„Richtig reiten reicht.“ Dieses Zitat von Altmeister Paul Stecken gilt auch für die Hufrolle. Zumindest sagt das der belgische Dressur-Trainer Antoine de Bodt. Er bringt Hufrolle-Patienten nur durch Training wieder auf die Beine. Was zu schön klingt, um wahr zu sein, basiert auf über 40 Jahren Praxiserfahrung. Der 1949 geborene Ausbilder registrierte in seinem Umfeld immer mehr Probleme an dem sensiblen Komplex aus Strahlbein, tiefer Beugesehne und Schleimbeutel. Doch seine Pferde blieben fit.
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Pferde werden krank geritten

Ist ein Pferd nicht korrekt gerade gerichtet, platziert es den Reiter schief. Auf die Dauer wird eine Seite überlastet, wo dann Hufrollenprobleme auftreten.
Kaputte Knochen kann Antoine de Bodt natürlich nicht heilen. Doch das muss er auch nicht. „Den klassischen Röntgenbefund am Strahlbein erlebe ich immer seltener“, sagt Tierarzt Dr. Christian Bingold von der Pferdeklinik Großostheim in Nordbayern. Häufiger sind überlastete Sehnen, Bänder oder Schleimbeutel. Ursachen sind laut Bingold vor allem veranlagungsbedingte, nicht korrekt korrigierte Fehlstellungen und -belastungen der Hufe oder zu lange Beschlagsintervalle.
Die Möglichkeit, Hufrollenpatienten gesund zu reiten, sieht er skeptisch. Nur die chronische Überlastung des fürs Geradeaus-laufen konzipierten Hufrollenkomplexes lasse sich durch den Verzicht auf enge Wendungen und Seitengänge reduzieren.
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Erfolgsgarantie für Hufrolle-Patienten?

Lahmt ein Pferd nach zwei Wochen Reha immer noch, muss sein Besitzer nichts bezahlen. Bisher kam das allerdings nicht vor. Dafür gehen viele ehemalige Patienten inzwischen wieder erfolgreich im Sport.
Der Kern von de Bodts Methode ist die Geraderichtung. Dafür muss klar sein, zu welcher Seite das Pferd schief ist. „Das verrät die Position des Reiters auf dem Pferderücken“, erklärt de Bodt. „Ein nach links schiefes Pferd setzt seinen Reiter auf die rechte Rückenseite. Beim nach rechts schiefen Pferd ist es umgekehrt.“ Wer einen Reiter auf einer Geraden von hinten beobachtet, erkennt die Schiefe leicht. Ist sie enttarnt, folgt die Korrektur: „Wir verhindern durch gezieltes Stellen und Konterstellen, dass das Pferd den Reiter auf eine Rückenseite verlagert. Sitzt der Reiter mittig, kann das Pferd den Rücken loslassen und seine Beine gleichmäßig belasten.“
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Korrektur der natürlichen Schiefe

So wird sein Rücken gerade, und der Reiter kann mittig sitzen. Rasche Stellungswechsel bringen ein krankes Pferd aus der Spur, wenn es auf die falsche Schulter fällt. Das hilft, die alten, schädlichen Bewegungsmuster zu überwinden.
Die Pferde nehmen die neuen Bewegungen schnell an. De Bodt: „Oft verbessert sich der Gang nach wenigen Minuten. Spätestens nach einer Woche gehen alle Pferde wieder taktrein.“
So leicht wie fürs Pferd ist es für den Reiter nicht. „Vor allem routinierte Dressurreiter haben oft Mühe, alte Muster abzulegen“, gibt de Bodt zu. Dennoch kann jeder Reiter das System lernen. Er muss sogar, denn das Pferd darf nach der Kur nicht mehr so geritten werden wie vor der Erkrankung.
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Neben der Lahmheit verschwindet der Kampf

„An den letzten Tagen des zweiwöchigen Reha-Aufenthalts ihrer Pferde im Trainingszentrum bekommen die Besitzer täglich zwei Reitstunden“, schildert de Bodts Partnerin Jidske Rhijnsburger den Ablauf.
Die Reiter lernen zu fühlen, ob ihr Pferd gerade ist oder sie zu einer Seite setzt, und wie sie dann reagieren müssen. „Wir empfehlen, danach etwa einmal im Monat für eine Trainingsstunde zu uns zu kommen“, sagt Antoine de Bodt. Vor allem für ambitionierte Sportreiter ist das wichtig, damit sie die neue Geraderichtung und Losgelassenheit auch im weiteren Ausbildungsverlauf erhalten können. Andere Besitzer von Patienten kamen nie wieder zu de Bodt, ihre Pferde blieben trotzdem dauerhaft gesund.
Auf dauerhafte Genesung hofft auch Ellen H. für ihren früher schwierigen und unkooperativen Warmblut-Wallach Chili (siehe Foto auf Seite 59). Nach längerer Lahmheit diagnostizierte ein Tierarzt Hufrollensyndrom und Knochenchips. Die Prognose war düster.
Bei Antoine de Bodt verschwand Chilis Lahmheit innerhalb weniger Minuten. Zudem arbeitet der Wallach ohne Schmerzen in Rücken und Beinen locker und willig mit. Die unfallträchtigen Kämpfe beim Reiten sind Vergangenheit. Chili beweist, was schon Paul Stecken wusste: Richtig reiten reicht.
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„Zu flach ist ungesund“

Je flacher der Huf, desto mehr spannt die tiefe Beugesehne über dem Strahlbein und drückt auf den Hufrollenkomplex (Strahlbein, Sehne und Schleimbeutel). Das kann ihn reizen und langfristig schädigen. Zu steile Hufe dürfen deshalb nur sehr vorsichtig flacher gestellt werden. Auch Trachtenzwang belastet den Hufrollenkomplex, stört die Hufmechanik und die Durchblutung. Unsymmetrische, ungleich belastete Hufe können zudem die gesamte Knochensäule inklusive Hufgelenk und Hufrollenkomplex schädigen.
Wurde bei einem Pferd „Hufrolle“ diagnostiziert, kann es barhuf langsam korrigiert werden. Schonende Beraspelung in kurzen Abständen (maximal vier Wochen) bringt den Huf langsam in seine physiologische, das heißt: symmetrische und zum Fesselstand ausgerichtete Form. Massive Stellungsänderungen würden die bereits überlastete Region weiter schädigen.
Durch korrekte Hufbearbeitung klingen Weichteil- und Sehnenreizungen ab. Strahlbein-Veränderungen können verlangsamt oder sogar aufgehalten werden. 80 Prozent der Hufrollen-Patienten in meiner Kundschaft gehen wieder lahmfrei. Nur wenn das Strahlbein stark beschädigt ist, kann auch der bestmöglich ausgerichtete Huf keine Besserung bringen, da der kaputte Knochen die Sehne bei jeder Bewegung weiter reizt.
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