Der Viertakt gibt im Pferdeleben den Ton an
Denn Pferde schlendern die überwiegende Zeit ihres Lebens im Schritt durch die Gegend. Und besonders unter dem Sattel ist der Schritt die Gangart, die am deutlichsten offenbart, ob das Pferd klar und über den Rücken geht. Nur zum Aufwärmen am durchhängenden Zügel ist der Schritt viel zu schade – und sterbenslangweilig dazu.
Schritt-Training ist vielseitig und hält beweglich
"Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten, das Pferd im Schritt zu beschäftigen und sinnvoll zu trainieren", meint Dr. Claudia Münch. Sie lebt und vermittelt die Leidenschaft für abwechslungsreiches Führtraining, das zu einem großen Teil auch aus der Arbeit im Schritt besteht. "Am Boden und im Schritt können wir viele Probleme, die wir beim Reiten haben, besser erkennen und leichter lösen", betont sie. Auch Pferde, die aufgrund ihres Alters oder ihres Gesundheitszustands nur Schritt gehen dürfen, können so gut ausgelastet und beweglich gehalten werden. Mit ein paar Runden um den Hof bleiben Pferd und Mensch nicht lange glücklich. "Im schlimmsten Fall zieht der Mensch das Tier dann hinter sich her oder kann es kaum noch halten", weiß Dr. Münch aus Erfahrung.
Anna Eichinger, Ausbilderin für klassische Reitkunst, findet es wichtig, Pferde in allen Gangarten zu arbeiten. Sie nutzt den Schritt aber intensiv, um zu erfahren, wie es dem Pferd geht: Ist es losgelassen? Dehnt es sich an die Hand heran? Bewegt es sich gleichmäßig? "Im Schritt können Reiter am besten fühlen", erklärt die Ausbilderin. "Wir spüren zwar keine Schwebephase, aber den größten Rückenschwung des Pferds." Dies ermöglicht dem Reiter, sich exakt auf die dreidimensionale Schwingung zu konzentrieren.
Die Fußfolge im Schritt
Der Schritt ist ein Viertakt. Jedes Bein tritt einmal vor und stützt einmal. Der Schritt soll ruhig und schreitend sein, die Beinpaare bewegen sich gleichseitig, aber nicht gleichzeitig. Eine Gangartverstärkung ändert nichts am Takt, sondern nur, wie weit das Pferd mit dem Hinterfuß über den Abdruck des Vorderfußes tritt. Der Viertakt kann diagonal oder lateral Richtung Zweitakt verschoben sein. Im ersteren Fall zackelt das Pferd, im zweiten geht es Pass. In einem taktsauberen Schritt ist bei den einzelnen Phasen des Schritts immer in einem Moment ein Dreieck aus gleichseitigem Vorder- und Hinterbein zu sehen. Eine Taktstörung hat sich entwickelt, wenn das Dreieck verwischt oder sogar ganz aufgelöst ist.
Basis Führtraining im Schritt
Ausrüstung: Die klassische Führposition ist seitlich zwischen Genick und Schulter des Pferds. Sie wird von der FN empfohlen, seitdem sie 2014 das Abzeichen Bodenarbeit eingeführt hat. Für das Führtraining im Schritt nehmen Sie ein Knotenhalfter und Bodenarbeitsseil. Das Halfter muss gut passen und darf nicht tiefer als zwei bis drei Fingerbreit unter der Jochbeinkante sitzen. Das Seil sollte einen Karabiner haben und mindestens 3,7 Meter lang sein. Dr. Claudia Münch setzt auf eine fein abgestimmte Hilfengebung und dieses Equipment. "Führen die Pferde die Lektionen mit wenig Ausrüstung durch, sehen wir, dass sie in der Lage sind, die Position selbstständig zu halten", erklärt sie. "Es achtet zudem feiner auf uns und unsere Körpersignale."

Mit Stangen lässt sich das Führtraining kreativ gestalten.
Wie wird Schritt auf dem Turnier bewertet?
Ein taktmäßiger Schritt ist ein Zeichen für eine solide Ausbildung. Eine Taktverschiebung, wie etwa ein passartiger Schritt, sollte mit der Wertnote 5 oder niedriger bewertet werden – so steht es in den internationalen Regeln des Weltreiterverbands. Einen guten Schritt mit klarem Viertakt erkennt man zum Beispiel daran, dass Vorder- und Hinterbein ein erkennbares "V" in der Bewegung formen. Bei Dressurprüfungen geht die Punktzahl der Richter für den gezeigten Schritt doppelt in die Wertung ein. Ein effektives Schritt-Training lohnt sich also auch in Vorbereitung auf das Turnier.
Schritt mit Reiter
Lange Schritt-Ritte sind für gut trainierte Pferde kein Problem. Fehlt tragfähige Muskulatur, sind Pausen nötig. Pferde mit niedrigem Muskeltonus sollten möglichst kurz im Schritt geritten werden. In höherem Tempo entwickeln sie leichter positive Spannung.
Übertreten im Schritt
Natürlich ist ein guter Raumgriff des Schritts wünschenswert. Hier wird davon gesprochen, wieviel ein Pferd übertritt, also mit dem Hinterhuf über die Hufspur des Vorderbeins hinausgreift. Wichtiger ist jedoch ein klarer Viertakt.
Die Experten
Dr. Claudia Münch leitet Lehrgänge für FN-Bodenarbeitsabzeichen. Sie schätzt die vielseitigen Trainingsmöglichkeiten im Schritt. bodenarbeit.net
Anna Eichinger ist Ausbilderin für klassische Reitkunst. Der Schritt ist für sie die Basis des korrekten Trainings. einfachreiten.com
Dr. Vivian Gabor ist Pferdetrainerin. Als Verhaltensforscherin liegt ihr die pferdegerechte Ausbildung besonders am Herzen. ivk-center.de