Den Hals fallen lassen: Das sagt die Verhaltensexpertin
Spannend ist, dass die Kopf-Hals-Position des Pferds bestimmt, ob das Tier Stress oder Entspannung empfindet. Trägt es seinen Kopf hoch und ist die Muskulatur dabei angespannt, schüttet sein Körper Adrenalin aus: Das Pferd befindet sich in einer Alarmsituation und ist fluchtbereit. Ein gesenkter Kopf mit entspanntem Muskeltonus hingegen kurbelt die Serotonin-Produktion an – das Glückshormon sorgt für Wohlbefinden. Als Reiter kann ich diesen Effekt sinnvoll nutzen, um dem Pferd ein gutes Gefühl zu geben, etwa indem ich ein Signal etabliere, auf das hin es den Kopf senkt. So kann ich das Kopfsenken als Belohnung während einer Trainingspause einbauen; oder aber ich nutze es gezielt, um ein Pferd aus Stress herauszuholen. Unsicheren Pferden fällt das Fallenlassen des Halses allerdings anfangs schwer. Sie möchten lieber den Überblick behalten. Deshalb übe ich das Kopfsenken schrittweise, zunächst am Boden und im Stehen. Ich setze einen Reiz, indem ich das Pferd an der Schulter antippe und zupfe gleichzeitig leicht am Strick nach unten. Reagiert es, setze ich den Reiz aus und lobe. Später reicht ein kurzes Antippen mit der Fingerkuppe, um das Kopfsenken auszulösen. Wichtig ist, darauf zu achten, dass die Entspannung echt ist. Das verraten einem Augen, Ohren, Maul und Nüstern des Pferds. Das Dehnen in der Bewegung, etwa beim Reiten, führt ebenfalls zu einer gewissen Entspannung. Korrektes Training funktioniert aus einem Wechsel aus positiver Spannung und Entspannung. Das ist nicht nur wichtig für die Muskulatur, sondern auch für den Kopf.

Dr. Vivian Gabor ist Pferdetrainerin und promovierte Pferdewissenschaftlerin. Ihr Forschungsschwerpunkt: Pferdeverhalten.
Das sagt die Trainerin zum Dehnen nach unten
Die Dehnungshaltung ist für mich im Training ein wichtiger Bestandteil. Das Dehnen kann eine Belohnung sein, manche Pferde brauchen aber Zeit, um spüren zu lernen, dass die tiefe Halshaltung angenehm für sie ist. Ich vermittele das Dehnen stufenweise, zunächst im Stehen, mit einem konditionierten Kopfsenken auf ein Signal hin. Dafür ziehe ich sanft, aber stetig am Strick nach unten. Wenn das Pferd sich dann entspannt, reicht mir das erstmal völlig. Die zweite Stufe bezeichne ich als passive Dehnung: Ich beginne, auch in der Bewegung, an der Longe oder im Sattel, die Dehnung nach unten zu erfragen. Auch hier gebe ich ein Signal. Bei der Légèreté etwa führen wir die Hände etwas höher und breiter, um dem Pferd zu zeigen, dass es sich strecken und den Hals fallen lassen darf. Ich nutze auch gerne ein leichtes Anheben des inneren Zügels auf der Volte oder dem Zirkel, um das Pferd in die Tiefe zu locken. Ziel ist, dass es diese Haltung selbst einnimmt und beibehält. Im dritten Schritt, der aktiven Dehnung, hat das Pferd bereits eine gesunde Selbsthaltung entwickelt, in der es physisch und psychisch in Balance ist. Selbstverständlich ist eine sehr tiefe Halshaltung keine, in der wir dauerhaft unterwegs sind, aber in die wir das Pferd zur Entspannung immer wieder entlassen können. Ich halte das Dehnen für sehr wichtig, vor allem in Pausen. Das Pferd kann sich fallenlassen, seine Gedanken sortieren und so Gelerntes besser abspeichern, um wieder bereit für Neues zu sein.

Klaudia Duif ist 3-Sterne-Parelli-Instruktorin und lehrt neben Natural Horsemanship die klassische Dressur.
Das sagt die Physiotherapeutin zur korrekten Dehnungshaltung
Die korrekte Dehnungshaltung ist nicht nur eine Belohnung, sondern unverzichtbar, wenn das Pferd gesunderhaltend ausgebildet werden soll. Damit das Pferd nicht auf der Vorhand läuft, muss es seinen Brustkorb mittels der Rumpftragemuskulatur nach oben stabilisieren. Pferde, deren Rumpfträger noch schwach sind, sollten noch wenig in Aufrichtung geritten werden, sondern zunächst mit langem tiefem Hals. Nur in der Dehnungshaltung können alle Muskeln tragen helfen und das System stabil halten. Ein Pferd, das noch wenig ausdauernde Rumpfträger hat, kann in dieser Position leicht in einen angenehm federnden Bewegungsablauf finden. Diese physische Losgelassenheit führt auch zur mentalen Losgelassenheit. Hat das Pferd nach wenigen Trainingseinheiten zumindest am Boden noch nicht verstanden, wie es in diesen angenehm federnden Bewegungsablauf findet, würde ich dazu raten, das Pferd von einem auf diese Problematik spezialisierten Manualtherapeuten durchchecken und koordinieren zu lassen.

Dr. Daniela Danckert ist Tierärztin, Pferdephysiotherapeutin und -osteopathin.