Die Holzzäune des Tennessee-Walker-Gestüts reichen fast bis zum Horizont. Überall schnurgerade ausgerichtete, dunkelbraune Balken. Dazwischen Pferde in allen Farben; an der Einfahrt ein Portal, das auch eine Villa in Beverly Hills schmücken könnte. Irgendwie ziemlich amerikanisch, das Ganze.
Kein Wunder, denn Koppeln und Tor gehören zum größten Gestüt für Tennessee Walking Horses in Deutschland. Dass man sich nicht völlig in die saftig-grünen Heimathügel dieser Pferde versetzt fühlt, liegt allein daran, dass der deutsche Winter das Land erst vor kurzem aus seinen eisigen Klauen entlassen hat. Matschig-braune Weiden, feuchte Wege und nackte Bäume lassen trotz passendem Ambiente inklusive Ovalbahn und stilechtem Holzpavillon noch kein rechtes Südstaaten-Feeling aufkommen.
Doch heute geht es nicht ums Ambiente. Vielmehr steht das Reitgefühl im Mittelpunkt. Was passiert, wenn eine CAVALLO Redakteurin auf ein Gangpferd steigt? Wie kommt sie als eingefleischter Warmblutfan und Dressurliebhaber mit dem Prunk- und Prachtpferd amerikanischer Baumwollfarmer zurecht? Auf Josef‘s Walkaway Farm im bayerischen Wemding soll sie das an diesem Frühlingstag herausfinden.















Tennessee Walker sind vielseitig einsetzbar
Vor dem ersten Tennessee Walker-Ritt steht eine gründliche Hofführung. Denise Bader-Keyser und ihr Mann, der Amerikaner Russell W. Keyser, zeigen die weitläufige Anlage, die 60 Tennessee Walking Horses beherbergt. Los geht‘s mit der großen Reithalle, zu der neben Viereck samt Tribüne auch eine Führanlage mit Roundpen gehört. Hier ist viel Platz, um in aller Ruhe auszubilden und zu trainieren. Dabei lassen sich die Keysers reichlich Zeit: "Jungpferde lernen Basics wie Führen, Anbinden und Hufe geben schon als Fohlen, leben aber ansonsten unbehelligt mit ihren Kumpels auf der Weide", erzählt Denise Bader-Keyser. "Mit etwa drei Jahren werden sie an die Doppellonge gewöhnt und von meinem Mann eingefahren. Das dauert mit Koppelpause etwa sechs Monate. Erst danach reiten wir sie."
Weil Keysers zu zweit nicht täglich 60 Pferde trainieren können, haben die Tiere viel Freizeit, die sie auf mehr als sieben Hektar Weideland verbringen. Jungpferde, Zuchtstuten und Reitpferde mit Trainingspause leben Tag und Nacht draußen, Unterstand und Raufutterraufe inklusive. Die anderen bewohnen Boxen in zwei Stallkomplexen und gehen täglich auf Weiden oder Paddocks.
Die letztjährigen Fohlen drängen sich freundlich um den ungewohnten Besuch. Nach der Begrüßung ermuntert Russell Keyser die neugierigen Tennessee Walker Absetzer zu mehr Tempo. Die Youngsters sausen fröhlich herum. Keyser grinst triumphierend. Es ist offensichtlich: Wirde es schneller, gleiten die Jungpferde gleiten bereits jetzt mühelos im Walk. Der Gang ist ihnen angeboren und muss später nicht vom Reiter erzwungen werden.
Genetisch fixiert wurde er von amerikanischen Südstaaten-Farmern im 19. Jahrhundert. Sie wollten möglichst bequem über ihre Plantagen reiten und züchteten dafür Pferde mit raumgreifenden Bewegungen, die zügig weite Strecken bewältigen konnten, ohne den Reiter durchzuschütteln.
Genau diese Eigenschaft brachte Mitte der 90er Jahre auch Gestütsgründer Josef Bader, den Vater von Denise, aufs Gangpferd. Der selbständige Finanzmakler war nach langer Reitpause durch seine Kinder wieder zu den Pferden gekommen, langweilte sich aber beim täglichen Trott in der Vereinsreithalle. Als er von der menschenbezogenen und sitzbequemen Rasse las, die gerade von Enthusiasten nach Europa gebracht wurde, ahnte er schon, dass diese Pferde ihn begeistern könnten.
















Tennessee Walker der Züchterfamilie Bader
Bader nahm Kontakt zu einem amerikanischen Trainer in der Pfalz auf, ritt erstmals einen Walker und war überzeugt. Bald bezogen die ersten Tennessee Walker ins Donauries. Mehrere mussten es sein, weil das Walkertempo sonst einsam macht: Beim Ausritt kann nur ein Walker mit einem Walker mithalten; Schritt ist zu langsam und Trab zu schnell. Daher reiste Josef Bader mit seiner Frau Ende der 90er Jahre in die USA, kaufte dort weitere Pferde und begann zu züchten. Tochter Denise, die ihren Vater schon als 9-Jährige vom Kauf eines bestimmten Junghengsts überzeugen konnte, war voll bei der Sache. Sie saugte alles über die Rasse und ihr Training auf, was es in Deutschland gab.
Im Jahr 2000 hatten Baders neun Pferde angesammelt – zu viele für das bisherige Familienheim. Also gründete Josef Bader im Donauries die Walkaway Farm. Weil Denise immer entschlossener war, das Gestüt später hauptberuflich zu führen, baute die Familie aus: Kilometerlange Koppelzäune wuchsen, noch mehr Pferde zogen auf den Hof. Das Hobby wandelte sich zu einem Vollzeitjob; professionelles Know-how wurde immer nötiger. Da das vor allem in den USA zu finden ist, flog Denise Bader-Keyser nach dem Realschulabschluss 2003 zum Praktikum nach Tennessee und landete im Trainingsstall
ihres heutigen Manns Russell W. Keyser.
Zwei Jahre später zog der mit 18 Pferden nach Deutschland. Der 42-jährige Amerikaner, dessen Vater schon Walking Horses trainierte und der seinem Sohn deshalb den zweiten Vornamen "Walker" verpasste, kennt die Szene in- und auswendig. Er hält nichts von übertrieben, mit Keilen unter den Vorderhufen erzwungenen Bewegungen, die auf Show-Videos im Internet kursieren. Seine Pferde starteten deshalb nicht bei den sogenannten "Big Lick"-Shows, sondern im Pleasure-Segment der "flat footed", also normal beschlagenen Pferde. Etliche Championatstitel beweisen, dass er sein Handwerk versteht. Wie Keyser hält es die Mehrheit der amerikanischen Tennessee-Walker-Freunde. "Es gibt in den USA etwa 450 000 Tennessee Walking Horses", sagt Russell Keyser. "Nur zwei bis drei Prozent davon werden für die Shows trainiert, die ein so schlechtes Licht auf die ganze Rasse werfen."
















Reitprobe auf einem Tennessee Walker
Mit Sunlight im Sonnenschein – Reitprobe auf einem Tennessee Walker
Mein Tennessee-Walker Versuchspferd heißt "Awesome Sunlight". Der neunjährige, etwa 1,55 Meter große Wallach wurde auf der Walkaway Farm geboren. Mit Besitzerin Veronika Kwasny startet er erfolgreich bei deutschen und europäischen Championaten.
Denise Bader-Keyser reitet Sunlight warm. Da ich weder gangpferde- noch westernerfahren bin, nimmt mich die Trainerin zunächst an die Longe und erklärt die Hilfen. Die sind wie bei jedem anderen Pferd: Bein und Stimme für mehr Tempo; Sitz, Stimme ("Whoa") und Zügel zum Bremsen.
Sunlight ist sensibel. Schon ein leichter Schenkeldruck und der Schritt wird zum raumgreifenden Walk. Ich merke – nichts. Kein spürbarer Übergang markiert die Grenze zwischen den Gängen, denn die Fußfolge bleibt gleich. Nur Raumgriff und Tempo ändern sich. Obwohl es flott vorwärts geht, sitze ich sehr bequem. Ich kann Sunlight mit Bosal und einer Hand präzise lenken und sein Tempo leicht regulieren. Vom normalen Schritt gleite ich in den "Flat Walk" (5 bis 6 km/h) und in den "Running Walk" (10 bis 15 km/h). Sunlight nickt dabei rassetypisch mit dem Kopf auf und ab, was ich am Zügel jedoch kaum spüre. Als ich nach ein paar Minuten auch den weichen Galopp im Griff habe, beginne ich, mich in der Halle zu langweilen. Das war zu leicht!
Doch auf der anliegenden Wiese verstehe ich, warum Geländereiter den Gangpferden verfallen. In der Frühlingssonne gleite ich mit Sunlight über das Gras und bin glücklich. So macht Nichts-Tun Spaß.
Zuletzt wechselt Bader-Keyser Sunlights Zaum vom Bosal zur Wassertrense. Der Wallach gibt bei Zügelkontakt weich nach. Mit einer leichten Anlehnung fühlt sich sein Walk noch runder und geschlossener an – und für mich als Dressurreiterin noch angenehmer. Sunlight hat mich überzeugt, Walker machen Laune. Und man kann sie gymnastizieren und fördern – wie wäre es beispielsweise mit Seitengängen im Walk?

Kontakt
Machen Sie sich ein eigenes Bild vom Tennessee Walking Horse, zum Beispiel bei den Deutschen Meisterschaften vom 13. bis 16. Mai oder beim Infotag am 30. Mai.
Josef‘s Walkaway Farm,
Am Neuhau 17,
86650 Wemding,
Tel: (09092) 967011,
E-Mail: 66info@twhb.de,
www.twhb.de














