss von meinem Beruf leben können.

Natürlich kommt mit der neuen GOT mehr Geld im System, also bei den Tierarztpraxen an. Aber: ich habe nicht unbedingt mehr Gewinn. Die aktuelle Inflation frisst das meiste direkt wieder auf. Um ein paar Beispiele zu nennen: Die Medikamente sind rasant teurer geworden, ich bekomme teilweise zwei-, dreimal im Jahr neue Preislisten zugeschickt. Auch der Sprit ist teurer geworden. Dazu kommt, dass die derzeitige GOT auf Zahlen von 2020 beruht, die aktuelle Inflation war da ja noch gar nicht eingepreist. Und bei den Kollegen, die angestellte Tierärzte oder Immobilien haben, da sind die Mehreinnahmen genauso flugs wieder weg. Der Tarifvertrag der Tierärztlichen Helferinnen wurde ja ebenfalls erhöht.

Was das Leben von uns Pferdetierärzten noch schwerer macht: 60 bis 80 Stunden die Woche arbeiten, was ich oft mache, das will die nachfolgende Generation nicht mehr. Ich habe alle zwei Wochen von Freitagabend bis Montagfrüh Rufbereitschaft. Den Arbeitnehmer will ich sehen, der das jahrelang macht. Wenn es uns Einzelkämpfer nicht mehr gibt, können die Leute ihre Pferde aufladen und in die Kliniken fahren, und die gibt es auch nicht wie Sand am Meer. Das ist kein Szenario, das uns erst in zwanzig Jahren droht."

Dr. Timo Zwick, Abteilungsleiter der Zahnstation Pferd an der Tierklinik Gessertshausen, Bayern:

"Ich kann die Argumente der Pferdebesitzer nachvollziehen. Die Auswirkungen merke ich auch im Zahnbereich, da werden Routinebehandlungen eher mal außen vorgelassen oder der Zeitraum wird verlängert – von einem Jahr auf anderthalb oder zwei bis zur nächsten Kontrolle. Weniger Vorbeugung, mehr Therapie. Die Diskussionen um die Kosten haben seit der GOT zugenommen. Vorher war die Priorität, dass das Pferd gesund wird, die Kosten waren zweitrangig. Das hat sich verschoben, viele machen sich Sorgen, dass man das nicht mehr zahlen kann. Dass die Preise steigen, geht uns Tierärzten im privaten Umfeld ebenso wie in der Klinik.

Dazu kommt, dass wir oft viel organisieren müssen, um einen Dienst aufrecht zu erhalten oder Mitarbeiter zu bekommen. Wir haben als Reaktion auf die GOT die Gehälter der angestellten Tierärzte angepasst. Denn das wichtigste Kapital, das wir als Klinik haben, sind langjährige Mitarbeiter. Und die zu halten oder überhaupt Mitarbeiter zu gewinnen, ist nicht immer einfach. In Bewerbergesprächen wird ein bestimmtes Gehalt vorausgesetzt, dazu kommen geregelte Arbeitszeiten, Fortbildungen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Die Attraktivität des Pferdetierarzt-Berufs ist nicht sonderlich hoch, da muss man sich nur mal mit Veterinärmedizinstudenten unterhalten. Die wenigsten wollen als Fahrpraktiker arbeiten. Auch der Umgang mit manchen Pferdebesitzern ist nicht einfach, weil deren Ansprüche mitunter sehr hoch sind: Man muss als Tierarzt rund um die Uhr erreichbar sein, es bestehen dieselben hohen Ansprüche wie in der Humanmedizin, die technische Ausstattung muss stimmen, es muss spezialisierte Fachtierärzte in der Klinik geben und am besten eine Rundumbetreuung. Man braucht neben der fachlichen Kompetenz auch ein hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit, um zufriedene Besitzer zu haben.

Dass die FN die Petition angestoßen hat, verwundert mich nicht. Wenn man als Vertretung der Pferdebesitzer das Gefühl hat, man läuft gegen eine Wand, versucht man es eben über eine Petition. Ich stehe aber zu 100 Prozent hinter der neuen GOT. Sie war dringend notwendig, um die tierärztliche Versorgung auch in Zukunft sicherzustellen. Ich bin mir sicher, dass die GOT nicht verändert wird. Möglicherweise wird sie aber komplett abgeschafft. Dann wird sich der Markt von selbst regeln."

Dr. Christine Fuchs, Tierärztin an der Tierklinik Lüsche in Bakum/Niedersachsen:

"Die Petition der FN ist ein Schlag ins Gesicht für uns alle. Und das ausgerechnet von der FN, die ja mit uns zusammenarbeiten sollte, vor allem im Hinblick auf Tierwohl und Tierschutz. Da gibt es genug Diskussionsstoff, nicht nur aktuell um Helgstrand. Ich finde, das sendet auch ein falsches Signal an diejenigen, die ohnehin den Pferdesport kritisieren.

Angeblich geht die Petition nicht gegen die Tierärzte. Aber wenn ich eine faire Bezahlung der Tierärzte verhindern möchte, dann weiß ich auch nicht, gegen wen das sonst noch geht. Und die Preise werden gesetzlich vorgegeben, die haben wir uns nicht ausgesucht! Im Flyer, mit dem die FN ihre Petition bewirbt, sind zudem etliche Falschaussagen. Wenn Pferde Nutztiere sein sollen, kann ich nur lachen – ich weiß nicht, wer auf diese Idee kommt. Pferde sind Luxustiere, das wissen wir alle. Auch ich als Tierärztin konnte mir lange kein Pferd leisten. Als Anfangsassistentin habe ich 1500 Euro brutto verdient und dafür jede Woche 50, 60 Stunden gearbeitet. Natürlich ist das besser geworden, aber als Tierärztin verdiene ich mir auch keine goldene Nase. Für die Kollegen, die in der Fahrpraxis tätig sind, stelle ich mir das schlimm vor, da sie jederzeit alles für ihre Kunden und deren Pferde geben – und dann entdecken sie deren Namen in der Petitionsliste. Viele haben ja nun ihre Zusatzbezeichnung "tierärztliche Betreuung von Pferdesportveranstaltungen" zurückgegeben. Ich habe als Konsequenz auf das Vorgehen der FN meine Persönliche Mitgliedschaft dort gekündigt."

Dr. Anne Mößeler, Tierärztin (Dipl. ECVCN), Praxis für tierärztliche Ernährungsberatung bei Hannover/Niedersachen:

"Eines gleich mal vorweg: Da ich mich auf Ernährung spezialisiert habe, bin ich nicht wie andere KollegInnen tagtäglich im Fahrdienst oder einer Klinik tätig, auch wenn ich natürlich Termine "vor Ort" im Stall habe. Aber diese ganze Diskussion um die GOT irritiert und verwundert mich dennoch sehr. Man muss einfach mal die Stundenlöhne von Tierärzten mit Handwerkern vergleichen – Letztere bekommen teils deutlich mehr.

Dazu kommt: Viele Tierbesitzer sehen nur die fünf Minuten der Allgemeinuntersuchung und der Impfung. Nicht die Bestellung des Impfstoffs, die Lagerhaltung, die Buchhaltung, die umfangreiche Fortbildung (für Fachtierärzte in nicht unerheblicher Stundenzahl vorgeschrieben) und und und. Etliche erwarten doch auch einen "rund-um-die-Uhr-Service", weil "der Tierarzt doch dem Wohl des Tiers verpflichtet" ist. Klar. Deshalb hat er oftmals auch "kein Privatleben" und ist immer telefonisch erreichbar. Welche Berufsgruppen haben das sonst?

Zudem sind die Einzelkämpfer, die mit ihrer Fahrpraxis unterwegs sind, extreme Idealisten und ständig in der Verantwortung. Oft erwarten Tierbesitzer auch, dass der Tierarzt bitte die Rolle des Hausarztes, Internisten, Chirurgen, Dermatologen und Orthopäden in einer Person vereint; mindestens auf dem Niveau behandeln soll (was natürlich unmöglich ist) – und dabei bitte den Preis von vor 30 Jahren berechnet. Das finde ich erschreckend. Immer wieder höre ich von Pferdebesitzern, dass es jetzt schon Versorgungsengpässe gibt, im Notfall kein Kollege kommen kann. Wir brauchen da ein Umdenken – zum Wohle der Pferde."

Barbara Kellewald, Ehefrau eines Tierarztes und in dessen Klinik in Maichingen/Baden-Württemberg tätig:

"Ich bin seit 25 Jahren mit einem Tierarzt verheiratet, Tierhalterin, Mutter von drei Kindern und arbeite Vollzeit für meinen Mann. Ich würde gerne mit ein paar Fakten beginnen: In Deutschland gibt es ca. 22.000 Praktische Tierärzte, die ungefähr 34,4 Millionen Haustiere versorgen. Die 34,4 Millionen Haustiere verteilen sich auf ca. 46 % aller deutschen Haushalte und das entspricht ca. 19 Millionen Haushalten. Daraus folgt, dass auf einen Praktischen Tierarzt in Deutschland 863 zu betreuende Haushalte kommen. Was ich hier nicht berücksichtigt habe, sind die Praktischen Tierärzte, die im Nutztierbereich tätig sind, also keine Haustiere versorgen, und dass nicht alle Praktischen Tierärzte in Vollzeit arbeiten. Würde ich diese Zahlen noch mit hineinrechnen, sehe die Bilanz viel schlechter aus.

Im Zeitraum von 2015 bis 2020 hat die 24-Stunden-Versorgung um 30 % abgenommen, Tendenz weiter fallend. Hieraus resultiert, dass für die Kliniken, die weiterhin einen 24/7-Dienst anbieten, noch mehr Arbeit in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen zu bewältigen ist.

Folgend möchte ich einen Preisvergleich aufstellen: Eine chiropraktische Behandlung kostet zwischen 80 und 150 Euro (je nach Tierart). Eine osteopathische Behandlung wird mit ca. 180 Euro abgerechnet. Hier kommen noch Wegegeld und Mehrwertsteuer hinzu. Eine Lahmheitsuntersuchung eines Tierarztes bei einem Pferd kostet nach neuer GOT im einfachen Satz 51,31 Euro, im zweifachen Satz 102,62 und im dreifachen Satz 153,93 Euro. Auch hier kommen Wegegeld und Mehrwertsteuer noch hinzu. Eine homöopathische Erstbehandlung kostet je nach Tierart zwischen 120 Euro und 300 Euro, zzgl. Arzneimittel, Kräuter, Nahrungsergänzungsmittel und Wegegeld. Eine Allgemeine Untersuchung mit Beratung bei einem Pferd kostet im einfachen Satz 30,78 Euro, im zweifachen Satz 61,56 Euro und im dreifachen Satz 92,34, zzgl. Wegegeld und eventuell einer Hausbesuchsgebühr in Höhe von 34,50 Euro im einfachen Satz (wie sie zumeist verlangt wird). In der Realität werden wir Tierärzte erst nach der Konsultation von Chiropraktikern, Osteopathen und Homöopathen, alle zumeist ohne sechsjähriges tiermedizinisches Studium, gerufen.

Nach den Fakten die persönlichen Erfahrungen: Alle, die sich jetzt an dieser Empörung wegen der neuen GOT beteiligen und das Tierwohl als Argument ins Feld führen, haben eines ganz klar vergessen und nicht beachtet. Wir, Tierärzte, TFAs, angeheiratete oder angelernte Helfer und Arbeitende in einer Tierarztpraxis oder -klinik, tun seit Jahrzehnten nichts anderes, als uns um das Tierwohl zu kümmern. Deswegen haben wir diesen Beruf ergriffen. Ist den Kritikern bewusst, dass es in keinem anderen Beruf eine so hohe Scheidungsrate und noch viel schlimmer Suizidrate gibt, wie unter den Tierärzten? Die Gefahr des Suizids ist ungefähr siebenmal höher als in anderen akademischen Berufen. Warum ist das so?

1. Wir haben einen massiven Mangel an praktischen Tierärzten. Nur ca. 5 % der heute Studierenden werden praktischer Tierarzt. Der weitaus größere Teil entscheidet sich für ein höheres Gehalt und geregelte Arbeitszeiten in Industrie und Wirtschaft. Daraus resultiert, dass uns der Nachwuchs fehlt.

2. Die Arbeit verteilt sich auf immer weniger praktische Tierärzte, die eben wegen des Tierwohls 24/7 für die Tiere da sind. In unserem Fall heißt das, dass wir als inhabergeführte Tierklinik keinen Feierabend, Sonntag oder Feiertag kennen. Unsere Familie hat sich schon immer hinter dem Tierwohl eingereiht und die Kinder mussten akzeptieren, dass ihr Vater oft nicht da war, weil mal wieder ein Tier ihn brauchte.

3. Tierärzte haben es nicht nur mit dem Leid der Tiere, sondern auf mit dem Leid der Tierbesitzer zu tun. Wir müssen immer beide Parteien im Auge behalten. Dies bedeutet auch für uns eine hohe emotionale und psychische Belastung.

Als mein Mann vor 28 Jahren angefangen hat, als Tierarzt zu arbeiten, hat er 400 Euro brutto erhalten. Normal war, dass Anfangsassistenten jede zweite Nacht und jedes zweite Wochenende Dienste übernommen haben. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Dennoch liegt das durchschnittliche Einkommen eines Tierarztes immer noch signifikant unter einem Einkommen eines anderen akademischen Berufes. Die persönliche Haftung vor allem bezüglich Arzneimittelrecht ist eine Herausforderung für jeden praktisch tätigen Tierarzt. Jeder Verstoß gegen das Arzneimittelrecht ist ein Straftatbestand und kann zum Verlust der Approbation und damit des Berufes führen.

In meinem Artikel gehe ich bewusst nicht auf die Polemik der FN und andere Vertreter des Pferdesports ein. Wer heute sich hier auf das Tierwohl beruft, sollte sich überlegen, ob er mit seinem Reglement nicht gerade dagegen verstößt und sich diese Fragen gefallen lassen: Muss es in Deutschland bezüglich der Impfpflicht tatsächlich strengere Regeln als im internationalen Sport geben? Müssen Pferdesportveranstaltungen immer höher und besser werden? Ist es im Sinne des Tierwohls, dass Pferde mit sieben Jahren und jünger bereits in der Schweren Klasse (S) starten und dies voll zu Lasten der Gesundheit des Pferds geht? Brauchen wir nicht die Tierärzte, die sich Wochenende für Wochenende auf den Turnierplätzen einfinden, um das Tierwohl zu gewährleisten? Schon mal drüber nachgedacht?"