Wir haben drei Expertinnen im Rahmen unseres Formats "Eine Frage, drei Experten" um Antworten gebeten, wann Reiter sporenreif sind.
"Sporen helfen nur guten Reitern"
Das sagt die Neindorff-Schülerin:

Katja Ecker lernte 15 Jahre lang bei Reitmeister Egon von Neindorff, aber auch von etlichen anderen Reitweisen und Disziplinen.
"Als ich im Reitinstitut von Neindorff mit dem Reitunterricht begann, trug niemand von uns Reitschülern Sporen. Wir lernten dort einen korrekten Sitz. Heute habe ich gerne Sporen "dabei", auch wenn ich sie nicht brauche. Aber wenn ich sie nur ein einziges Mal pro Reiteinheit einsetzen kann, wo andere Hilfen nicht präzise genug wirken, hat sich das Tragen gelohnt. Dennoch nutze ich lieber eine lange Gerte, weil ich damit den gleichen Zweck erreiche, aber noch flexibler in der Anwendung bin. Fremde Pferde reite ich ohne Sporen, aber immer mit Dressurgerte.
Heutzutage sieht man leider einen inflationären und gruseligen Umgang mit Sporen. Sie werden nicht mehr zur präzisen Hilfengebung genutzt, sondern zum Treiben.
Schlimm ist auch, dass schon kleinen Kindern Sporen angeschnallt werden, die dann permanent in den Ponyrippen herumstochern. Früher war nicht alles besser, aber man hatte gelernt, im Pferd zu sitzen, also es "am Kreuz" zu haben. Neindorff sprach vom "Orchester der Hilfen und das Kreuz ist der Dirigent". Ein solcher Sitz treibt aus sich selbst heraus und mit ihm kann man die Sporen nur dazu nutzen, die Hilfengebung zu verfeinern. Der Einsatz von Sporen darf ausschließlich in Verbindung mit einer korrekten Kreuz- und Schenkelhilfe erfolgen. Wer nicht vernünftig sitzen gelernt hat, der kann auch mit Sporen keine besseren Ergebnisse erzielen. Sie können nur demjenigen helfen, noch besser zu werden, der ohnehin schon recht gut ist."
"Nur wer ausbalanciert sitzt, ist reif für die Sporen"
Das sagt die Dressur-Richterin:

Dr. Britta Schöffmann ist seit rund 40 Jahren als Richterin tätig, ritt bis Grand Prix und hat das Goldene Reitabzeichen erhalten.
"Für mich ist ein Reiter sporenreif, wenn er über einen vollkommen ausbalancierten Sitz verfügt. Nur der ermöglicht ihm, seine Schenkel so flach und ruhig am Pferd liegen zu haben, dass der Sporn nur punktuell und zum Verfeinern der Schenkelhilfen eingesetzt werden kann. Ich nutze Sporen nicht bei jungen Pferden, hier finde ich die Gerte als Hilfsmittel sinnvoller – als Verlängerung bzw. Verdoppelung des Reiterschenkels, um dem Pferd zu helfen, die Reiterhilfen zu verstehen. Sporen sind punktgenauer, bauen darauf auf, aber dafür muss ein Pferd die Schenkelhilfen erst einmal verstanden haben. Erst dann kann ein Sporn gezielt einzelne Muskelpartien ansprechen.
Mit dem Verwässern des Wissens um die klassische Reitlehre wird oft unreflektiert zu Sporen gegriffen. Ich achte bei meinen Schülern sehr darauf, dass sie Sporen nicht missbrauchen.
Auf Lehrgängen habe ich schon dem ein oder anderen Reiter die Sporen abgeschnallt, wenn ich es für notwendig hielt. Sporen sind auch nicht dazu da, ein vermeintlich faules Pferd mehr vorwärtszubekommen. Hier müsste Ursachenforschung betrieben werden: Liegt das an unpassendem Equipment, fehlerhaften Reiterhilfen oder Sitz? Schlimm ist, wenn Reiter mit Sporen in den Pferdebauch hacken, um es vorwärtszubekommen oder zu bestrafen. Das ist ein No-Go! Außerdem spannt das Pferd nur die Muskeln extrem an, geht aber sicher nicht locker vorwärts. Solche Aktionen sind also tierschutzrelevant und kontraproduktiv!"
"Auch das Pferd muss sporenreif sein"
Das sagt die Dressur-Ausbilderin:

Corinna Lehmann arbeitete eng mit Kurt Albrecht (Spanische Hofreitschule) zusammen und unterrichtet deutschlandweit.
"Für die "Sporenreife" braucht der Reiter eine souveräne Sitzbalance sowie ein gestrecktes, langes Bein; Fußgelenk und Absatz müssen locker in die Tiefe federn. Die Schenkel ruhen begleitend am Pferd, und sie werden so koordiniert eingesetzt, dass absichtliche Sporenimpulse gesetzt werden können. Eine unglückliche Kombi hinsichtlich Sporen auch bei guten Reitern ist immer ein großes bzw. großrahmiges Pferd und ein Reiter mit kleiner Statur und eher kurzen Beinen. Die Absätze plus Sporen sitzen dann an der oberen Flanke des Pferds – und dort gehören sie nicht hin.
Sporenreif sollte auch das Pferd sein.
Pauschal gesagt würde ich alles rund um Takt, Losgelassenheit, Anlehnung und erster Geraderichtung immer erstmal ohne Sporen erarbeiten. Wenigstens theoretisch galt der Grundsatz, dass junge Pferde ohne Sporen ausgebildet werden und erst beim reiferen Pferd Sporen die Ausbildung verfeinern sollten. Heute übersetze ich das so, dass ungeschulte Pferde, egal welchen Alters, erstmal ohne Sporen die Basisausbildung nachholen und später über Sporen entschieden wird."