"Neustart mit Happyend"
"Einmal kam eine Pferdebesitzerin zu einem Praxiskurs. Ihr Wallach würde gezielt treten. Tat er das, wurde er zur Strafe geschlagen. Ich habe versucht, das Pferd auf Abstand zu mir zu führen. Als ich ein paar Tritte antraben wollte, drehte er plötzlich seinen Hintern zu mir und schlug aus. Hätte ich mich nicht so schnell kleingemacht, wäre es das mit mir gewesen. Ich habe sogar seinen Huf an meinem Kopf streifen gespürt. Ich habe am ganzen Leib gezittert, aber ruhig weitergearbeitet. Mir war klar: Strafen funktionieren bei ihm nicht. Ich muss ihm zeigen, dass von mir keine Gefahr ausgeht, sondern etwas Positives.
Meine Idee war dann, ihn komplett neu zu starten und nur noch zu clickern. In der zweiten Kurssitzung haben wir ihn auf ein Markergeräusch, einen Zungenklick, konditioniert. Immer wenn er ein Handtarget berührte, bekam er einen Click und eine Belohnung. Schließlich habe ich führen und antraben wiederholt – sein Verhalten hat sich komplett verändert! Ich konnte den Rest des Kurses gut mit ihm arbeiten. Als es für ihn nach Hause ging, haben wir ihn eine Stunde lang den Hänger hochgeclickert. Beim Hinweg war das Einsteigen noch ein Drama gewesen. Die Besitzerin ist dann mit ihm auf diesem Weg geblieben, und es war für das Pferd ein echtes Happyend. Kandidaten wie dieser Wallach gehören in Profihände – leider arbeiten aber nur wenige ohne Gewalt mit ihnen.
Auch ein knliffliger "Problemfall" war die charakterstarke Westfalen-Stute Fanta, eine Weltruf-Tochter. Bevor ich sie übernahm, rief mich eine Bekannte der Vorbesitzerin weinend an und sagte: "Nehmen Sie die Stute, oder eine von beiden ist tot." Fanta biss so heftig, dass sie bereits einer Frau die Hand gebrochen hatte.
Ich habe mit der Stute dann über ein sognanntes Initiator-Signal gearbeitet. Dabei bittet man das Pferd für jeden weiteren Schritt um ein Einverständnis. Bei Fanta habe ich das zum Beispiel beim Satteln genutzt, wo sie extrem schnappte. Eine Matte an der Wand diente als Target. Berührte sie die Matte, bekam die Stute einen Click und Keks und ich näherte mich mit dem Sattel ein Stück. Wenn sie die Matte nicht berührte, kam ich nicht näher, aber es gab auch keine Belohnung.
Die Stute hat das sehr schnell verstanden und ich durfte nach und nach immer näher kommen. Am Ende konnte ich sie satteln, ohne dass sie die Ohren anlegte. Vorher hatte sie schon in den Anbindebalken gebissen, wenn sie den Sattel nur sah."

Pferdetrainerin Babette Teschen setzt bei aggressivem Verhalten auf Clickern und Initiator-Signal.
"Durch die Belohnung verstand er, was ich wollte"
"Meinen jetzt 21-jährigen Spanier-Wallach El Viento kaufte ich siebenjährig. Seine Vorbesitzerin hatte ihn direkt aus Spanien gekauft und beim Ausreiten Probleme. Das schreckte mich nicht, ich hatte schon öfter schwierige Pferde gehabt und traute mir das zu. Doch mit Viento kam ich nicht mal zum Putzplatz. Er riss sich los. Mit Kappzaum, Gerte und einer zweiten Führperson ging es dann – bis er auf die Idee kam, dass er mir ja auch richtig feste in den Arm beißen könnte.
Ich habe mir die Hilfe bei einer namhaften Horsemanship-Trainerin gesucht. Das Training hatte zwar Erfolg, jedoch nicht nachhaltig. Immer wieder kam es zu sehr viel Gewalt. Als die Trainerin mein Pferd letztlich mit dem Griff des Sticks schlug, da er auf vorherige Drohungen mit Gegenwehr reagierte, wusste ich, dass ich das so nicht mehr wollte.
Ich dachte mir: Es kann doch nicht sein, dass ich meinem Pferd ständig Schläge androhen muss. So kam ich schließlich zur positiven Verstärkung. Das hat den Fokus völlig verändert, vom unerwünschten auf das erwünschte Verhalten. Und es hat mich gezwungen erstmal da anzufangen, wo wir wirklich standen.

Als erstes brachte ich ihm nur bei, entspannt zu stehen – eine Armlänge von mir entfernt am Strick. Durch die Belohnung verstand er, was ich von ihm wollte. Erst danach konnten wir beginnen, ein paar Schritte gemeinsam zu gehen – hatte ich ihn dabei nicht sofort in der Jacke, gab es Click und Leckerli. Aufdringlich war er schon, wenn es ums Futter ging, aber das war er ja sowieso. Da ich auch an mir arbeitete und konsequent blieb, lernte er schnell, wann es Futter gibt und wann nicht.
Das Clickertraining hat ihm die Chance gegeben, Erfolge zu haben. Was genau vorher das Problem war, kann ich nicht sagen. Vielleicht Unsicherheit? Jedenfalls steht El Viento gerne im Mittelpunkt und braucht viel Aufmerksamkeit. Die bekommt er heute auch – aber positive!"

Jana Ebinger wollte ihrem Pferd nicht mehr drohen und stiegt um auf positive Verstärkung. Heute ist sie Clicker-Trainerin.
"Heri war gar nicht richtig da. Durch Clickern blühte er auf"
"Ich hatte mal eine junge Stute von Kunden, die sehr beeindruckend war. Erst zwei Jahre alt, aber schon über 1,70 Meter groß. Zum Hufe machen musste sie immer sediert werden, weil sie nicht stillstand und herumhampelte.

Das Pferd hatte verinnerlicht, dass Wehrhaftigkeit sich lohnt. Das Problem war wohl, dass die Besitzer keine Ahnung von Lerntheorie hatten. Wenn das Pferd sich aufregte, hörte die unangenehme Situation jedes Mal auf. Mit dem Clickertraining konnte ich der Stute beibringen, dass sich auch stillstehen auszahlt. Nach vier Trainingseinheiten konnte ich die Vorderhufe zum Feilen aufnehmen und sie stand still.

Ganz anders ist das Problem bei Pferden gelagert, die regelrecht einfrieren, kaum mehr auf ihre Umwelt reagieren und nicht mit dem Menschen in Kontakt treten. Oft sind das Tiere, die innerlich gebrochen sind und völlig abgeschaltet haben. Das kann zum Beispiel passieren, wenn Pferde oft harte, ungerechte Behandlung erlebt haben. Aber auch gesundheitliche Leidensgeschichten können dahinterstecken.

Isländer Heri hatte sein ganzes junges Leben auf drei Beinen berbracht. Schon als Saugfohlen verletzte er sich schwer und musste dann eineinhalb Jahre lang viele Behandlungen über sich ergehen lassen. Er hat alles ohne mucken mitgemacht, aber war gar nicht richtig da, nicht präsent. Ich musste ihn erstmal dazu bringen, überhaupt ein Target anzustupsen. Langsam fing er durch die positive Verstärkung an mitzudenken, ist richtig aufgeblüht. Auch körperlich hat er sich durch das Training mit dem Clicker wahnsinnig gut entwickelt. Aus dem in sich gekehrten Schwächling wurde so ein ganz normales, lebensfrohes Jungpferd."


Trainerin Nina Steigerwald macht nicht nur bei innerlich gebrochenen Pferden mit positiver Verstärkung gute Erfahrungen.
Ist Training mit Futterlob und Clicker wirklich das richtige für schwierige Pferde? Ja – gerade bei ernsten Problemen gibt es gute Gründe dafür:
- Der Fokus verschiebt sich vom Problemverhalten auf das Gewünschte. Oft versteht das Pferd durchs Clickern erst, was der Mensch von ihm möchte.
- Kleinste Lernfortschritte lassen sich gezielt belohnen. So haben auch schwierige Pferde schnell einen Lernerfolg und sind motiviert mitzuarbeiten.
- Der Mensch arbeitet automatisch auch an der eigenen Klarheit. Wer Clickern will, muss ein genaues Ziel vor Augen haben und beim Futterlob konsequent sein. So können auch gierige Pferde lernen, dass sich Aufdringlichkeit nicht lohnt.
- Futterlob schafft eine positive Erfahrung im Umgang mit dem Menschen. Das hilft sowohl verängstigten als auch "sauren" Pferden.
- Durch die Arbeit mit dem Initiator-Signal bekommt das Pferd Mitspracherecht beim Trainingstempo. Das kann aggressives Verhalten und Angst verhindern.
- Clickertraining ist mit gefährlichen Pferden auch im sogenannten "Protected Contact" (geschützter Kontakt) möglich. Der Mensch kann sich zum Beispiel außerhalb von Box oder Paddock befinden und das Pferd dennoch auf Kopfsenken, ruhiges Stehen etc. konditionieren.
- Erlernte Fehlkonditionierungen ("wenn ich mich wehre, hört es auf") lassen sich durch positive Verstärkung regelrecht überschreiben. Durch das Futterlob lohnt sich die Mitarbeit.
- Positive Verstärkung kann eine echte Verhaltensänderung hin zum Gewünschten bewirken. Bei Strafen lernt das Pferd teils nur, diese zu umgehen – etwa indem es nach dem Zwicken den Kopf hochreißt.