Die Sequenz auf dem Facebook-Video war kurz, aber hatte es in sich: In einer Reithalle eines Ausbildungsstalls longiert eine Frau ein Pferd. Der Schweif ist zusammengebunden und an das Ende eines Führstricks geknotet. Der Strick läuft durch den seitlichen Ausbindering am Longiergurt, der Karabinerhaken des Stricks ist am Gebissring der Trense eingehängt. Der Strick ist so kurz gebunden, dass der Schweif und der Kopf des Pferds unnatürlich nach innen in Richtung Bauch gezogen werden. Deutlich erkennbar ist, wie das Pferd beim Laufen versucht, sich dieser extremen Verkrümmung und Zwangshaltung zu entziehen. CAVALLO verlieh für diese Schmerzen verursachende Methode in Ausgabe 12/2022 die Mistgabel, mit der monatlich auf der letzten Heftseite angeprangert wird, was schiefläuft in der Pferdewelt.
Das zuständige Veterinäramt sah keinen Tierschutz-Verstoß
Der Fernsehsender RTL berichtete in der Sendung "Extra" nun über Hintergründe zum Verfahren gegen die Hofbesitzer, das die Staatsanwaltschaft Hagen eingeleitet hatte. Laut RTL-Bericht wurde als Sachverständiger in diesem Verfahren das Veterinäramt Märkischer Kreis eigeschaltet. Dieses kam zu einer ganz anderen Einschätzung als zuvor schon die Deutsche Reiterliche Vereinigung FN und der zuständige Pferdesportverband. RTL zitiert aus einer Stellungnahme des Veterinäramts: "Der gesamte Sachverhalt ist von einer Veterinärin im Dienst des Märkischen Kreises eingehend geprüft worden. Ergebnis: Es liegt kein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vor. (...) Mimik, Körpersprache und Ohrenspiel zeigten keinen Hinweis auf Schmerzen oder Unbehagen." In Bezug auf ein Video von 2019 sagte das Amt, das Pferd zeige deutliche Verspannungen mit ruckartigen Kopfbewegungen, pendelndem Kopf und angelegten Ohren. Das sei aber aus Sicht des Amts nicht von der Methode oder Ausrüstung verursacht, sondern dürfte darauf zurückzuführen sein, dass das Pferd zu diesem Zeitpunkt krank gewesen sei. Bei RTL dagegen ging man davon aus, dass das Video von Dezember 2021 stamme, verifizieren könne man dies jedoch nicht. Die vom Veterinäramt beschriebenen Verhaltensweisen konnte RTL nicht auf dem Video erkennen – es gibt also Unstimmigkeiten.
Das Landesamt veranlasste ein Verbot der Methode
RTL wandte sich nach der Einstellung des Verfahrens an die Landestierschutzbeauftragte Nordrhein-Westfalens, Dr. Gerlinde von Dehn. Sie zog einen externen Gutachter hinzu, der in dem Vorgehen keine akzeptable therapeutischen Methode erkannte. Ein neutraler Experte des Landesamtes habe diese Einschätzung geteilt. Daraufhin bat das Landesamt als Fachaufsichtsbehörde das Veterinäramt, die Methode zu verbieten. In Zukunft sei ihre Anwendung eine Ordnungswidrigkeit oder je nach Ausmaß des Verstoßes eine Straftat, so Dr. Gerlinde von Dehn. Rückwirkend gibt es für die Hofbetreiber, die die Methode angewendet haben, laut RTL allerdings keine rechtlichen Konsequenzen, dies sei nur mit neuem Beweismaterial möglich.