In einer angenehmen Arbeitsatmosphäre lernt ein Pferd von sich aus, was man ihm vorschlägt. Geduld, Kraulen und Körperausdruck sorgen für ein prima Klima zwischen Pferd und Reiter. Horsemanshiptrainer Florian Oberparleiter erklärt wie das geht.
In einer angenehmen Arbeitsatmosphäre lernt ein Pferd von sich aus, was man ihm vorschlägt. Geduld, Kraulen und Körperausdruck sorgen für ein prima Klima zwischen Pferd und Reiter. Horsemanshiptrainer Florian Oberparleiter erklärt wie das geht.
Ein guter Reiter oder Trainer will die Arbeit für Pferde so angenehm wie möglich machen. Pferde bewerten Situationen jedoch oft ganz anders als Menschen. Das erschwert es, eine angenehme Arbeitsatmosphäre zu schaffen oder aufrechtzuerhalten.
"Erfahre die Welt wie ein Pferd" heißt das Programm des österreichischen Horsemanship-Trainers Florian Oberparleiter, mit dem er Pferden Lust macht, von sich aus zu lernen, was der Mensch vorschlägt. Dazu müssen Reiter lernen, in eine Welt aus Bildern, Gerüchen und anderen sensorischen Wahrnehmungen einzutauchen, wie sie das Pferd wahrnimmt.
Wichtigste Regeln: Lassen Sie dem Pferd beim Lernen viel Zeit und nehmen Sie Druck raus – bis selbst Schreckmomente in ein angenehmes Arbeitsklima umschlagen. Sie selbst benötigen nur drei Hilfsmittel: Geduld, wohldosiertes Kraulen und den richtigen Körperausdruck. So funktioniert‘s.
Florian Oberparleiter ist Horsemanship-Trainer aus Sierning in Österreich. Er gibt europaweit Kurse. Mehr Infos: www.florian-oberparleiter.com
Zunächst müssen Sie verstehen, wie Pferde ihre Umwelt wahrnehmen. Stuft ein Pferd eine Situation beispielsweise als gefährlich ein, wird es das Bedürfnis verspüren, sein Leben zu retten. Das macht Probleme. "Verhält sich ein Pferd nicht wie gewünscht, begreifen wir nicht, dass wir es auf alltägliche Situationen mental und emotional vorbereiten müssen", sagt Oberparleiter.
Der Mensch denkt logisch und strukturiert. Betreten wir zum Beispiel eine Reithalle, erfassen wir in Sekunden ein gesamtes Konzept: das Gebäude und alles, was dazu gehört. "Pferde dagegen können nicht ausblenden, was wichtig oder unwichtig ist", erklärt der 25-jährige Trainer. Stattdessen – so vermuten Verhaltensbiologen – rollt eine Flut einzelner Bilder auf sie zu, die sie erst miteinander verknüpfen müssen: das Hallentor, einzelne Fenster und so weiter.
Wie man sich das vorstellen kann, lernte Oberparleiter von der autistischen Professorin Temple Grandin, Tierwissenschaftlerin der Colorado State University in Fort Collins. "Viele Autisten sehen, hören, schmecken oder riechen zum Beispiel viel empfindsamer als Nichtautisten", erfuhr er. Auch das Denken in Bildern unterscheidet Autisten von Nichtautisten.
Die oft überraschenden panischen Reaktionen von Pferden sieht Verhaltensexpertin Grandin als Hinweis, dass auch Pferde vergleichbar ausgeprägte sensorische Eigenschaften wie Autisten haben und in Bildern denken. Dabei kann es sein, dass dieselbe Sache fürs Pferd völlig unterschiedlich aussieht, wenn es sie von verschiedenen Seiten betrachtet. Die Unterschiede haben fürs Empfinden des Pferds eine große Bedeutung – und beeinflussen das Reiten stark.
Die meisten Reiter kennen solche Situationen: Das Pferd passiert beispielsweise beim Ausritt einen Holzstoß auf dem Hinweg problemlos, auf dem Rückweg aber scheut es davor. Dazu kommt, dass Pferde Bildfolgen genauer erkennen und Bewegungen sehen, die der Mensch gar nicht wahrnimmt.
Für gute Stimmung zwischen Pferd und Reiter bedeutet das: Setzen Sie nichts als selbstverständlich voraus. "Für uns Menschen ist es normal, unwichtige Informationen aus unseren sensorischen Wahrnehmungen, also Sehen, Hören, Riechen und so weiter, herauszu ltern, für das Pferd nicht", sagt Florian Oberparleiter. "Es möchte am liebsten jeden Gegenstand ganz genau und von allen Seiten untersuchen."
Zum Beispiel einen fremden Pferdehänger. Auch wenn das Tier schon x-mal in einem Hänger gefahren ist: Wie schaut der Neue von allen Seiten aus? Wie schmeckt und riecht er? Kein Gegenstand gleicht aus Pferdesicht dem anderen. "Nur, wenn man sich dessen bewusst ist, kann man ein Pferd so vorbereiten, dass es auch mal einen Sprung über den eigenen Schatten macht", betont Florian Oberparleiter.
Selbst Schreckmomente können Sie dann in ein angenehmes Arbeitsklima umwandeln: In unangenehmen Situationen nutzt der Trainer aus, dass Pferde sich immer nur auf eine Sache konzentrieren können. "Ich lenke das Pferd von dem Gespenst ab, indem ich seine Aufmerksamkeit zunächst auf mich und dann auf etwas anderes lenke", sagt er. Das klappt im Sattel wie am Boden: Respektiert das Pferd den Reiter, wird es wissen wollen, was dieser jetzt so interessant findet – und vergisst das Monster. Das stärkt auch sein Selbstvertrauen.
In Angstsituationen agieren Reiter allerdings häufig falsch. Oberparleiter: "Die meisten versuchen, ein Pferd mit der Stimme und Signalen wie ‚Ruhig!‘ zu beruhigen und seine Bewegungen zu stoppen", sagt der 25-Jährige. "Weit effizienter ist es jedoch, wenn Sie in solchen Augenblicken die Bewegungen des Pferds zulassen und bewusst kontrollieren." Ein guter Lehrmeister für Florian Oberparleiter war seine 12-jährige Quarter-Stute Phoebe, ein heißblütiger, überängstlicher Typ. "Es brachte nichts, ihre Bewegungen zu unterbinden, um sie zu beruhigen", erinnert er sich und fand eine andere Lösung. "Ich begann das, was sie mir anbot, zu verändern."
Phoebe bot vor allem eins an: laufen, laufen, laufen. "Ich ließ sie so schnell rennen, wie sie wollte, steuerte lediglich die Richtung: Wollte Phoebe nach rechts, lenkte ich sie nach links und umgekehrt." In kürzester Zeit gewann der Trainer Phoebes Aufmerksamkeit. Der Grund: Kann der Reiter Bewegungsausmaß und Balance gezielt steuern, wird er fürs Pferd erst wirklich interessant. Indem Florian Oberparleiter die Richtung bestimmte, bewies er der Stute Führungskompetenz. Der Grundstein für ein angenehmes Arbeitsklima war gelegt.
Der Körperausdruck ist für Florian Oberparleiter das wichtigste Hilfsmittel seiner Arbeit. "Er ist viel wirksamer als jeder Krafteinsatz, jeder Zügel, jede Gerte", sagt er. Das Erlernen der körpereigenen Kontrolle beginnt im Kopf.
Wie das geht, demonstriert der Trainer mit einfachen Übungen – zum Beispiel mit dem sogenannten psychologischen Führen. Dahinter steckt die Idee, das Pferd scheinbar völlig zu ignorieren und sich so als Führungspersönlichkeit zu präsentieren. "Darauf sprechen Pferde stark an", ist Oberparleiters Erfahrung. Er stellt Körperspannung und -ausdruck über die Gestik. "Viele Menschen verwechseln eine ausdrucksvolle Körpersprache mit ausladenden Gesten oder wedelnden Armen."