Tipps von Richard Hinrichs
So geht das Pferd in die richtige Richtung

Ohne die präzise Richtung ist alles nichts, sagt Ausbilder Richard Hinrichs. Er hat Tipps für einen klaren Weg, ob bei Bahnfiguren oder hohen Lektionen.

So geht das Pferd in die richtige Richtung
Foto: Maike Klein

Wohin möchten Sie gerade mit dem Pferd? Stellt Richard Hinrichs seinen Reitschülern diese Frage, werfen sie ihm oft ahnungslose Blicke zu – der Grand-Prix-Crack ebenso wie der Anfänger.

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8 Übungen fürs Reiten in die richtige Richtung
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Die Reiter sind völlig eingenommen von der Konzentration auf ihren Sitz, darauf, ob die Hilfe ankommt und wie das Pferd sich gerade bewegt – aber über die Richtung haben sie sich keine Gedanken gemacht. Kein Wunder: Sie findet auch selten Erwähnung.

In der Ausbildungsskala kommt die Richtung gar nicht erst vor. "Sie setzt voraus, dass Reiter ihren Pferden die Richtung weisen können. Aber in der Praxis erlebe ich häufig das Gegenteil", berichtet der erfahrene Klassik-Ausbilder.

Der Reiter braucht ein klares Ziel vor Augen

Gäbe es in der Reiterei eine Bibel, bei Richard Hinrichs stünde wohl als erster Satz: Am Anfang war die Richtung. Für ihn kommt sie in der Ausbildung noch vor Takt und Losgelassenheit. Der Ausbilder ist überzeugt: "Gibt man einem jungen Pferd am Anfang der Ausbildung klar die Richtung vor, entwickeln sich alle anderen Ziele viel leichter."

Für eine genau Richtungs-Vorgabe sind optische Anker hilfreich. Das merkte auch Richard Hinrichs Ehefrau Carina neulich ganz von selbst: Die Reitanfängerin übte gemeinsam mit einer Praktikantin, präzise zu longieren.

Dafür nimmt Hinrichs gerne junge Pferde, da diese noch keine Ahnung haben, wohin sie laufen sollen. Sie sind auf klare Signale angewiesen. Da im Hinrichschen Stall derzeit keine Jungspunde stehen, dienten kurzerhand seine Ziegen als Ersatz. Die sind ebenso orientierungslos. Wie sagt man denen, dass sie im Kreis laufen sollen?

Die Frauen wurden kreativ: Eine longierte, die andere lief vor den Ziegen her, um ihnen den Weg zu weisen. So klappte es. "Das ist clever und zeigt, wie gut optische Hilfen wirken", meint der Ausbilder.

Auch Reiter brauchen ein klares Ziel vor Augen, um gute Führugsqualitäten zu entwickeln. Richard Hinrichs zeigt seine richtungsweisenden Ideen mit Pylonen, Tonnen und Stangen im Folgenden.

Die Übungen haben gleich mehrere positive Effekte: Reiter schulen präzise Hilfen und klare innere Vorstellungen von der Richtung. Pferde finden besser ins Gleichgewicht. Denn oft schlingern die Tiere wegen mangelhafter Richtungsvorgaben. Auf geht’s Richtung Harmonie!

Übung 1: Volten um Hindernisse

Viele Gegenstände können als optische Hilfe für Volten dienen. Bauen Sie sich etwa einen Slalom mit Hütchen auf. "Seien Sie kreativ. Ich reite im Gelände auch um Bäume und auf dem Grasplatz um Fahrhindernisse und Tonnen", sagt Richard Hinrichs.

So geht das Pferd in die richtige Richtung
Maike Klein
Richard Hinrichs reitet mit dem 18-jährigen Kladruber-Hengst Sacramoso um Tonnen.

Starten Sie mit größeren Volten mit einem Durchmesser von zehn Metern. Je kleiner der Kreis, desto anspruchsvoller. Die Crux beim Voltenreiten: Reiter haben oft vorher gar nicht im Kopf, wie groß der Kreis werden soll. Und wenn doch, dann wird er oft größer als geplant.

Tipp: Blicken Sie schon beim Abwenden auf den Gegenstand, der den Mittelpunkt der Volte bilden soll. Der Blick steuert die Richtung – das ist auch in den klassischen Reitlehren beschrieben. Der richtige Fokus verhindert, dass die Volte zu groß ausfällt.

Zum Überprüfen der Voltengröße: Harken Sie vorm Voltenreiten den Boden der Reitbahn. Nehmen Sie sich einen bestimmten Radius vor und kreiseln in der Volte um das ausgewählte Hindernis. Anschließend sehen Sie die Spuren im Sand und können prüfen, wie exakt der Kreis geworden ist. "Die wenigsten Reiter schätzen den Durchmesser richtig ein", weiß Hinrichs.

Zeigt die Spur im Sand, dass die Volte trotz Blickfokus zu groß geraten ist? Hinrichs rät: Überprüfen Sie Ihren Sitz. Knicken Sie in der Taille ein? Ist die äußere Hand höher als die innere? Das sind häufige Fehler (siehe Übung 4). Verzweifeln Sie nicht daran: "Niemand reitet immer perfekt. Es ist ein stetes Probieren, nach Ursachen für Probleme suchen und korrigieren." Das ist für den Ausbilder der Schlüssel zur reiterlichen Weiterentwicklung.

Übung 2: Tor auf für die liegende Acht

Bauen Sie sich über der Bahnmitte bei X ein Tor aus zwei Cavaletti-Blöcken. Der Abstand beträgt etwa zwei Meter. Barockausbilder Richard Hinrichs nutzt Pilare. Mit dem Tor können Sie Wendungen in der Bahn üben und haben dabei stets den richtigen Blickfokus. Folgende Übungs-Varianten bieten sich an:

So geht das Pferd in die richtige Richtung
Maike Klein
Ausbilder Richard Hinrichs lässt Ponyhengst Amadeus piaffieren.

Variante A: Als einfache Variante reiten Sie eine liegende Acht um die Cavaletti-Blöcke. Alle Gangarten sind möglich. Üben Sie erst im Schritt und steigern sich langsam. Fortgeschrittene können zwischen den Pilaren piaffieren.

Variante B: Schicken Sie das Pferd rückwärts durchs Tor. Klappt es auf gerader Linie, können Sie auch die liegende Acht im Rückwärtsgang probieren. Beides geht vom Sattel und vom Boden aus. Schicken Sie das Pferd Tritt für Tritt zurück. "Wichtig ist, ganz in Ruhe zu üben und selbst genau die Linie im Kopf zu haben", meint der Ausbilder. Beim Pferd fördert die Übung Durchlässigkeit und Konzentration.

Variante C: Umrunden Sie einen Pilar mit einer halben Pirouette, galoppieren geradeaus zum nächsten Pilar und reiten auch dort eine halbe Pirouette. "Das Geradeaus zwischendurch beugt der Tendenz vor, dass Pferde sich in die Pirouette werfen", so Hinrichs.

Übung 3: Barocke Viereckvolte um Hütchen herum

Die barocke Viereckvolte ist eine Übung aus der klassischen Reitlehre. Dabei reiten Sie außen um vier Pylonen herum, die in der Bahn im Quadrat aufgestellt sind. Die Volte ist also nicht rund, sondern eckig. Der Abstand der Pylonen variiert je nach Ausbildungsstand: Je näher die Hütchen zusammenstehen, desto anspruchsvoller.

So geht das Pferd in die richtige Richtung
Illustration: CAVALLO
Die barocke Viereckvolte.

Das klassische Maß liegt etwa bei fünf mal fünf Metern. "Das ist aber auf kompakte Barockpferde-Typen ausgelegt. Bei Sportpferden mit viel Raumgriff in der Bewegung und bei weniger fortgeschrittenen Reitern würde ich immer mit deutlich größeren Abständen beginnen", meint Richard Hinrichs.

Die Herausforderung bei der Figur: Es gibt keine Begrenzung durch die Bande. Der Reiter muss die Richtung exakt vorgeben und orientiert sich dafür an den Hütchen.

Und so geht’s: Reiten Sie außen um die Hütchen herum. Achten Sie darauf, nach der Wendung um die Pylone das Tempo zu erhalten. Der Blick auf die nächste Pylone gibt Orientierung. "Die Übung hilft dabei, dass Pferde in der Wendung nicht hinter den Schenkel geraten. Ihr Fleiß bleibt erhalten", erklärt der Ausbilder. Zudem lernen Pferd und Reiter, Vor- und Hinterhand aufeinander auszurichten.

Trainieren Sie auf beiden Händen gleichmäßig. Die Übung erfordert hohe Konzentration vom Pferd. Bauen Sie spätestens nach fünf Minuten eine Pause ein und lassen das Pferd am langen Zügel Schritt gehen. "Oder galoppieren Sie flott auf der Ganzen Bahn", rät Hinrichs. Die Viereckvolte lässt sich auf vielseitige Weise variieren:

Variante A: Reiten Sie die Figur in allen Gangarten. Starten Sie im Schritt. Klappt das, können Sie auch im Trab und Galopp üben. Wichtig: Nicht am Zügel ziehen. Hapert es an der Koordination, schalten Sie einen Gang runter.

Variante B: Reiten Sie im Schulterherein, Kruppeherein oder im Renvers. Orientieren Sie sich an den unsichtbaren Viereck-Linien.

Übung 4: Hilfengebung: Das Pferd folgt der höheren Hand

Nicht schon wieder! Das Pferd driftet in der Wendung nach außen. Woher kommt dieses Richtungsproblem? "Ein möglicher Auslöser ist es, dass die innere Hand des Reiters in der Wendung nach unten wandert. Das geschieht oft unbewusst", meint Richard Hinrichs. Der Ausbilder beobachtet das häufig bei seinen Schülern.

Es entsteht folgende Kettenreaktion: Die innere Hand geht nach unten – dadurch wird der innere Zügel länger. Die äußere Hand ist somit automatisch höher. Das Pferd folgt dann der höheren Hand, denn hier steht der Zügel mehr an. Die Folge: Das Pferd driftet nach außen. "Und der Reiter fängt innen an zu ziehen, weil dieser Zügel plötzlich länger ist", erklärt der Ausbilder.

Hilfengebung Hand
Maike Klein

Tipp: Wollen Sie beispielsweise nach links wenden, nehmen Sie bewusst die linke Hand etwas höher. Eine minimale Bewegung reicht. Diese wirkt sich auf den ganzen Reitersitz aus. "Ein inneres Bild der Länge entsteht", meint der Ausbilder. Hebt der Reiter die Hand, streckt er automatisch auch die entsprechende Körperseite mehr. Das wiederum verhindert ein Einknicken in der Taille. Sie sitzen besser im Lot und das Pferd kann sich leichter ausbalancieren.

Übung 5: Aus und in die Ecke kehrt mit Begrenzung

Bei der Hufschlagfigur "Aus der Ecke kehrt" reiten Sie Anfang der kurzen Seite eine halbe Volte und führen das Pferd schräg zurück auf den Hufschlag. Bei der halben Volte ist das Pferd nach innen gestellt und gebogen. "Der Reiter führt in der Wendung mit seiner Schulter die Kruppe des Pferds", sagt Hinrichs. Dafür muss er den Oberkörper mit in die Wendung drehen. Auf der schrägen Linie ist das Pferd wieder geradegerichtet.

So geht das Pferd in die richtige Richtung
Illustration: CAVALLO
Die Hufschlagfigur „Aus der Ecke kehrt“.

Als optische Hilfen erleichtern Bodenstangen die Linienführung. Legen Sie zwei Stangen hintereinander auf die Linie. Die erste beginnt dort, wo die halbe Volte endet. Die Stangen liegen so, wie Sie das Pferd zurück zum Hufschlag leiten möchten. Sie begrenzen außen.

Reiten Sie die Übung erst im Schritt. Visieren Sie schon in der Ecke die Stangen an. Das erleichtert das zielgenaue Abwenden. Dann reiten Sie das Pferd an den Stangen entlang zurück zum Hufschlag. Klappt das im Schritt, können Sie auch im Trab und Galopp üben.

Variante: Reiten Sie ein "In die Ecke kehrt" (siehe Grafik). Die Stangen bleiben wie gehabt liegen. Nun wenden Sie Mitte der langen Seite ab, reiten an den Stangen entlang und in einer halben Volte in die Ecke.

Übung 6: Den richtigen Bogen rauskriegen

"Der frühere Oberbereiter der Spanischen Hofreitschule, Georg Wahl, begann die Aufwärmphase mit Schlangenlinien – das habe ich übernommen", sagt Richard Hinrichs. Auch er startet häufig das Training mit Schlangenlinien am langen Zügel. Nach und nach nimmt er die Zügel auf und baut doppelte Schlangenlinien ein. "Ich stelle und biege das Pferd bei diesen Hufschlagfiguren viel, was Verspannungen vorbeugt", meint er.

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Maike Klein
Die Aufwärmphase mit Schlangenlinien beginnen.

Was der Ausbilder bei seinen Schülern oft beobachtet: Ihnen fehlt das klare Bild von der Linienführung. Sie können die Größe der Bögen nicht richtig einschätzen und pendeln übers Ziel hinaus. Bei einer einfachen Schlangenlinie liegt die weiteste Entfernung mit sechs Metern zum Hufschlag in der Mitte der langen Seite bei E/B. Bei der doppelten Schlangenlinie werden die Bögen bis zu 2,50 Meter weit in die Bahn hineingeritten.

Tipp: Stellen Sie eine Tonne oder ein Hütchen als optische Hilfe an dem Sechs-Meter-Punkt bzw. den 2,50-Meter Punkten auf. Führen Sie das Pferd oder laufen die Hufschlagfigur zunächst für sich ab. "Früher habe ich das Abgehen als Gag gesehen. Dann habe ich es probiert und lehre es mittlerweile auch – die Ergebnisse sind super", meint der Klassik-Reiter. Beim Laufen der Bahnfigur entsteht ein klares Bild im Kopf.

Übung 7: Abwenden mit Gassen

Die Mittellinie erscheint beim Reiten oft wie von Geisterhand: Da ist sie ja schon – schwupps, ist der Reiter vorbei. "Sehen Sie den Fehler als Zeichen, das Abwenden besser und somit früher einzuleiten", meint Richard Hinrichs.

Dafür hat der Ausbilder einen Trick: Er bildet mit vier Bodenstangen eine Gasse, die die Mittellinie einrahmt. Dazu liegen jeweils zwei Stangen längs hintereinander. Die Gasse startet etwa drei Meter von der kurzen Seite entfernt und ist 1,50 Meter breit. Sie hilft, die Linie zu halten.

So geht das Pferd in die richtige Richtung
Illustration: CAVALLO
Mit vier Bodenstangen eine Gasse bilden, die die Mittellinie einrahmt.

Damit der Reiter gut in die Gasse kommt, muss er sein Pferd schon in der Ecke vor der kurzen Seite mehr versammeln und das Tempo verkürzen. Die optische Hilfe erinnert ihn daran. "In der Gasse reiten Sie das Pferd wieder mit mehr Schwung vorwärts. Durch das Zulegen im Tempo zieht das Pferd sich von selbst gerade. Das erleichtert die Linienführung", so der Ausbilder.

Merke: Vorm Abwenden das Tempo einfangen, fürs Geraderichten im Tempo zulegen – dieses Prinzip gilt für alle geraden Linien.

Übung 8: Seitwärts entlang der Stange

Schenkelweichen, Kruppe herein, Travers – das gelingt oft noch gut an der langen Seite. Dort begrenzt die Bande und der Reiter muss sich wenig Gedanken über die Richtung machen. "Fordert man dann mal als Ausbilder einen Seitengang auf der Diagonalen, finden die Reiter oft die Linie nicht", weiß Richard Hinrichs.

So geht das Pferd in die richtige Richtung
Maike Klein
Ulla Reimers übt Seitengänge an der Stange mit Lipizzaner-Hengst Incitato.

Tipp für die Traversale: "Das wichtigste für das Gelingen dieser Lektion ist, dass das Pferd da ankommt, wo es ankommen soll", meint der Ausbilder. Als Reiter sind wir aber oft so sehr mit der Hilfengebung beschäftigt, dass wir gar nicht an die Richtung denken. Hinrichs Trick: Er übt Seitengänge über die Diagonale entlang von Bodenstangen. Diese liegen im ersten Drittel der Diagonale. Der Reiter richtet sich daran aus.

Die Stange fördert mehr Versammlung in der Einleitung des Seitengangs. Das Pferd tritt dann mehr seitwärts. Gegen Ende ist dann mehr Vorwärts möglich. "Das Pferd kommt dann schwungvoll aus der Traversale heraus, anstatt dass am Ende die Luft ausgeht", so Hinrichs.

Variante: Bauen Sie vier Pylonen im Abstand von je zehn Metern entlang der Mittellinie auf. Dann reiten Sie in Zickzack-Traversalen durch den Hütchen-Slalom.

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Erscheinungsdatum 17.05.2023