Sopherl schläft im Sand. Ihre hellblauen Augen blinzeln, die rosa Schnute gähnt, die langen Ohren drehen auf Empfang. Dann – mit einem Sprung ins wilde Leben – jagt sie hinter Maja, Luis und Loreen her, so schnell vier winzige Hufe nur galoppieren können.
"Sopherl von Schloss Hof" ist nicht die Tochter der Kaiserin – aber die Prinzessin der Herzen. Vor zwei Wochen wurde das Eselfohlen auf Österreichs großer barocken Schlossanlage geboren und unterhält schon jetzt die Besucher am Weidezaun aufs Beste.

Mission: Rettung des Kulturschatzes
Auf Schloss Hof und im Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel leben die beiden größten Herden der Österreichisch-Ungarischen Weißen Barockesel in sehr unterschiedlichen Lebensräumen: mal frei als Naturschützer, mal auf dem Schloss als Kutsch- und Streicheltier.
Weltweit gibt es nur noch einige hundert Stück von Österreichs einziger anerkannter Eselrasse, die zu den vom Aussterben bedrohten Haustierrassen zählt. Zum Vergleich: In ganz Europa gibt es gut 55 Eselrassen und Varianten.
Schloss Hof im Marchfeld gehört zu Niederösterreichs Weinviertel. Der Schlossgarten ist typisch für die Barockzeit: symmetrische Alleen und Beete, Springbrunnen und Wasserbecken über sieben Terrassen hinweg. Auf den Gutshofweiden dösen und grasen Ziegen, Schafe, Kamele, Pferde und Esel.

Schloss Hof hat sich zur Aufgabe gemacht, seltene Haustierrassen und vor allem die Weißen Esel als Kulturschatz für die Zukunft zu retten. "Sonst verschwindet alles für immer, was heute nicht mehr gebraucht wird", fürchtet Magister der Zoologie, Katharina Tschann, "weil nur noch moderne Hochleistungsrassen eingesetzt werden."
Die 41-Jährige leitet seit 2008 die Tierhaltung im Gutshof des Schlosses. Die Weißen Barockesel haben es ihr inzwischen besonders angetan. Regelmäßig referiert sie vor Fachleuten ebenso wie vor breitem Publikum über diese Spezies und hält Seminare oder Esel-Workshops.
Die Barockesel sind quirligere Typen
Während Katharina Tschann von den Eseln erzählt, steht sie im Paddock. Ihre Mitarbeiterin Vanessa Deibl, Pferdewirtin und Tierpflegerin auf Schloss Hof, spannt Annelies und Morti an.
Um für das Schloss zu werben, treten die Esel manchmal sogar als Sechsspänner auf – zum Beispiel für eine Präsentation auf Schloss Schönbrunn in Wien oder das österreichische Frühstücksfernsehen. Deshalb stehen regelmäßige Trainingsfahrten durch den Barockpark an. Jährling Walter ist der männliche Begleiter für heute, Katharina Tschann hält von der Kutsche aus seinen Führstrick in der Hand.

Unerwartet temperamentvoll ziehen Lieschen und Morti an, und so rollen die Gummireifen über den feinen weißen Kiesel auf den Schlosswegen, vorbei an den plätschernden Kaskaden. "Die Barockesel sind quirligere Tiere als zum Beispiel die ruhigeren Katalanischen Riesenesel", unterscheidet Katharina Tschann.
Der Ursprung der Weißen Barockesel geht vermutlich auf die barocken Adelshöfe zurück. Für die Kinder sollte der cremefarbene Esel im 17. und 18. Jahrhundert ein Spielgefährte sein, Erwachsene munterten die Langohren auf.
Die grauen Zeiten wollte im Barock keiner mehr, die Trendfarbe war Weiß, "Lichtbringer" nannte man die hellen Tiere. Lipizzaner oder weiße Pfauen eroberten die Schlösser der österreichisch-ungarischen Monarchie.
Historisch bewiesen ist die gezielte Zucht der Barockesel nicht. Ebenso wenig, woher die Farbgenetik stammt – es sind weder Schimmel noch Albinos. 64 Mitglieder bemühen sich im "Verein zur Erhaltung der Weißen Barockesel" um die Zucht, Katharina Tschann ist die Präsidentin.

"Der Esel ist das am meisten falsch verstandene und ausgenutzte Tier", findet Katharina Tschann. 44 Millionen Esel sollen weltweit als Arbeitstiere Dienst tun. "Ein Esel ist nicht stur – er ist individuell im Denken", erklärt Tschann aus der Natur des Esels und seiner kargen, steinigen Umwelt. So karg, dass Esel nur in kleinen Gruppen oder gar alleine leben, weil sonst nicht alle satt würden.
Vor etwa 4,5 Millionen Jahren nahm die Entwicklung von Pferd und Esel getrennte Wege. Anders als Pferde sind sie keine Fluchttiere. "Der Esel sammelt in Ruhe Eindrücke und ist dann meist kooperationsbereit", findet Katharina Tschann. Darauf muss sich der Mensch eben einstellen.
Barockesel schützen die Gottesanbeterin
Ortswechsel: 60 Kilometer südlich von Schloss Hof liegt der Neusiedler See im Burgenland. In Illmitz beginnt der Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel zum Schutz einer besonderen Landschaft: Es ist der Übergang von den Ostalpen in die Ungarische Tiefebene, die "Puszta".
Schilf am Seeufer, Weingärten hinter den Ortschaften, dazwischen die Salzlacken, jahrtausendealte Tümpel, die immer wieder austrocknen und auf brüchiger Erde salzigen Sodaschnee hinterlassen.

Die Salzwiesen sind im Frühjahr und im Herbst Rastplatz der Zugvögel zwischen Nordeuropa und Afrika. Auf verlandeten Flächen ähneln die alten Huteweiden der Bauern aus den letzten Jahrhunderten einer Steppe. Das Pannonische Klima lässt im Sommer die Hitze brüten. Auf Sandwegen wühlen Kutschen, deren flache Dächer an die K-u-K-Monarchie erinnern, Staub auf.
"Die Esel halten die Fläche frei von Büschen und Schilf", erklärt Nationalpark-Ranger Alois Gangl aus Illmitz. Er kümmert sich seit über 20 Jahren um die Barockesel, die hier auf 600 Hektar mit Graurindern, Wasserbüffeln und Przewalski-Pferden als Naturschützer tätig sind.
Durch das selektive Fressverhalten der Weidetiere, ihre Trittspuren und das Aufscharren von Sandkuhlen erhalten sie Flora und Fauna. Wilde Orchideen wie das "Kleine Knabenkraut" wachsen hier, die Fangschrecke "Gottesanbeterin" liebt den Trockenrasen und geht auf Beutejagd.
Konstruiert wie Kamele: Fettschicht am Rücken
Wer mit Alois Gangl eine Führung zu den Barockeseln unternimmt, wird mit typischem Eselgeschrei begrüßt, das durch Mark und Bein fährt. "Das ist Krümmel", sagt Gangl, der nebenbei Winzer ist und seinen Weißwein "Cremello" nach den Eseln nannte.
Krümmel war sein Flaschenkind, daher der herzlich-lautstarke Gruß. Der Esel-Ziehvater füttert Karotten an die Langohren, die inzwischen fast alle am Zaun stehen. Mindestens einmal am Tag kontrolliert er die 20-köpfige Herde.

"Esel sind konstruiert wie Kamele: Die haben ihre Fettschicht oben auf dem Hals und auf dem Rücken, das isoliert und leitet die Wärme nicht in den Körper. Dazu reflektiert das helle Fell die Sonne", sagt Gangl. Wenn es den Eseln doch zu heiß wird, gibt es gemauerte Offenställe mit Tränken – und in schlechten Zeiten Heu.
Und es gibt noch eine weitere Eselweide, gleich gegenüber. Ein Liebesnest, das den Bestand der Barockesel sichern soll. Hier lebt für ein paar Wochen im Sommer Hengst Willi, aktuell mit fünf Damen von Schloss Hof. Für die barocke Kinderstube.
Der österreichisch-ungarische Weiße Barockesel
Österreichs einzige anerkannte Eselrasse; ihren Ursprung vermutet man im 17. und 18. Jahrhundert. Lange war der Barockesel fast verschollen, bis 1986 Prof. Fritz Dietrich Altmann einige Exemplare im Tierpark Herberstein wiederentdeckte.
Kurt Kirchberger und Helmut Pechlaner fanden weitere Tiere in Ungarn. Darauf basiert die heutige Zucht. Weltweit rechnet man mit nur einigen hundert Weißen Barockeseln. Die beiden größten Herden Österreichs leben auf Schloss Hof und am Neusiedler See.
Steckbrief: Weißer Barockesel
Herkunft: Ist nicht sicher geklärt; wie bei allen Hauseseln ist die Stammform der Afrikanische Wildesel.
Farbe: Cremello, rosa Haut, hellblaue Augen, keine Albinos. Die helle Farbe war Trend im Barock, es waren "Lichtbringer". Die genetische Grundlage der Farbe ist wissenschaftlich noch nicht abgeklärt; das Champagne-Gen wurde vermutet, konnte jedoch nicht gefunden werden. Tatsächlich weiß man nicht, wie die Farbe zustande kommt. Nach jeder beim Pferd üblichen Gen-Variante wurde gesucht, jedoch beim Barockesel nicht gefunden.
Größe: 105 bis 125 Zentimeter Stockmaß
Mähne: überwiegend stehend, selten lange Hängemähne (eher unerwünscht)
Zuchtbuch: 290 Stuten und Hengste stehen im offenen Zuchtbuch, das der Zuchtverband Stadl-Paura in Oberösterreich führt; der Verein zur Erhaltung der Weißen Barockesel arbeitet zu.
Verwendung: Therapietiere, Tragtier, Kutsche, Kinderreitesel, Landschaftspflege
Charakter: genügsam, freundlich, dem Menschen zugetan
www.barockesel.at





Schloss Hof und die Tiere
Schloss Hof ist Österreichs größte Landschlossanlage und liegt zwischen Wien (60 Kilometer) und Bratislawa (30 Kilometer): prunkvolle Räume und Ausstellungen, Spielplätze, Streichelzoo, eine barocke Gartenanlage über sieben Terrassen, die "Meierei", ein Gutshof mit rund 230 Tieren – davon 22 Barockesel und vier Fohlen sowie weitere 13 Vertreter vom Aussterben bedrohter Haustierrassen.
Feldherr Prinz Eugen von Savoyen ließ das vorherige Renaissancekastell 1725 zum Jagdsitz umbauen. 1898 übergab Kaiser Franz Joseph das Schloss der Heeresverwaltung als Reit- und Fahrinstitut. 1922 gab es für die Ausbildung 100 Schul-, Spring- und Jagdpferde.
Alois Podhajsky (späterer Leiter der Spanischen Hofreitschule von 1939 bis 1964) war dort ab 1935 Lehrer – was er in seinem Buch "Mein Leben für die Lipizzaner" beschrieb.
Eintritt für Erwachsene 18 Euro, Kinder zehn Euro.
www.schlosshof.at
Beweidungsprojekt am Neusiedler See
Seit 1993 gibt es den grenzüberschreitenden Nationalpark Neusiedler See-Seewinkel. Schützenswert ist der Steppencharakter der Landschaft, der See, sein Schilfgürtel und die "Lacken", tümpelähnliche Wasserstellen, die regelmäßig austrocknen und Salze in Form von weißem Sodaschnee hinterlassen.
Das pannonische Klima und die Lage im Regenschatten der Alpen sorgen für etwa 2.000 Sonnenstunden im Jahr. Die "Sonnenseite Österreichs", wie die Einheimischen sagen, ist perfekt für das Steppentier Esel.
Der Weiße Barockesel ebenso wie Graurinder, Wasserbüffel und Przewalski-Pferde fressen am Seeufer, um die traditionellen Huteweiden zu erhalten – auch ein Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere sowie ein Rastplatz für den Vogelzug.
Mehr Infos geben das Nationalpark-Informationszentrum in Illmitz und Ranger wie Alois Gangl auf Führungen. Kutschen fahren zur Eselweide, ebenso sind Radwege gut ausgeschildert.
www.nationalparkneusiedlersee-seewinkel.at