Checkliste: Jungpferde ausbilden
Wie Reiter ein Jungpferd selbst ausbilden

Trauen Sie es sich zu, ein junges Pferd selbst auszubilden? Machen Sie den Check!

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Foto: Lisa Rädlein

Taugt mein Stall für Jungpferde?

Die Infrastruktur muss gerade zum Anreiten perfekt passen. Dieser Punkt wird von vielen Reitern unterschätzt. Ruhe, eine entspannte Atmosphäre, eine geschlossene oder eingezäunte Bahn und ein Helfer mit Pferdeerfahrung machen die Ausbildung wesentlich leichter. Ein ständig überfüllter Platz, wo man sich nicht hundertprozentig auf das Jungpferd konzentrieren kann, ist eher ungeeignet.

Zudem ist es wichtig, dass die anderen Hallen- oder Platzbenutzer bereit sind, auf das Jungpferd Rücksicht zu nehmen.

Unsere Highlights

Stimmen in Ihrem Stall folgende Faktoren, können sie es selbst schaffen:
– sicherer Anbindeplatz
– stabil eingezäunter Reitplatz, besser noch Halle, damit das Training bei jedem Wetter möglich ist
– Helfer mit Erfahrung
– zweckmäßige Ausrüstung
– risikoarmes Gelände in direkter Hofnähe
– zuverlässiges Begleitpferd
– es gibt ruhige Zeiten auf dem Hof
– entspannte, freundliche Stimmung auf dem Hof
– Bereitschaft der Stallkollegen, auf Jungpferde Rücksicht zu nehmen
– Regelmäßiger Freilauf/Weidegang in Gesellschaft sind garantiert

Reichen mein Können und meine Erfahrung?

Reiten können und Pferde trainieren sind zweierlei Dinge. Wer schon viele verschiedene Pferde auf unterschiedlichem Leistungsniveau geritten hat, regelmäßig Reitunterricht nimmt und sich ständig mit einem Trainer austauscht, bringt gute Voraussetzungen mit.

Wer dazu mehrmals wöchentlich auf dem Platz und im Gelände reitet, ist geeigneter, ein Pferd auszubilden, als jemand, der nur am Wochenende auf dem eigenen, erfahrenen Pony ausreiten geht oder im normalen Reitunterricht Schulpferde reitet.

Mit diesem Können und Wissen können Sie es selbst schaffen:
– Reiten auf fortgeschrittenem Niveau
– intensives Reiten praktiziert
– Erfahrung im Umgang und Reiten von verschiedenen Pferden unterschiedlicher Ausbildungslevel
– praktisches und theoretisches Wissen
– sattelfest
– Longier- und Bodenarbeits-Kenntnisse
– Grundlagen im Horsemanship und der Pferdeerziehung
– viele Jahre Reitunterricht und Training mit einem Trainer
– seit mindestens fünf Jahren ein eigenes Pferd
– allein reiten und in der Gruppe
– reiten in Gelände und Bahn
– Erfahrung mit Jungpferden
– Weitgehend angstfrei im Sattel und im Umgang

Welcher Typ ist mein Pferd?

Jedes Pferd ist anders. Das muss man eigentlich nicht extra sagen. Jeder der schon länger mit Pferden zu tun hat, weiß das.

Wichtig ist, dass Sie wissen, mit welchem Typ Pferd Sie es bei Ihrem Tier zu tun haben. Ist es in der Herde eher extrovertiert und geht neugierig auf alles zu? Ist es eher introvertiert und vorsichtig? Und im Umgang mit dem Menschen: Ist es eher menschenbezogen oder verhält es sich distanziert? Zu den angeborenen Verhaltensweisen kommen die Erfahrungen, die das Pferd bereits gesammelt hat – man spricht vom erlernten Verhalten. Bestenfalls ist das Pferd in einer Herde aufgewachsen, verfügt dadurch über ein gesundes Sozialverhalten und spricht die Sprache der Artgenossen. Es zeigt Respekt vor dem Menschen und ist gut erzogen.

Verdorbene Pferde, die bereits mehrere Einreitversuche hinter sich haben oder Pferde mit traumatischen Erlebnissen, gehören auf jeden Fall in die Hände eines Profis!

Mit diesen Eigenschaften kann ein Pferd auch von einem guten Amateur ausgebildet werden:
– prinzipiell gutes Nervenkostüm
– gesund
– artgerecht aufgewachsen
– kennt und vertraut Menschen grundlegend
– guter Futterzustand, weder wesentlich zu dick noch zu dünn
– artgerecht gehalten
– Gut erzogen (halfterführig, gibt Hufe, respektiert Menschen als ranghöher)
– Keine negativen Vorerfahrungen oder Traumata

Was bin ich für ein Typ?

Nicht nur der Pferdecharakter ist entscheidend, ob Sie Ihr Pferd selbst ausbilden können. Denn Pferde auszubilden setzt auch voraus, dass der Reiter an sich selbst arbeitet. Er muss jederzeit bereit sein, sich selbst zu reflektieren und zu lernen.

Jetzt mal unter uns und ganz ehrlich: Geht mit Ihnen auch mal schnell das Temperament durch? Oder begegnen Sie Krisen ruhig und gelassen? Nehmen Sie sie vielleicht sogar als Chance und Herausforderung? Haben Sie genug Zeit, um ein Jungpferd jeden Tag zu beschäftigen? Und die wichtigste Frage: Sind Sie konsequent? Können Sie ein Pferd als Pferd behandeln, ohne es zu vermenschlichen? Sind Sie für Ihr Pferd ein souveräner Anführer?

Falls es Ihnen schwer fällt, sich selbst einzuschätzen, lassen Sie sich von Freunden oder der Familie helfen.

Wenn Sie die folgenden Eigenschaften besitzen, können Sie sich an die Grundausbildung Ihres Pferds wagen:
– belastbar
– geduldig
– konsequent
– diszipliniert
– körperlich fit
– genügend Freizeit
– selbstbeherrscht
– gutes Einschätzungsvermögen
– fair
– bereit, an sich selbst zu arbeiten
– reflektiert

Praxis-Guide

Konnten Sie die meisten Punkte in den Checks abhaken? Dann stimmt die Basis, um Ihr Jungpferd selbst anzureiten. Mit den folgenden Tipps kann kaum noch etwas schief gehen.

Bevor Sie loslegen, ist es ganz wichtig, dass Sie Ihre Ausbildungsziele konkret festlegen. Diese sollten sich an den Bedürfnissen und den Talenten des Pferds orientieren und das Können des Reiters weit unterschreiten.

Stecken Sie sich klare, logische Ziele: Die Ausbildung von Jungpferden erfolgt immer systematisch. Kein Dressurreiter wird eine Piaffe als erstes Ziel setzen und kein Reiningreiter den Spin, denn diese Lektionen sind die Krönung und erfordern jahrelanges Training. Ausbilder sind dafür verantwortlich, die Ausbildung so zu gestalten, dass Pferde verstehen und umsetzen können, was der Mensch sich von ihnen wünscht. Die Trainings-Ziele müssen deshalb logisch aufeinander aufgebaut sein. Sie sind jedoch nicht in Stein gemeißelt, sondern können jederzeit neu definiert werden.

In diesen Schritten sollen Jungpferde lernen: Vertrauen und Respekt, Gehorsam, Bodenarbeit wie Longieren und Doppellonge, Anreiten, Reiten in den Grundgangarten, Gewöhnung ans Gelände, Reiten allein und in der Gruppe, Kondition aufbauen, Gymnastizierung.

Sorgen Sie für Zeit und Ruhe: Das Training findet regelmäßig und mehrmals wöchentlich statt – am besten außerhalb von Fütterungszeiten und hektischer Betriebsamkeit und vor allem ohne Zeitdruck. Aber auf jeden Fall mit einem konkreten Plan für die Trainingsstunde.

Ein Ausbildungsschritt nach dem anderen: Besonders wichtig ist, dass Sie einen neuen Ausbildungsschritt erst dann in Angriff nehmen, wenn der vorherige sitzt und sicher abrufbar ist. Die Dauer der einzelnen Ausbildungsschritte hängen vom Pferd ab – seine Reaktionen bestimmen das Maß von Arbeit und Fortschritt.

Immer positiv und freundlich bleiben: Loben Sie viel, bestehen Sie aber auf Gehorsam. Schließen Sie jede Trainingseinheit mit einem positiven Erlebnis ab.

Lassen Sie sich auf kein Kräftemessen ein, zeigen Ihrem Youngster aber auch mal Grenzen auf! Korrigiert wird unmittelbar nach einem Fehlverhalten. "Ungehorsam" ist kein Dickkopf, sondern meist ein Missverständnis.

"Gestraft", beziehungsweise pferdisch korrigiert, wird nur bei Respektlosigkeiten: sofort, nicht emotional und nicht im Zorn. Bestrafen Sie nie ungerecht, und brechen Sie lieber ein Training ab, bevor Sie unfair werden. Kommt es öfter vor, dass Sie das Training abbrechen müssen – aus welchen Gründen auch immer – sollten Sie umgehend professionelle Hilfe suchen!

Profi-Check

Konnten Sie nicht alle Punkte in Check 1, 2, 3 und 4 abhaken? Dann sollten Sie Ihr Jungpferd besser einem Könner anvertrauen.

Wenn Sie Ihren Jungspund nicht selbst ausbilden können, ist das kein Problem. Denn es gibt viele gute Profis, die Pferde zur Grundausbildung nehmen und Sie in den Ausbildungsprozess mit einbeziehen. Doch wie finden Sie heraus, ob ein Ausbilder gute Arbeit leistet und Sie ihm Ihr Pferd guten Gewissens anvertrauen können? Hier sind ein paar Anhaltspunkte:

Treffen folgende Kriterien zu, können Sie einem Trainer vermutlich vertrauen:
– nimmt sich Zeit für erste Gespräche
– schätzt das Lerntempo erst ein, wenn er das Pferd kennt
– fördert das Pferd entsprechend seiner körperlichen und mentalen Voraussetzungen
– zeigt gerne seinen Stall
– bindet den Pferdebesitzer mit ein
– bietet artgerechte Haltung
– hat gute Referenzen
– seine eigenen Pferde wirken cool und zufrieden
– seine Pferde sind reell ausgebildet
– bietet viel Weidegang

Wenn die folgenden Dinge auf einen Trainer zutreffen, sollten Sie vorsichtig sein:
– hat wenig Zeit für Gespräche mit dem Pferdebesitzer
– mag es nicht, wenn man ihm zuschaut
– verspricht unrealistische Ziele in zu kurzer Zeit
– Ausbildungswege nach Schema F
– Pferdebesitzer darf in der Zeit nicht kommen
– man hört nichts Gutes
– in seinem Stall wirken die Pferde gestresst
– bietet keinen Weidegang

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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