Geländereiten: Der beste Boden für den Ausritt
Schotter und Steine sind gefährlich

Ausreiten könnte so schön sein – ohne fiese Stolpersteine auf den Wegen. Wie sehr schaden Schotter und harter Boden den Pferdebeinen? CAVALLO machte den Test.

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Foto: Lisa Rädlein

Raswan stockt, dann knicken dem Hengst die Beine weg. Sein Kopf knallt auf den Boden. Pferd und Reiter schlittern einige Meter über den steinigen Weg. Michèle Götz, die eben noch im lockeren Trab ihren 22-jährigen Araber für einen Distanzritt trainierte, findet sich auf einem Schotterweg im Hochtaunus wieder. „Raswan muss gestolpert sein“, vermutet Michèle Götz. Heute, zwei Jahre später, sind die Verletzungen des Hengstes zwar verheilt, das Risiko im Gelände jedoch bleibt.

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Und das ist nicht nur im Hochtaunus so. Überall treffen Reiter auf geschotterte Reitwege mit mehr oder weniger großen Steinen. Schotter und Split bringen zwar die schweren Maschinen der Forstarbeiter weiter, doch Pferde geraten ins Holpern und Stolpern. Oft werden Waldwege sogar jedes Jahr für die Holzwirtschaft neu befestigt – keine Chance für Reiter, dass sich der Schotter im Lauf der Zeit unter den Hufen zerkleinert und sich damit der Weg für Ausritte verbessert.

Das Forstamt entscheidet über Böden

Verantwortlich für solche Stolperstrecken ist laut Dr. Horst Gossenauer-Marohn vom Hessen Forst das jeweilige kommunale Forstamt. Ob Granitschotter oder weicheres Material verwendet wird, hängt davon ab, wie viel Befestigung der Weg braucht und wie viel Material vor Ort vorrätig ist. Bei der Entscheidung geht es auch um rein wirtschaftliche Erwägungen. Welches Material ist das billigste und erfüllt am ehesten den Zweck, dass die Forstmaschinen durchkommen? Auf die Bedürfnisse von Reitern oder Fußgängern kann das Forstamt laut Gossenauer-Marohn dabei keine Rücksicht nehmen.

Dennoch sei es möglich, zu verhandeln. „Man kann durchaus beim örtlichen Forstamt anrufen und fragen, wo demnächst wieder Wege geschottert werden“, rät Horst Gossenauer-Marohn. Wenn es der Lieblingsreitweg aller Anlieger sei, könne man dem Forstamt zum Beispiel Alternativwege vorschlagen. „Rechtlich gesehen ist es so, dass das zuständige Forstamt entscheiden darf. Bürger können kein Recht auf einen unbeschotterten Weg einklagen. Es gibt nur die Option, mit dem Amt zu diskutieren.“

Wie Michèle Götz müssen daher auch viele andere Reiter ihre Reitstrecken genau auswählen. Auf grobem Schotter wird der entspannte Ausritt sonst schnell zum schmerzhaften Eiertanz fürs Pferd. Kati Jurth, Hufpflegerin aus Steinen-Höllstein nahe Lörrach an der Schweizer Grenze, hat ebenfalls mit geschotterten Reitwegen zu kämpfen. Teils liegen auf den Wegen sogar große, scharfkantige Steine. „Selbst die Pferde in meiner Kundschaft mit den besten Hufen haben Mühe mit solchen Verhältnissen.“ Die Hufe können ausbrechen, die scharfen Kanten der Steine ins Horn schneiden, und die Pferde gehen fühlig. „Selbst mit Hufeisen können sie Probleme haben, weil das Eisen ja nur den Tragrand schützt“, sagt Kati Jurth.

Auf Schotterwegen kann außerdem die Hornwand so weit brechen, dass es blutet. „Großer Schotter ist definitiv nur für schwere Forstmaschinen gut, nicht aber für Pferde. Darauf würde ich nicht reiten“, sagt Hubertus Rückel, Hufschmied aus Thüringen.

Reitwege: Ist feiner Split ungesund?

Doch Vorsicht: Riskant für die Hufe sind nicht nur dicke Brocken. Split ist ebenfalls schädlich - je feiner, desto übler. Spitze und scharfkantige Steine bohren sich in die weiße Linie und können hochwandern. „Das kann zu Abszessen und schmerzhaften Druckstellen führen“, sagt Kati Jurth. „Aus Steinen in der weißen Linie können außerdem Hornspalten entstehen. Vor allem bei schweren Pferden, weil bei ihnen die Belastung natürlich größer ist.“

Sind die Steine auf den Reitwegen eher rundlich, ist das nicht so dramatisch fürs Horn. Hubertus Rückel sitzt trotzdem lieber ab und führt sein Pferd. Denn nicht nur die Hufe leiden unter steinhartem Boden. „Traben und galoppieren würde ich auf solchen Wegen in keinem Fall“, betont der Hufschmied. „Einmal wegen der Gelenke und einmal, weil die Pferde kaum Zeit haben zu fühlen. Der Tastsinn kommt im Trab und Galopp viel zu kurz.“ Beschlagene Pferde fühlen sogar noch weniger. Zudem nutzt sich der Beschlag recht schnell ab. Ein Eisenbeschlag wird im Gegensatz zum Kunststoffbeschlag auch wesentlich schneller locker. „Ich bin nur drei Stunden auf Wegen mit feinem Split geritten, und schon war das Eisen lose. Der Kunststoffbeschlag dagegen hielt sechs Tage“, sagt Rückel.

Ist harter Boden generell ungesund für Pferde? Schließlich sind nicht nur geschotterte Pisten steinhart; auch Grünstreifen verwandeln sich im Sommer durchaus zu Beton. Hart heißt nicht pauschal schlecht.

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Lisa Rädlein
Hufschuhe schützen das Horn auf geschotterten Pisten. Vor allem, wenn die Pferde auf Wanderritten mehrere Tage unterwegs sind.

Harter Boden für schwache Sehnen

Sehnen tut harter, ebener Boden als Belastungsreiz sogar gut. Sportpferde werden daher teils auf Asphalt trainiert, um die Fasern zu stählen (siehe auch den Bericht über neue Therapien für kranke Sehnen in CAVALLO 5/2009). Das hat natürlich nichts damit zu tun, im Stechtrab oder gar im Galopp mit einem auseinandergefallenen Pferd über harte Pisten zu brettern.

Das ist Gift - besonders für die Gelenke. „Vor allem die Erschütterungen sind schädlich“, sagt Tierarzt Dr. Stephen Eversfeld von der Tierklinik Wiesbaden. Die Folgen reichen von unschönen Gallen bis zur schmerzhaften Arthrose. Bei zu tiefen Böden drohen dagegen Beugesehnen- und Fesselträgerprobleme. „Es gibt zwei Komponenten, die Sehnen und Gelenken schaden: der Boden und die Geschwindigkeit“, sagt Eversfeld und empfiehlt, auf feinen Schotterwegen nur im Schritt oder Trab zu reiten. „Die Pferde können sonst ausrutschen, und die Belastung der Gelenke ist im Galopp zu groß.“

Harter Boden ist auch wichtig für gesunde Hufe. „Meine Stute stand lange Zeit nur auf weichem Untergrund. Das ist nicht gut, da sich das Hufhorn an die Bodenverhältnisse anpasst“, sagt Hufpflegerin Kati Jurth. „Sie hat heute selbst nach fünf Jahren noch Probleme.“ Deshalb sollten Pferde schon vom Fohlenalter an auf verschiedenen Böden laufen.

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Rädlein
Herausforderungen im Gelände fördern Pferde - aber auch dafür müssen sie sorgfältig vorbereitet werden.

Verschiedene Böden fördern Geschick

Auch Hufschmied Hubertus Rückel plädiert für möglichst unterschiedlichen Untergrund: Während seiner Ausbildung war er auf einem Betrieb, auf dem es genau aus diesem Grund ein Paddock mit kleinen, runden Kieselsteinen gab, über welches die Fohlen zur Weide gingen.

„Wichtig ist ein Reiz für die Sohle, der das Wachstum anregt, ähnlich wie bei einer Massage. Das fördert die Bildung von hartem Hufhorn“, sagt Rückel. Auf den richtigen Wegen ist ein Ritt durchs Gelände selbst ohne Eisen kein Problem – vorausgesetzt, die Pferde sind harten Boden gewohnt. Kati Jurth empfiehlt Barhuf-Pferden fürs Gelände Hufschuhe. „Das ist ein sehr guter Sohlenschutz“, sagt die Hufpflegerin. „Meine Kunden reiten damit fast jeden Weg ohne Probleme.“

Auch Dr. Stephen Eversfeld macht Reitern Hoffnung. „Sie können Ihr Pferd für hartes Geläuf trainieren“, sagt er. „Das muss allerdings schonend passieren.“ Bei jüngeren Pferden gehe das zudem besser, wenn sie von Anfang an im Schritt auf hartem Boden geführt oder geritten würden. „Bei einem Sieben- bis Achtjährigen dauert es länger, bis er sich daran gewöhnt hat“, sagt Dr. Stephen Eversfeld. „Das ist ein langer Prozess.“

Wichtig fürs Training im Gelände: Reiten Sie Ihr Pferd gut von hinten an die Hand heran, damit es nicht auf der Vorhand latscht. Steigern Sie die Zeit, in der Sie auf hartem Boden unterwegs sind, langsam und kontinuierlich über mehrere Monate. Trabreprisen sollten anfangs nur ein paar Minuten dauern. Wer sein Pferd gesund durchs Gelände reiten möchte, kommt außerdem um Gymnastik nicht herum. Nur gut trainierte und gymnastizierte Pferde können ihren Reiter optimal über Stock und Stein tragen.

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Lisa Rädlein
Flach gemähte Wiesenwege sind ideal für einen flotten Trab oder spritzigen Galopp.

Welcher Boden ist zum Ausreiten ideal?

Doch welcher Boden ist zum Ausreiten ideal? Der Untergrund sollte fest genug sein, damit der Huf nicht tief einsinkt, federnd und griffig. „Am besten ist ein federnder, ebener Waldboden“, sagt Dr. Stephen Eversfeld. Auch sandige, aber nicht zu tiefe Böden wie in der Lüneburger Heide oder im Frankfurter Stadtwald sind sehr gut, ebenso Graswege.

Klar ist: Ideale Böden für entspannte Ausritte in jeder Gangart sind so rar wie Juwelen im Gestein. Wer gut und sicher mit seinem Pferd vorankommen will, passt sein Tempo an. Und vielleicht machen ja Projekte wie der integrative Reitweg des Vereins „Wegbereiter“ im Münsterland Schule. Dann können Reiter und Pferde die Natur schotterfrei und komfortabel genießen.

Info:
Wo Sie reiten dürfen, und ob Sie dafür eine Plakette brauchen, ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Wie Sie sich im Gelände verhalten, sollte dagegen Ehrensache sein: Begegnen Sie anderen Reitern, Spaziergängern oder landwirtschaftlichen Fahrzeugen stets im Schritt. Halten Sie außerdem genügend Abstand, und machen Sie sich beim Überholen im Schritt bemerkbar. Bleiben Sie auf den ausgeschilderten Wegen, leinen Sie Ihre Hunde an, und meiden Sie die Futterstellen für das Wild.

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Ein Sprung im Gelände macht Pferd und Reiter Spaß - aber nur auf dem passenden Untergrund ist das sicher möglich.

Die "Wegbereiter" schaffen Paradies für Reiter

Das Paradebeispiel für den perfekten Reitweg finden Sie im Münsterland zwischen Greven, Altenberge und Nordwalde. Dort baute der Verein Wegbereiter e.V. im Jahr 2004 ein 22 Kilometer langes Reitwege-Netz für behinderte und nichtbehinderte Reiter. Die Wege sind so breit, dass zwei Pferde nebeneinander laufen können. Außerdem sind sie bei jedem Wetter begehbar, so dass auch die Betreuer zu Fuß nicht im Matsch versinken.

Die Böden in der Gegend sind sehr schwer und werden bei Nässe tief. „Wir haben daher auf 60 Prozent der Strecke als Unterschicht Schotter ausgelegt und darüber eine Schicht aus Dolomitsand. Der ist etwas fester“, erklärt Heinz Lammerding vom Verein Wegbereiter. So kann das Wasser gut abfließen, und der Weg ist auch bei schlechtem Wetter in Ordnung. Für Pferde, die barhuf laufen, gibt es teilweise Grünstreifen.

Es war nicht einfach, die gewünschten Wege umzusetzen, denn nicht alle waren bereits vorhanden. Teilweise legte der Verein alte Wege wieder neu an und pachtete Flächen dazu. „Wir hatten Glück: Der Besitzer des Waldes ist Reiter und hatte Verständnis für unser Anliegen“, erzählt Lammerding. Probleme machten eher Jäger und der Naturschutz. Das Wild fühle sich angeblich durch Reiter und Pferde gestört, hieß es damals. „Das konnten wir Gott sei Dank durch Jäger widerlegen, die ebenfalls Reiter sind. Sie wussten, dass Wild Menschen auf Pferden viel weniger wahrnimmt als zu Fuß“, sagt Heinz Lammerding. „Damit Natur und Vögel nicht gestört werden, mussten wir allerdings Kompensationsflächen schaffen. Das wurde uns auferlegt.“

Der Verein hat gezeigt, dass es möglich ist, auch für Reiter perfekte Bedingungen zu schaffen. „Dieses Jahr machen wir hoffentlich den Lückenschluss. Dann haben wir einen Rundweg mit einer Länge von 25 Kilometern“, sagt Heinz Lammerding.

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Lisa Rädlein
Über Stock und Stein: Manchmal muss der Reiter absteigen.
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Erscheinungsdatum 17.05.2023