„Kommet, kommet, kommet“, ruft Ute Holm. Schon blitzt ein beeindruckendes Horn aus der Stalltür und die Herde setzt sich in Bewegung. Wie im Wilden Westen – dabei befinden wir uns im schwäbischen Rottenburg!

Gut, Schneeweißchen, Milli und Fritzchen sind Zwergzebus. Eine handliche Rinderart, keine Büffel. Beeindruckend sind sie trotzdem. Das findet auch Quarter-Stute Luna, die sich heute mit ihren sieben Jahren zum ersten Mal zwischen den Rindern bewegt.
Mit netten Worten ermuntert sie die Pferde
Ute Holm (55) führt Luna als Handpferd langsam zwischen den Zebus hindurch, Cutting-Pferd Stella gibt der unerfahrenen Stute Sicherheit. Die legt immer wieder die Ohren an, die Zebus sollen ihr lieber nicht zu nah kommen.

„Komm Luna, wir schaffen das noch mal“, ermuntert Holm die kleine Stute sanft und fädelt sich mit den Pferden in eine Lücke zwischen den Zebus ein. „Jungpferde mit einem erfahrenen Pferd zusammen zu trainieren, habe ich bei Ray Hunt gelernt“, erklärt Ute Holm.
Der Pionier des Horsemanship war einer der ersten Westerntrainer, die in Deutschland unterrichteten. „Er war der Schulfreund eines Kunden“, erzählt Ute Holm. Sie übersetzte für ihn bei seinen ersten Kursen in Deutschland – und erlebte die Anfänge der Westernszene hautnah.
Im Esszimmer sammeln sich Trophäen und Fotos
In alten Fotoalben sind Bilder zu sehen von Hunt und Holm und von zahlreichen Turnierprüfungen, die in der Western-Szene der 80er-Jahre noch klein und familiär waren.
„Das war eine ganz andere Zeit damals“, sagt Holm. Inzwischen ist sie mehrfache Deutsche Meisterin und Europameisterin in verschiedenen Westerndisziplinen, gewann Team-Gold bei der Cutting-Weltmeisterschaft und ist Trägerin des Goldenen Reitabzeichens.

Besonders stolz ist sie aber noch heute auf ihren Sieg bei der Superhorse auf der Americana 1998 in Augsburg. In dieser Prüfung sind Elemente aus Pleasure, Trail, Reining und Western Riding gefragt.
Lieblingsaufgabe Cutting
Die golden verzierte Gürtelschnalle, die sie damals gewann, steht prominent im Esszimmer, wo neben Turnierschleifen und gerahmten Fotos Ohrmarken für die Zebu-Kälber und allerlei Büro-Unterlagen die Regalbretter füllen.
„Früher bin ich wirklich alles geritten – und jetzt denken alle, ich könnte nur Cutting“, schmunzelt Holm. Die Disziplin, bei der Reiter und Pferd eine Kuh aus der Herde separieren, ist heute ihre Lieblingsaufgabe.
Nachbars Pferde als frühe Testobjekte
Angefangen hat Holms Karriere als Jugendliche mit den Appaloosas ihres Nachbarn in Tübingen. Der kaufte die Pferde damals für die Equitana. Da es noch kaum Unterricht im Westernreiten gab, nahm sie Stunden in der Tübinger Reitgesellschaft bei Reitmeister Theo Hansen.
„Der fragte oft: Was reitest du denn immer deine Ponys?“, erinnert sich Ute Holm. Das Geld für die Reitstunden erarbeitet Holm sich damals hart: „Für jede Reitstunde musste ich im Supermarkt den Boden schrubben oder anderen die Mopeds putzen“, erinnert sie sich.
Das Durchhaltevermögen hat sie vom Vater geerbt
Das Pferdefieber ließ die gebürtige Stuttgarterin nicht mehr los. Ihre Mutter Heidi Landsmann, die mit ihren 80 Jahren und adrettem Kurzhaarschnitt immer wieder auf dem Hof mithilft und an unserem Besuchstag einen Stoß frisch gebügelter Turnierhemden vorbeibringt, weiß noch, wie das damals war. „Man hofft ja immer,dass es irgendwann vielleicht nachlässt, aber sie hatte nur Pferde im Kopf.“
Zu viel werde ihrer Tochter nichts, das Durchhaltevermögen habe sie von ihrem Vater, einem leidenschaftlichen Oldtimer-Schrauber und Sammler. Das spürt man, wenn man Ute Holm über ihren Hof begleitet: Zwischen den Trainingseinheiten (an einem gewöhnlichen Tag reitet Holm acht bis zehn Pferde) richtet sie mal eben ein schief sitzendes Halfter auf der Koppel, gießt schnell noch ihre Tomaten, zieht den Reitplatz mit dem Trecker ab und lobt die neue Sommerfrisur ihres Stallmitarbeiters.

Die pralle Sonne, die auf dem ockerfarbenen Reitplatzsand flirrt und sowas wieTexas-Feeling aufkommen lässt, scheint sie nicht zu stören. „Ich hatte schon Praktikantinnen, die aufgegeben haben – den ganzen Tag hier in der Sonne verschiedene Pferde zu reiten, ist wirklich anstrengend“, sagt sie.
Nach dem Abi ab in die Staaten
An manches muss man sich eben früh gewöhnen – Ute Holm tat das direkt nach ihrem Schulabschluss. Das Abi in der Tasche, schrieb sie kurzerhand einen Brief an den Präsidenten der Texas Reining Horse Association – ob sie zum Praktikum in die USA kommen dürfe.
Als dann auch noch ihr Patenonkel in die Staaten übersiedelte, waren die Voraussetzungen perfekt. Bis heute besteht die Verbindung ins Mutterland des Westernreitens.

Nach unserem Besuch muss Ute Holm noch Koffer packen: Am nächsten Morgen geht es für zehn Tage nach Texas. Dort soll die Ausbilderin zwei Jungpferde testreiten, die sie Ende des Jahres vielleicht auf der Futurity in den USA, dem Jungpferdechampionat der Westernreiter, vorstellen wird.
Beritt und Unterricht in Rottenburg
Beritt- und Turnierpferde stehen auch in Holms eigenem Stall in Rottenburg, den sie 2013 kaufte – zum Beispiel der elfjährige Quarter-Wallach Spoonful of Tears, der in Italien mit seinen Vorbesitzern zahlreiche Cutting-Preise gewann. Nun trainiert Ute Holm ihn und gibt seiner Besitzerin Anna Koukal Unterricht.

Für ihre heutige Trainingseinheit fädelt Holm die Schlaufen am Rücken von Stoffkuh Elsa auf ein auf dem Reitplatz gespanntes Seil. Mit einer kleinen Fernbedienung am Finger kann sie nun steuern, ob die Kuh geradeaus Stoff gibt oder ihre Bewegungsrichtung blitzschnell ändert. Das Pferd lernt an der Cutting-Maschine dann sofort zu stoppen und der Kuh in die andere Richtung nachzusetzen.
Sporen trägt sie meist nur auf dem Turnier
Der glänzende Fuchs Spoonful präsentiert sich als echtes Powerpaket, springt wie von selbst nach links und rechts und setzt sich aus dem Galopp zum Stoppen tief auf die Hinterhand. „Bei einem Pferd mit seinem Temperament muss man gut darauf achten, Abstand zur Kuh zu halten – das Pferd soll nämlich nie ins Jagen kommen oder gar aggressiv werden“, erklärt Holm.

Sporen trägt Holm auf Spoonful nicht, der Wallach ist wach genug. „Meistens trage ich Sporen nur auf dem Turnier oder bei manchen Pferden auch im Training am Rind, um mir in kritischen Situationen jederzeit die nötige Aufmerksamkeit zu holen“, sagt sie.
Damit unterscheidet Holm sich wohl von manch anderen Turnierreitern. „Manche lachen sich tot, wenn ich auf Wassertrense rumreite und raten mir, doch mal was anderes zu probieren“, erzählt sie. Beim Aufrüsten für den Sieg macht Holm aber nicht mit: „Klar will ich auch was gewinnen. Aber mir ist eben auch wichtig, dass Pferd und Reiter dabei Spaß haben.“

Hinter manchen Trainingsmethoden in der Western-Turnierszene könne sie nicht stehen. „Ich bin Pferdetrainerin geworden, weil ich Pferde gern habe. Ich will nicht nur Manöver reiten, das Pferd soll ein echter Partner sein.“
Holm will ihr Wissen weitergeben
Wo sich die 55-Jährige in zehn Jahren sieht? Vor allem unterrichtend, sie will ihr Wissen weitergeben. „Ich kann mir vorstellen, dass ich das Turnierreiten irgendwann mehr hintenanstelle und einfach mit Leuten arbeite, die Spaß am Reiten haben.“
Die Grundpfeiler dafür stehenschon: mit der neuen Halle. Während Holm bisher beim Training oft „gegen Gewitterfronten anreiten“ musste, kann sie künftig in dem großzügigen Holzbau auch bei schlechtem Wetter reiten und vor allem mehr unterrichten. Der Unterboden ist eigenhändig plattgewalzt, fehlt nur noch der Sand.

Neben dem Tisch im Esszimmer stehen mehrere Sand-Proben in Plastikflaschen am Boden wie Mitbringsel wehmütiger Italien-Urlauber. „Ich kann mich nicht entscheiden“, meint Ute Holm.
Vom Esszimmer geht es in die Küche. Hier rührt Holm Milchpulver an, für Karlchen. Denn das wenige Tage alte Zebu-Kalb bekommt durch eine Euterentzündung seiner Mutter zu wenig Milch ab. Nachdem die Temperatur exakt gemessen ist, heißt es zügig übers Gatter klettern und über die weitläufige Weide gehen, „bevor das abkühlt“. Und bevor Ute Holm sich in den nächsten Sattel schwingt.

Auf die Kuh gekommen: Zwergzebus
Zwergzebus, wie sie bei Ute Holm leben, stammen ursprünglich aus Asien und Afrika. Sie sind für das Training der Rinderarbeit mit Pferden gut geeignet, weil sie nicht zu zutraulich, aber auch nicht aggressiv sind. „Hausrinder zum Beispiel sind zu stark darauf gezüchtet, sich anfassen zu lassen und daher schlechter zu treiben“, sagt Ute Holm.
Die Lebenserwartung ist recht hoch, Ute Holms Zebu „Schneeweißchen“ ist mit 20 Jahren (15 davon verbrachte sie bei Ute Holm) lauffreudig wie ein Turnschuh. Anders die Bullen: „Die sind meistens viel fauler“, so Holm.
Kontakt:
Ute Holm bietet auf dem Marienhof im baden-württembergischen Rottenburg Beritt, Unterricht und Pensionsplätze an. www.uteholm.de