Der schmust heute anders als sonst, denkt Ronny Bartelheimer, als er seinen Schimmelhengst krault, der in der Stallgasse angebunden steht. Als seine Frau Gerlinde dazu kommt, muss sie lachen: Ihr Mann ist gerade darauf reingefallen, dass sie ihr Pferd woanders hingestellt hat als üblich. Verwechslungen wie diese kommen im Hause Bartelheimer schon mal vor – oder vielmehr im zweiten Zuhause des Ehepaars. Denn Gerlinde und Ronny verbringen jede freie Minute bei ihren vier Pferden. Und zwei davon sehen sich so ähnlich wie ein Ei dem anderen.
Beide Hengste heißen Valioso und wurden am 30. März 2012 auf dem Karthäuserpferde-Gestüt "Yeguada de la Cartuja" in Spanien geboren: Zwillinge! "Lio", der Erstgeborene, kam 2017 zu den Bartelheimers. Damals wusste das Ehepaar noch nicht, dass ihr Hengst einen Bruder hat. Durch Zufall sahen sie auf der spanischen Pferdemesse SICAB im gleichen Jahr "ihr Pferd".

Den zweiten Valioso zu entdecken, war eine kleine Sensation, die Ronny und Gerlinde Bartelheimer nicht mehr losließ. Nach zwei Jahren Gefühls-Achterbahn zwischen Vernunft ("Wir können keinen weiteren Hengst halten!") und Herz ("Wir müssen die Hengste zusammenbringen!") holten sie Lios Bruder, genannt "Valoo", ebenfalls zu sich in die Lüneburger Heide.
"Das Wiedersehen der Brüder war magisch", erinnert sich Gerlinde Bartelheimer (46). Althengst und Stallgassen-Chef Vistoso zuckte angesichts des Neuankömmlings nicht mit der Wimper – kenne ich schon, dachte er wohl. Und Lio? Der hatte nur noch Augen für seinen Bruder. Umgekehrt übrigens genauso.
Im Temperament scheiden sich die Geister
Bis heute haben die neunjährigen Pferdebrüder eine besondere Beziehung zueinander. "Sie suchen die Nähe des anderen", erzählt Gerlinde Bartelheimer. Charakterlich haben sie jedoch nicht nur Gemeinsamkeiten. Beide Hengste sind selbstbewusst und unerschrocken.
Doch während Lio in sich ruht, ist Valoo ein Quatschkopf. "Lio ist auch beim Reiten ein bisschen triebig, während Valoo elektrischer ist und sich auch mal mehr auf andere Dinge als den Reiter konzentriert", weiß die Zwillings-Besitzerin.

Ronny Bartelheimer sitzt lieber auf dem ruhigen Lio. Das passt. Der stets gelassene 45-Jährige kam erst zum Reiten, nachdem er seine heutige Frau kennenlernte. Frisch verliebt schaute er ihr zu, wenn sie Reitunterricht hatte. Und so dauerte es nicht lange, bis er selbst im Sattel saß. Später, als der erste eigene Hengst Vistoso da war, kümmerte er sich um ihn, wenn seine Frau keine Zeit hatte. Nur am Boden, wie mit ihr besprochen.
Doch während sie drei Monate beruflich im Ausland war, sattelte er Vistoso und ritt einfach los. Als sie zurückkam, zeigte er ihr grinsend den Hengst: "Na, wie sieht er aus?" Gut, sagte seine Frau anerkennend. "Dann pass’ mal auf", kündigte Ronny Bartelheimer an, schwang sich auf Vistoso und galoppierte übers Stoppelfeld. Vermutlich war das einer der wenigen Momente, in denen Gerlinde Bartelheimer sprachlos war.
Der Gast-Hengst stört den Zwillings-Frieden
Und so bilden Lio und Ronny nun den gechillten Gegenpol zur quirligen Gerlinde auf dem spritzigen Valoo. Wenn die Bartelheimers nicht im Stall sind, fahren sie mit ihren Pferden auf Shows und zeigen, wie gut ihre Hengste unter dem Sattel miteinander harmonieren. Dass das nicht selbstverständlich ist, wird sichtbar, wenn der Show-Kollege anreist.
Der Gast, Lusitano-Hengst Albaisim, ist Mitglied des Showteams "Mirage Español", zu dem auch Lio und Valoo gehören. Er wird jedes Mal aufs Neue abgecheckt. Bis das Testosteron-Trio sich miteinander arrangiert hat, kann es schon mal ein oder zwei Trainingseinheiten dauern. Doch auch die Reiter brauchen ein Weilchen, um sich zu koordinieren. "Schatzi, näher ran!", ruft Gerlinde Bartelheimer, gefolgt von "Nicht so dicht, hör auf!" Neckisches Gerangel finden Herr und G’scherr wohl gleichermaßen lustig.
Wohlfühl-Oase für die Pferdemänner
Wenn kein Besuch da ist, präsentieren sich Lio und Valoo unter dem Sattel und am Boden in trauter Zweieinigkeit. Das Ehepaar Bartelheimer rätselte lange, wer von den beiden Brüdern wohl die Nase vorn hat. Doch wenn keiner von beiden Klärungsbedarf anmeldet, muss wohl auch nichts geklärt werden. Wobei ja ohnehin klar ist, dass der alte Vistoso der Boss im Stall ist. Und so leben und grasen die drei Hengste und der Wallach der Bartelheimers friedlich Zaun an Zaun nebeneinander. "Vermutlich könnten wir sie auch zusammenlassen, vor allem die Zwillinge. Aber das haben wir uns noch nicht getraut", sagt Ronny Bartelheimer.
Um ihre Tiere so gut untergebracht zu wissen, nehmen Gerlinde und Ronny Bartelheimer jeden Abend nach ihren Vollzeitjobs eine halbe Stunde Anfahrt zum Stall in Kauf. Dort zeigen sie, dass artgerechte Hengsthaltung auch im Pensionsstall möglich ist. Vom Stallbesitzer abgesegnet, bauten sie jedem ihrer Pferde einen großen Auslauf mit direktem Zugang in die Box und zur Koppel. Von dort haben Lio und Valoo sogar freien Blick auf die benachbarten Stuten. Das allabendliche gemeinsame Ritual: Damen beobachten. Lio zeigt sich dann als stiller Genießer, während Valoo mit zartem Stimmchen hin und wieder ein charmantes "Hallo" hinüberträllert.

Diese Zwillinge sind einfach unwiderstehlich. Gute Voraussetzungen für eine Showstar-Karriere!
Kontakt
Anspruchsvolle Dressur mit Hengsten zeigt das Ehepaar Bartelheimer im Showteam Mirage Español: www.mirage-espanol.de