Reiten ist ein Wechselbad der Gefühle. Harmonie verwandelt sich blitzschnell in Hickhack, wenn die Stimmung zwischen Pferd und Reiter kippt. Dabei läuft‘s nur zusammen richtig rund. Doch können Reiter das steuern und mit guter Laune im Sattel das Pferd anstecken? Stresst ein unsicherer Reiter das Tier? CAVALLO spürt diesen Fragen mit einem einzigartigen Experiment nach. Modernste Messtechnik macht sichtbar, was Pferd und Reiter bei neuen Lektionen, missglückten Übungen oder kleinen Sprüngen empfinden.
Interaktion nennen Wissenschaftler das spannende Wechselspiel zwischen Mensch und Pferd. Wie sich die beiden gegenseitig beeinflussen, versuchen Verhaltensforscher weltweit zu entschlüsseln. Vieles liegt noch im Dunkeln. Die geheimnisvolle Gefühlswelt zwischen Pferd und Reiter wird gerade erst erobert. Schritt für Schritt gibt es neue Erkenntnisse, kleine Wissensbrocken.
Der Check fürs ideale Pferd-Reiter-Paar
Wie bei einem Puzzle versuchen Experten, diese Bausteine zusammenzusetzen, um irgendwann vielleicht ein Bild des großen Ganzen zu erhalten. "Traumvorstellung ist, die Persönlichkeit von Pferd und Reiter bestimmen zu können, damit sich möglichst harmonische Paare finden", sagt Verhaltensexpertin Dr. Uta König von Borstel von der Georg-August-Universität Göttingen. Sie gehörte zu den ersten Wissenschaftlern, die auf dem Beziehungssektor forschten.
Die reale Forschungswelt dreht sich erstmal darum festzustellen, wie Pferd und Mensch überhaupt aufeinander reagieren. "Solche Reaktionen wissenschaftlich zu erfassen, ist schwierig, weil bereits Faktoren wie die Fütterung oder Haltung des Pferds sowie das Können des Reiters das Ergebnis beeinflussen können", sagt Uta König von Borstel. Für hieb- und stichfeste Resultate reicht die Zahl der Testpferde und Reiter mit identischem Background oft nicht aus.










Pferde reagieren auf Menschen
Doch auch kleine Studien werfen wichtige Schlaglichter auf das Verhältnis zwischen Pferd und Reiter. Von denen können beide in der Praxis profitieren. Im Fokus steht meist Stress, der Mensch und Tier in brenzlige Situationen bringen kann. Gehen dem Reiter die Nerven durch, tut‘s womöglich auch das Pferd – und ergreifen die Flucht.
Dass Pferde tatsächlich auf die Stimmung des Menschen reagieren, wie viele Reiter vermuten, bestätigen inzwischen diverse Untersuchungen. So kann sich die Nervosität des Menschen aufs Pferd übertragen, und zwar selbst dann, wenn dieser gar nicht reitet, sondern das Tier lediglich führt. Schnellt der menschliche Puls bei Stress in die Höhe, steigt auch die Herzfrequenz des Pferds. Es ist ebenfalls gestresst. Austricksen lassen sich Pferde nicht. "Tut der Reiter nur so, als sei er nervös, verändert sich der Pulsschlag des Pferds nicht", stellte König von Borstel fest.
Das Verhalten des Tiers kann den Reiter allerdings leicht in die Irre führen. Denn Pferde benehmen sich scheinbar paradox, beobachtete König von Borstel in einer Studie. War der Mensch wirklich nervös, ließ sich das Tier nichts anmerken; umgekehrt wirkte es erregt und riss den Kopf hoch, als der Mensch seinen Stress nur simulierte. Warum sich Pferde so verhalten, ist unklar.

Pferde reagieren kurios auf Menschen
Die Reaktionsmuster der Tiere scheinen jedenfalls viel komplexer gestrickt zu sein als bisher vermutet. Darauf deutet auch eine aktuelle Pilotstudie hin. Wissenscha ler der Universitäten Göttingen und Guelph/Kanada untersuchten, wie Pferde auf Menschen reagieren, die 1. im Umgang mit den Tieren erfahren sind, 2. körperlich angestrengt und 3. psychisch erregt sind. Die Testpersonen standen nur still in der Mitte eines Roundpens, ohne Kontakt zum Pferd zu suchen; ihre Augen waren verbunden, damit der menschliche Blick die Tiere nicht beeinflussen konnte.
Die Reaktionen waren verblüffend: Die Herzfrequenz der Pferde sank bei Menschen mit hohem Pulsschlag (Gruppe 2 und 3), und zwar am stärksten bei den richtig nervösen Testpersonen. Konfrontiert mit gelassenen Pferdeleuten, stieg der Puls der Tiere dagegen an. Sie verhielten sich auch kurios: Die Pferde hielten ihre Köpfe niedriger, als Menschen mit Herzrasen im Roundpen standen. "Der gesenkte Kopf ist ein äußeres Zeichen für innere Entspannung", so König von Borstel. Waren nervöse Menschen in der Bahn, liefen die Pferde zudem am langsamsten. Bei den ruhigen Testpersonen waren die Pferdeköpfe höher, die Bewegungen aktiver.
Was könnte hinter diesem merkwürdigen Verhalten stecken? "Pferde ordnen den Menschen ein. Sie unterscheiden, ob dieser eher ranghöher oder rangniedrig ist, und ob sie auf ihn achten müssen oder nicht; bei Personen, die Angst vor Pferden haben, merken sie, dass von denen nichts zu befürchten ist", interpretiert Dr. Uta König von Borstel das Ergebnis. Dabei dürfte nicht allein die Herzfrequenz der Menschen eine Rolle gespielt haben. "Ich vermute, dass es minimale Änderungen in der Körperhaltung gab, die die Pferde registrierten; das können sie spitzenmäßig", sagt König von Borstel.










Clickern macht Freude
Hätten die nervösen Testpersonen nicht nur in der Bahnmitte gestanden, sondern etwas von den Tieren verlangt, wären die Resultate anders gewesen, ist die Verhaltensexpertin überzeugt. Die Angst hätte abgefärbt.
Wer ein ruhiges, ausgeglichenes Pferd haben will, muss als erstes lernen, selbst ruhig und ausgeglichen zu sein. Wie Reiter dies mit einfachen Methoden schaffen, erklärt Mentaltrainer Andreas Mamerow aus Heiligenhaus/NRW auf Seite 23. "Grundvoraussetzung für eine positive Stimmung ist immer, dass der Reiter von sich selbst und seiner eigenen Leistungsfähigkeit überzeugt ist", betont Mamerow.
Das heißt nicht, dass man sich selbst überschätzen soll. Es geht vielmehr darum, seine eigene Leistungsfähigkeit realistisch einzuschätzen. "Das kann man zum Beispiel durch Köperwahrnehmungstraining erreichen wie jede Form von Gleichgewichtsübung, Sitzschulungen oder einfach nur Joggen", sagt Mamerow.

Beim Clickern kommt Freude auf
Und was hebt beim Pferd die Stimmung? "Ein gut gelaunter Reiter und Motivation", sagt Verhaltensexpertin König von Borstel. Allzweckwaffe für starken Antrieb sind Leckerli. "Nichts motiviert Pferde so stark wie Futter", sagt König von Borstel, die deshalb zum Clickertraining rät. Wie man dies beim Reiten macht, erklärte CAVALLO in der Titelgeschichte der Februar-Ausgabe. "Es ist unglaublich, wie Pferde dabei mitarbeiten und mit welcher Freude", sagt König von Borstel.
Dass Pferde Spaß haben, ist keine Illusion, der gefühlsduselige Reiter nachhängen. Pferde empfinden nicht anders als Menschen. "Sie haben die gleichen vier Grundstimmungen, also Wohlbefinden, Freude, Traurigkeit, Wut und Aggression", sagt Dr. Hans-Ullrich Balzer vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte (IASP) der Berliner Humboldt-Universität. Der Diplom-Physiker spürt mit modernsten Messmethoden Stimmungen bei Mensch und Tier nach.
Mittels Sensoren und komplexen Datenanalysen blicken die Berliner Wissenschaftler im Auftrag von CAVALLO tief ins Innere von Pferd und Reiter. Dabei zeichnen sich erstaunliche Reaktionen zwischen Pferd, Reiter und Reitlehrer ab. Tauchen Sie ein ins Wechselbad der Gefühle.
Rasende Herzen

Stress treibt den Herzschlag in die Höhe. "Kontrollieren Sie regelmäßig Ihren eigenen Puls und den Ihres Pferds; so bekommen Sie einen guten Überblick, welche Situationen stressig sind", rät Professor Christine Aurich vom Graf-Lehndorff-Institut der Universität Wien. Das kann beim Reiter etwa Lampenfieber vor einer Prüfung sein, beim Pferd ein aufgespannter Regenschirm. Pulsuhren für Reiter gibt‘s im Sportfachhandel. Pulsmesser für Pferde, die in der Gurtlage befestigt werden, bietet die Firma Polar (www.polar.de) an. Einfache Geräte kosten zirka 70 Euro.










Wechselbad der Gefühle
Nie zuvor blickte jemand so tief ins Innere von Pferd und Reiter wie bei diesem CAVALLO-Experiment. Ein spezielles Sensorsystem registriert die Stimmungen parallel bei Mensch und Tier. Wie reagieren Reiter und Pferd, wenn eine bekannte Übung überraschend anders geritten wird? Kann ein erfahrener Reiter einem Pferd größere Sicherheit geben, wenn es bei einer Aufgabe hakt? Wie motivierend wirkt ein kleiner Sprung? Freut sich das Tier wirklich, wenn es gelobt wird?
"Dieser Versuch ist einzigartig; so etwas gab es bisher nicht", sagt Dr. Kira Kultus vom Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte (IASP) der Berliner Humboldt-Universität. Die Wissenschaftlerin misst im Auftrag von CAVALLO die Stimmungen von zwei Pferd-Reiter-Paaren sowie einer Reitlehrerin (siehe unten). Praktisches Wissen übers Reiten bringt die Forscherin ebenfalls mit: Sie ist Pferdewirtin und hat selbst vier Pferde.
Die Messung erfasst Hautwiderstand, Hautpotenzial und Muskelspannung bei Mensch und Tier. Daran lässt sich ablesen, wie Pferd und Reiter emotional, geistig und muskulär reagieren. Dabei verändern sich Vorgänge im Körperinneren, was als Regulation bezeichnet wird. Diese Regulation lässt sich, je nach Geschwindigkeit und Qualität, einem Befinden zuordnen. Es gibt vier Grundstimmungen: 1. Wohlbefinden: langsam regulierter (deaktivierter), gesunder Zustand. 2. Freude: schnell regulierter (aktivierter), gesunder Zustand. 3. Traurigkeit: langsam regulierter (deaktivierter), krankhafter Zustand. 4. Ärger/Wut/Aggression: schnell regulierter (aktivierter), krankhafter Zustand. Diese Stimmungen haben viele Facetten: Allein für Freude gibt‘s vier Varianten.
Dazwischen liegen diverse sogenannte Übergangszustände wie Angst und Unsicherheit. Denken Sie an einen Galopp übers Stoppelfeld: Haben Sie Spaß daran, sind Sie schnell und gut reguliert. Trauen Sie sich das Tempo nicht zu, fühlen Sie sich unsicher. Sie sind vielleicht ebenfalls schnell, aber schlechter reguliert. Das kann bis zur Blockade reichen: Das Herz pocht bis zum Hals, aber Sie erstarren innerlich wie das Reh im Scheinwerferlicht. Pferde fühlen genauso.










Wie geht es uns heute?
Was empfinden Pferd und Reiter? Sind sie entspannt, freudig erregt, traurig oder wütend? Die chronobiologische Regulationsdiagnostik ist die modernste Methode, um das Befinden von Mensch und Tier zu analysieren. Messgrößen wie Muskelspannung, Hautpotenzial und Hautwiderstand spiegeln die Abläufe von Körperfunktionen, die in jedem Organismus periodisch auftreten.
Äußere und innere Einflüsse wie Stress beschleunigen oder verlangsamen diese Regulationsprozesse im Körper. Im Periodensystem der Regulationszustände lassen sich die Werte einem Befinden zuordnen. Die Methode entwickelten der Berliner Professor Karl Hecht und Dr. Hans- Ullrich Balzer in den 1980er-Jahren und erprobten sie über Jahre im Humanund Tierbereich.
Das Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt Universität um Dr. Balzer ist heute federführend in der Tierforschung. Die Daten fürs CAVALLO-Experiment liefert das Messsystem "smardwatch" mit Sensoren, die die Menschen am Arm und die Pferde am Bauch tragen. Anhand eines minutiösen Protokolls lässt sich der Ablauf der Reitstunden exakt nachvollziehen. Die Auswertung erfolgt mittels chronobiologischer Datenanalyse am Computer.











Wie locker lösen sich Pferd und Reiter?
Pferde effektiv zu lösen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Das Experiment zeigt, wie leicht es schon beim Start hakt und wie erstaunlich Reiter sowie Reitlehrer reagieren.
Beim Pferd: Als das Pony den Reitplatz betritt, steigt sein muskuläre Aktivität, es fühlt sich wohl. Sein Verstand wird beim Lösen im Schritt und Trab nicht gefordert; das Gucken am Putzplatz war viel interessanter. Emotional reagiert es zunehmend stärker, erregte Phasen mehren sich. "Teils empfindet das Pony Freude, teils kommen nun sogenannte Übergangszustände wie Unsicherheit hinzu", sagt Kira Kultus. Womöglich liegt‘s daran, dass die Besitzerin ihr Pferd zu schnell an den Zügel reiten will, ohne ihm dafür jedoch klar verständliche Hilfen zu geben.
Das zweite Testpferd, der Friese, braucht laut seiner Reiterin viel Zeit zum Lösen; sie reitet das Pferd daher bereits eine halbe Stunde vorm Unterricht warm. Dies könnte zu lang oder zu anstrengend gewesen sein: Beim Schrittreiten zu Beginn der Reitstunde ist das Pferd nicht bei der Sache; emotional tendiert es von Freude zu wütender, aggressiver Stimmung. Beim ersten Trab ist der Friese muskulär sehr langsam reguliert und beansprucht. "Möglicherweise ist er vom Warmreiten schon geschafft", meint Kultus. Die Reiterin merkt, dass ihr Pferd eher träge als locker ist und legt mit Leichttraben sowie Traben im Balancesitz nach. Doch das Pferd entspannt sich nicht: Es reagiert immer unsicherer, ärgert sich teils sogar richtig.
Beim Reiter: Die Friesenreiterin fühlt sich beim Warmreiten überwiegend wohl – mit einer gewissen Erwartungsspannung. Geistig ist sie nicht beansprucht: Sie kennt ihre Lektionen. Die Ponyreiterin entspannt nach dem Aufsitzen immer mehr. Aufs Pferd färbt ihre innere Ruhe jedoch noch nicht ab. Geistig strengt die Lösungsphase die Reiterin viel stärker an als jede spätere Lektion. Sie konzentriert sich sehr intensiv darauf, ihr Pferd an den Zügel zu reiten.
Erstaunlich: Die muskuläre Aktivität steigt zu Beginn der Stunde nicht nur beim Pony und seiner Reiterin, sondern ebenso bei der Reitlehrerin. Dabei unterrichtet sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht, sondern beobachtet das Paar nur. Zwischen Trainer und Reiter spielen sich Reaktionen ab, die auch Kira Kultus verblüffen: "Ihre muskulären Reaktionen verlaufen nach einigen Minuten nahezu parallel; geistig konzentrieren sich beide gleichermaßen."

Wie reagieren Pferd und Reiter auf eine bekannte Lektion, die überraschend anders geritten wird?
Neue Ansätze sollen bekannte Lektionen aufpeppen, um Pferd und Reiter zu motivieren. Hakt es bei einer Übung, kann der Überraschungseffekt den Knoten platzen lassen. Doch so leicht kommt keine Freude auf.
Beim Pferd: Das Reitpony kennt Trabzirkel, tut sich unter seiner Reiterin jedoch mit Stellung und Biegung schwer. Die Reitlehrerin schlägt Zirkel in Außenstellung vor, um die Durchlässigkeit zu verbessern. Das Pony reagiert unsicher, regt sich aber nicht massiv darüber auf.
Das zweite Testpferd kann gut zur Seite weichen; neu ist für den Friesen, dass er dabei eine Dualgasse unterm Bauch hat. Beim ersten Anlauf tritt das Pferd mit den Vorderhufen auf die Gasse; es weiß scheinbar nicht genau, was es tun soll. Die Messwerte zeigen, dass das Tier verunsichert ist. Gleichzeitig schaltet es jedoch den Kopf ein: Zum ersten Mal im Lauf der Reitstunde ist es geistig aktiv, denkt also mit. Emotional ist der Friese erregt: Er freut sich zwar auch gelegentlich, doch überwiegend ärgert er sich. Die weiteren Anläufe gelingen besser. Ob dabei die Freude überwiegt, lässt sich aufgrund von Datenlücken nicht feststellen.
Beim Reiter: Die erfahrene Friesenreiterin ist überwiegend gelassen, tendiert aber zu einer gewissen emotionalen Blockade. "Das könnte auf eine innere Ablehnung hindeuten, die sie mit der Aufgabe verbindet; vielleicht sieht sie wenig Sinn darin", meint Kira Kultus. Die Ponyreiterin ist mit der Übung überfordert: Sie reagiert unsicher, ist geistig teils sogar blockiert.
Praxis-Tipp: Wer beim Training überraschende Wege einschlägt, braucht einen Routenplaner. Prüfen Sie, ob Sie und Ihr Pferd der Aufgabe schon gewachsen sind. Wenn die Basis nicht stimmt, führt ein neuer Weg auch nicht zum Ziel.










Wie reagieren Pferd und Reiter auf neue Lektionen?
Pferde lernen neue Lektionen am besten, wenn der Reiter sie möglichst stressfrei vermittelt. Eine echte Herausforderung!
Beim Pferd: Der Friese geht unter seiner Reiterin sicher einfache Wechsel. Mit den Fliegenden betritt das Pferd Neuland. Das ist aufregend und verunsichert es. "Emotional ist das Pferd sehr schnell reguliert, also erregt und beansprucht", sagt Kira Kultus.
Beim Reiter: Die erfahrene Reiterin ist ebenfalls unsicher. Sie wird passiv: In deaktivierter Stimmung macht man lieber nichts. Die Tipps der Reitlehrerin dringen nicht zu ihr durch, sie schaltet mental ab. Eine Beziehung wie zwischen Ponyreiterin und Trainerin entwickelt sich nicht: Es gibt kaum parallele Reaktionsmuster.
Praxis-Tipp: Wagen Sie sich erst an neue Lektionen, wenn die Basis beim Pferd sicher sitzt und Sie selbst die Hilfen beherrschen.
Starten Sie neue Aufgaben nicht zum Ende der Reitstunde, wenn das Pferd und Sie womöglich schon müde sind. Lernen kostet Kraft; fehlt diese, kann die Stimmung umschlagen. Planen Sie vor und nach neuen Lektionen Pausen ein.

Wie reagiert das Pferd, wenn der Reiter eher unsicher oder erfahren ist?
Das Experiment bestätigt: Ist der Reiter unsicher, überträgt er dies aufs Pferd. Es zeigen sich außerdem verblüffende Reaktionen bei Pferd, Reiter und Trainer.
Beim Pferd: Das Pony kennt Trabzirkel. Selbst die eher unsicheren Versuche der Reiterin, es in Anlehnung zu reiten, belasten es emotional nicht. "Seine kognitive Aktivität lässt nach", sagt Kultus. "Dies könnte so zu interpretieren sein, dass ihm nichts Neues oder Anspruchvolles abverlangt wird." Beim Versuch, das Pony in Außenstellung zu traben, steigt die Unsicherheit beim Pferd parallel zu der der Reiterin. Die Messung spiegelt, was man beim Zuschauen sieht: Das Pony wehrt sich, nimmt den Kopf hoch, drückt den Rücken weg.
Klare Signale entspannen: Unter der Reitlehrerin relaxt das Tier muskulär. "Es zeigt gleich viele schnelle und langsame Regulationsperioden, was auf einen gesunden Wechsel zwischen An- und Entspannung hinweist", erklärt Kultus. Mit der Trainerin im Sattel ist es geistig gefordert, scheint sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Emotional ist das Pferd zunächst stärker erregt: Es ist unsicher, mit einer Tendenz zu Ärger. Ob dies daran liegt, dass die Reiterin in diesemMoment ähnliche Gefühle empfindet oder das Tier nur nicht gewohnt ist, dass etwas von ihm verlangt wird, lässt sich nicht sagen. Während des Ritts entspannt es sich jedoch emotional recht schnell.
Wie sensibel Pferde auf vermeintlich unbedeutende Dinge reagieren, zeigt ein erstaunliches Messergebnis: "Der Reiterwechsel beansprucht das Pony muskulär am stärksten während der gesamten Reitstunde", stellt Kira Kultus fest. Die Wissenschaftlerin deutet dies als Erwartungsspannung. Verblüffend reagieren auch die Reiter: "Während die Besitzerin der Trainerin beim Reiten zuschaut, zeigen sich sehr deutlich Phasen paralleler emotionaler Erregung und Entspannung zwischen Reitlehrerin und Reiterin, die man eventuell als Mitfühlen bezeichnen kann", sagt Kultus. Weil es sich um die erste Messung dieser Art handele, müsse man das Ergebnis jedoch "mit gewissen Vorbehalten" betrachten.
Praxis-Tipp: Je besser Sie reiten, desto besser ist die Stimmung. Je verständlicher Sie Hilfen geben, je gelassener Sie im Sattel sitzen, desto wohler fühlt sich Ihr Pferd. Viele Tipps dafür bekommen Sie jeden Monat in CAVALLO. Wer noch unsicher ist, sollte sein Pferd zwischendurch von einem guten und gut gelaunten Reiter trainieren lassen. Schauen Sie dabei zu: Das kann Ihre Stimmung heben.










Wie reagieren Pferde auf eine gelungene Lektion?
Erfolge streicheln das menschliche Gemüt und sorgen für gute Laune. Doch verbessern sie auch die Stimmung des Pferds?
Beim Pferd: Das Pferd weiß nicht, ob eine Lektion gelungen ist oder nicht. Es reagiert zunächst nur auf die Übung selbst. Galoppzirkel im leichten Sitz, mit denen die Reiterin zufrieden ist, heben beim Pony nicht die Stimmung. "Während des Galopps tritt bei dem Pferd muskulär komplette Deaktivierung ein, was auf Überanstrengung beziehungsweise Erschöpfung hinweist", sagt Kira Kultus. Auch geistig und emotional ist es bei den Galoppzirkeln wenig aktiv; womöglich, weil es die Übung kennt und seinen Job macht. "Es kann sich aber auch um einen Hinweis auf generelle Erschöpfung handeln", meint Kultus. Vielleicht ist es durch die gerade erst beendete, eher anstrengende Arbeit unter der Reitlehrerin geschafft. Das Tief hält sich aber nicht lange: Im weiteren Verlauf der Reitstunde folgt das Pony der Reiterin immer stärker in deren nun deutlich entspanntere Stimmung.
Beim Reiter: Die Ponyreiterin kennt das Galoppieren im leichten Sitz; es strengt sie weder körperlich noch geistig sonderlich an. Emotional reagiert sie jedoch sehr erregt, was Kultus als starke Freude interpretiert.
Praxis-Tipp: Nach einer schwierigeren Übung braucht Ihr Pferd körperlich wie mental eine Pause. Nur dann kann es Spaß an der nächsten Lektion finden – und sich von Ihrer guten Laune anstecken zu lassen.

Wie reagieren Pferd und Reiter auf einen kleinen Sprung?
Kleine Hüpfer gelten beim Pferdetraining als kräftiger Motivationsschub. Funktioniert das selbst mit einem unsicheren Reiter?
Beim Pferd: Das Pony ist laut seiner Besitzerin schon öfter gesprungen. Es hat heute offensichtlich Spaß daran, die Stangen im Trab oder Galopp zu nehmen. Den Eindruck beim Zuschauen bestätigt die Messung. "Bei der Cavalettiarbeit treten bei dem Pferd keine negativen Gemütszustände auf, die auf Überlastung hinweisen", stellt Kira Kultus fest. Es ist der Aufgabe gewachsen. Emotional ist das Tier aktiviert: Es freut sich.
Beim Reiter: Die Reiterin traut sich das Cavaletti zu, stuft sich beim Springen aber selbst als eher unerfahren ein. Das spiegelt die Messung: Sie ist geistig beansprucht und emotional unsicher. Nachdem sie die Hürde gemeistert hat, braucht man zur Stimmungsanalyse keine Sensoren. Man muss sich nur ihr freudestrahlendes Gesicht anschauen.
Praxis-Tipp: Bauen Sie in Ihre Dressurarbeit immer mal wieder ein paar lockere Sprünge ein. Lassen Sie Ihr Pferd zwischendurch auch freispringen.










Wie reagieren Pferde aufs Loben?
Wer für seine Leistung gelobt wird, freut sich. Das weiß jeder Mensch aus eigener Erfahrung. Doch empfinden Pferde genauso?
Beim Pferd: Nach den gelungenen Sprüngen am Schluss der Stunde soll die Reiterin ihr Pony loben – vom kurzen Tätscheln über stärkeres Streicheln bis hin zum übertriebenen Klopfen auf den Hals. Tatsächlich klopft sie längst nicht so heftig, wie dies bei manchen Reitern zu beobachten ist. Ihr "übertriebenes" Lob ist ein intensives, aber eher sanftes Tätscheln. "Die Messwerte sprechen für eine überwiegend emotionale Reaktion beim intensiven Loben", sagt Kira Kultus. Das Pony scheint sich zu freuen. "Da das Loben nur 20 Sekunden dauerte, lässt sich nur ein Regulationszustand im muskulären, kognitiven und emotionalen Bereich ermitteln. Es ist daher nicht sicher, ob dies fürs Loben repräsentativ ist", schränkt die Forscherin ein. Auffällig ist, dass ein kurzes Tätscheln sich nicht auf die Regulationsgeschwindigkeit des Pferds und damit aufs Befinden auswirkt.
Praxis-Tipp: Loben Sie Ihr Pferd bewusst länger. Streicheln Sie es intensiv, ohne auf seinem Hals herumzuklopfen.

Resumee des Experiments
"Das Pferd stellt sich tatsächlich auf den Reiter ein, nicht umgekehrt", sagt Dr. Kira Kultus. Das Pony-Reiter-Paar harmoniert besser als der Friese und seine Reiterin, obschon die Beziehung geprägt ist von Unsicherheit. Die unerfahrene Ponyreiterin ist oft zaghaft und kann sich dem Pferd nicht verständlich machen, wodurch dieses unsicher wird. Beziehungen zwischen Reiter und Reitlehrer zeichnen sich ab, müssten aber intensiver erforscht werden.
Der Blick ins Innere von Pferd und Mensch bestätigt: Der Reiter hat es in der Hand, ob sich das Pferd wohl fühlt, freudig mitarbeitet und nicht nur seinen Job macht. Reiten Sie fein, wecken Sie das Interesse des Pferds mit abwechslungsreichem Training, und bringen Sie sich selbst in gute Stimmung.









