Wie geht’s? Interessant, dass man seinem Gegenüber genau diese Frage stellt, wenn man sich über dessen Wohlbefinden erkundigen möchte. Tatsächlich stecken im Gang zahlreiche spannende Infos – vor allem bei Pferden. Denn ihre Bewegungen spiegeln, ob die Vierbeiner entspannt und gesund unterwegs sind, oder sich derart anspannen, dass Verschleiß droht.
Leider kann das menschliche Auge die komplexen Bewegungen des Pferds nicht vollständig wahrnehmen. Wie kniffelig beispielsweise die Lahmheitsdiagnostik ist, davon kann jeder Tierarzt ein Lied singen. Also brauchen wir technische Unterstützung. Seit Kurzem gibt es in Deutschland das Messsystem "Gaitsmart Pegasus". Es erstellt über Sensoren ein genaues Bewegungsmuster des Pferds. "So ist eine objektive Ganganalyse möglich", sagt Pferdewissenschaftlerin Barbara Dieckmann aus Osnabrück. Sie ist die erste Pferdeexpertin, die hierzulande Messungen mit dem Gaitsmart anbietet.
Gemeinsam mit Barbara Dieckmann, Pferdewissenschaftlerin Dr. Vivian Gabor und Pferdeosteopath Ralf Döringshoff testete CAVALLO das System. Wir wollten wissen: In welcher Kopf-Hals-Position fühlen sich Pferde am wohlsten? Und welche Erkenntnisse können wir daraus fürs Training erhalten?
Erkenntnisse fürs Pferdetraining

Kliniken, Forscher, Reiter und Trainer nutzen das Gaitsmart-System weltweit – als Trainingsinstrument, aber auch zur Prävention und Früherkennung von Lahmheiten und zur Kontrolle von Behandlungen sowie Rehamaßnahmen nach einer Lahmheit.
Auch Barbara Dieckmann stößt mit ihren Messungen immer wieder auf neue, wichtige Erkenntisse. Etwa dazu, wie positiv sich eine gute Ausbildung auf den Gang von Pferden auswirkt. Zu diesem Ergebnis kam die Pferdewissenschaftlerin bei einer Studie mit 61 Islandpferden im Alter zwischen 3 und 29 Jahren. Die Tiere hatten verschiedene Ausbildungslevel. Das Resultat: Je weiter das Pferd ausgebildet ist, desto symmetrischer ist das Gangbild. "Gutes Training trägt also dazu bei, dass Pferde den Reiter auf eine gesunderhaltende Art tragen", sagt Barbara Dieckmann.
Unregelmäßigkeiten im Gang hingegen sind laut einer britischen Studie häufig eine Ursache dafür, dass der Sattel nicht richtig sitzt. Auch das führt zu Fehlbelastungen. Ein symmetrischer Gang ist hingegen ein Zeichen für Wohlbefinden. Die zentrale Schaltstelle hierfür ist die Kopf-Hals-Position: Je losgelassener diese ist, desto lockerer ist das ganze Pferd. Und genau das wollten wir nachmessen.
So funktioniert die objektive Ganganalyse
Das Pferd läuft in Schritt, Trab, Galopp, Tölt oder Pass 30 bis 40 Meter auf gerader Strecke. Dabei trägt es sechs spezielle Gamaschen, in denen insgesamt sechs Sensoren sitzen. Diese erfassen 104 Bewegungsdaten pro Sekunde und übertragen diese Infos auf einen Laptop.
Dabei misst das System unter anderem Schrittdauer, Schrittlänge, Anzahl der Schritte, Bewegungsweite und die Geschwindigkeit. Zudem erkennen die Sensoren Abweichungen vom natürlichen Bewegungsablauf. Das macht die Analyse besonders spannend, denn: "Jede Abweichung birgt das Risiko einer Fehlbelastung und kann zu Lahmheiten führen", erklärt Barbara Dieckmann. Sie ist für die Anwendung von Gaitsmart und die Auswertung der Daten extra ausgebildet. Organisieren Reiter einen Sammeltermin, kommt sie deutschlandweit direkt in den heimischen Stall. Die Kosten pro Analyse betragen 85 Euro.
Bei den Messungen mit CAVALLO maßen die Experten die Bewegungen von Wallach Pablo mit verschiedenen Hilfszügeln, die seine Kopf-Hals-Haltung beeinflussten. Damit wurde der Wallach auf gerader Strecke 30 Meter im Schritt geführt und zwar:
1. Ohne jegliche Hilfszügel: Das Pferd konnte seine Haltung selber wählen.
2. Mit eng verschnallten Ausbindern. Der Kopf war dabei kurz vor der Senkrechten.
3. Mit länger geschnallten Dreieckszügeln, sodass Stirn und Nase leicht vor der Senkrechten blieben.
4. Mit einem elastischen Halsverlängerer, der auf Druck des Pferds am ehesten nachgibt, aber stärker auf Genick und Gebiss wirkt.
So wirkten sich die Hilfszügel auf den Gang aus
Am symmetrischsten und lockersten bewegte sich Pablo ohne jegliche Hilfszügel. Die Abweichung betrug 4,47 Prozent. "Das ist ein sehr geringer Wert", erklärt Barbara Dieckmann. Erst ab zehn Prozent gelten die Abweichungen als auffällig. Bei Werten von 20 Prozent und mehr rät die Expertin, einen Tierarzt zur Lahmheitsdiagnostik zu rufen.
Am schlechtesten wirken sich kurz verschnallte Ausbinder aufs Gangbild aus. Hier betrug die Abweichung zehn Prozent. Pablo zeigte zudem deutlich weniger Raumgriff und lief abgehackt. "Eine enge Halshaltung störte erheblich den natürlichen Bewegungsablauf", so die Mess-Expertin. Am wenigsten massiv wirkten die Dreieckszügel auf Takt und Rhythmus. Hier betrug der Wert rund fünf Prozent. Das Ergebnis beweist:
Je losgelassener die Kopf-Hals-Position, desto lockerer das Pferd. Für uns wieder ein Beweis: Reiter sollten Pferde in ihrer natürlichen Wohlfühlhaltung unterstützen. Mit starren Hilfsmitteln wie Ausbinder und Co. erreichen sie das Gegenteil. Ziel ist es, das Pferd möglichst ohne Zügeleinfluss in einen entspannten Bewegungsfluss zu bringen. Das klappt mit cleverer Gymnastizierung und Konditionierung. Wie? Das verraten unsere Experten in unserer Topliste.