Warum sind Dehnübungen wichtig? Viele Patienten der Physiotherapeutin Katrin Obst leiden unter Schmerzen aufgrund von verkürzten Muskeln. „Pilates wirkt dagegen und dehnt die Muskeln“, sagt die Fitness-Expertin. Sie rät, circa zweimal wöchentlich nach dem normalen Training Pilates als Dehnprogramm zu absolvieren. „Vor allem steife Pferde profitieren sehr davon.“
Katrin Obst zeigt einige Übungen zum Dehnen.
Plié wölbt den Rücken auf
So geht's: Plié ist ein Grundschritt aus dem Ballett, eine Art Kniebeuge. Bei der Pferde-Variante soll das Pferd seinen Kopf zwischen die Vorderbeine stecken; dafür halten Sie in jeder Hand eine Möhre. „Lange Möhren sind sicherer für Ihre Finger als Leckerlis“, rät Katrin Obst. Sollte Ihr Pferd beim Füttern zu aufdringlich werden, brechen Sie die Übung ab.
Stellen Sie sich zum Start links neben die Schulter des Pferds. Zeigen Sie dem Pferd mit der linken Hand die Möhre. Berühren Sie dafür mit dem Futter die Lippen des Tiers.

Bewegen Sie die Hand nun nach unten Richtung Pferdebrust. Das Pferd soll mit dem Kopf folgen. Steckt der Kopf zwischen den Beinen, ist das der beste Zeitpunkt für einen flotten Handwechsel:

Ihre rechte Hand übernimmt die Möhre. Optimal für die Rückenwölbung ist es, wenn Sie die Möhre langsam bis knapp übers Karpalgelenk führen. Ist der Kopf des Pferds dort angekommen, loben Sie es und verfüttern die Karotte.

Mögliche Fehler: Ihr Pferd knickt mit den Vorderbeinen ein? In dem Fall haben Sie die Möhre zu tief gehalten. Das Pferd soll mit allen Hufen zu jeder Zeit fest auf dem Boden stehen. „Sonst kann das Pferd stürzen und sich verletzen.“
Physio-Effekte
Der runde Rücken schafft Platz zwischen den Wirbeln: „Dadurch wird die gesamte Wirbelsäule beweglicher“, sagt Katrin Obst. Wie das funktioniert? Stellen Sie sich vor, die Wirbelsäule des Pferds sei eine Perlenkette. Jede Perle stellt einen Wirbel dar. Wölbt das Pferd den Rücken, rutschen die Perlen ein wenig auseinander – so erhält jede Perle mehr Platz und Bewegungsspielraum. Das Gleiche passiert mit der Wirbelsäule: Sie wird mobiler.
Plié wirkt wie Medizin bei Hohlkreuz. Die Übung hält die Muskeln und Bänder um die Wirbelsäule geschmeidig und stärkt das „Powerhaus“, also die Körpermitte. Ein starker Bauch ist wichtig als Gegenspieler zum Rücken. Für diese Effekte rät Katrin Obst, das Plié zwei bis drei Mal in der Woche zu absolvieren. „Am besten nach dem Training, wenn das Pferd gut aufgewärmt ist.“
Sie möchten die Wirkung auch spüren? Gehen Sie auf alle Viere und machen beim Ausatmen einen Katzenbuckel. Beim Einatmen wieder gerade werden. Mehrfache Wiederholungen mobilisieren den Rücken.
Den Hals seitlich dehnen
So geht's: Ihr Pferd soll sich zur Seite biegen, um an die Karotte zu kommen. Berühren Sie zunächst mit dem Futter die Lippen des Pferds und führen Sie die Karotte Stück für Stück weiter nach hinten bis zum Pferdeknie. Ihre Bewegung ist gleichmäßig und nicht ruckartig. Ist das Pferd mit seiner Nase auf Kniehöhe, die Dehnung für 10 bis 15 Sekunden halten. Belohnen!

Schokoladenseiten-Check: Auf einer Seite ist das Pferd beweglicher? „Das ist normal und liegt an der natürlichen Schiefe“, beruhigt Katrin Obst. Wichtig ist, dass Sie trotzdem beide Körperseiten gleichmäßig trainieren. „Nach 14 Tagen ist die Händigkeit oft schon weniger spürbar.“

Physio-Effekte:
Knackt es? Dann hat die Gymnastik eine Blockade gelöst.Die Übung dehnt Hals, Schulter und den gesamten Rücken. „Sie löst oft kleine Bewegungseinschränkungen im Übergang zwischen Hals und Schulter“, weiß die Physiotherapeutin. Das neue Bewegungsgefühl verarbeiten viele Tiere, indem sie schlecken, kauen oder gähnen.
Bergziege vor der Stange
So geht's: In der Endposition steht das Pferd möglichst nah mit den Hinter- an den Vorderbeinen. Eine Stange dient als optische Begrenzung nach vorne. Locken Sie das Pferd mit einer Möhre nach vorne-unten.

Es soll den Hals in die Tiefe strecken. „Macht es einen Schritt mit den Hinterbeinen nach vorne, loben Sie“, rät Katrin Obst. Dann lassen Sie die Hinterbeine Schritt für Schritt weiter vortreten. Klappt das nicht allein mit Möhren-Locken, touchieren Sie ein Hinterbein leicht mit einer langen Gerte, bis das Pferd es hebt. Setzt das Pferd es nach vorne ab – loben. Das Ganze wiederholen Sie mit dem anderen Bein des Pferds.
Physio-Effekte
Die Bergziege fördert Raumgriff,„Sie ist super für Pferde mit verkürzten Bewegungen, die mehr untertreten sollen“, sagt die Fitness-Trainerin. Die Übung dehnt beim Pferd die hintere Sitzbeinmuskulatur und den Rücken. Das Pferd erhält mit jedem Stretching einen etwas größeren Bewegungsspielraum. Dadurch kann es mit aktiver Hinterhand weiter in Richtung Schwerpunkt schwingen.
Die Übung kostet Kraft. Das Pferd braucht dafür hohe Körperspannung und trainiert seine Tiefenmuskulatur. Zwei Wiederholungen genügen. „Seien Sie geduldig. Bis die Bergziege richtig klappt, dauert es oft 14 Tage und länger“, so die Expertin.
Mit langem Hals das Genick strecken
So geht's: Das Pferd soll den Hals lang nach vorne strecken. Wichtig: Stirn, Ohransätze und oberer Hals sollen dabei eine gerade Linie bilden.

Als Trainingshilfe nutzen Sie wieder eine Möhre. Halten Sie den Leckerbissen an die Lippen des Pferds. Zeigt Ihr Vierbeiner Interesse, ziehen Sie die Möhre langsam zurück, sodass Ihr Pferd den Kopf nach vorne streckt. Das Pferd soll dabei stehen bleiben. Legen Sie bei gierigen Kandidaten Ihre andere Hand auf die Brust als Begrenzung. Reicht das nicht, können Sie Ihren Vierbeiner auch hinter eine Absperrung stellen – etwa in eine Box, deren Tür nur mit einem Strick zugehängt ist. Dehnung 10 bis 15 Sekunden halten, dann die Möhre füttern.
Wenn sich das Pferd im Genick verdreht: „Hält das Pferd den Kopf schief, erkennen Sie das gut an den Ohren: Diese stehen dann nicht mehr auf gleicher Höhe“, erklärt Katrin Obst. Korrigieren Sie also Ihre Handhaltung mit der Möhre, bis der Pferdekopf gerade ist.
Physio-Effekte
Die Ganaschenfreiheit wird besser:Die Pilates-Übung mobilisiert das Genick und streckt die Halswirbelsäule. Das schafft Platz zwischen Kopf und Hals, was wichtig für die Anlehnung beim Reiten ist. „Die Übung ist eine Wohltat für Pferde, die lange Zeit zu eng geritten wurden“, meint die Reha-Expertin. Zudem profitieren Rassen, die von Natur aus eher kurze Hälse und enge Ganaschen besitzen: etwa Fjordpferde, Haflinger und Tinker.
Für Möhren macht sich Marvin lang

Partbred-Shetty Marvin ist nur 1,06 Meter groß: Aber wenn Rebecca Grünwald ihn mit Möhren zum Pilates motiviert – dann wächst der Knirps über sich hinaus und reckt und streckt sich. Dabei ist der Wallach sonst eher ein gemütlicher Typ. „Möhren sind aber Marvins Lieblings-Speise und ein Motivations-Kick“, sagt seine Besitzerin. So macht Sport Spaß!