Wie fit sind Wiedereinsteiger noch für den Sattel? Das hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Interessant für alle Reiterinnen und Reiter über 30: Der Fitnesstest für ReiterInnen Ü30 des Pferdesportverbands Westfalen.
Ganz so einfach wie mit dem Radfahren ist es nämlich nicht. Richtig ist, dass der Körper einmal gelernte Bewegungsmuster rasch wieder abrufen kann – vorausgesetzt er hat diese in der ersten Lernphase durch genügend Training, sprich viele Wiederholungen tief im Gehirn und muskulären Gedächtnis abgespeichert. Doch was ist das muskuläre Gedächtnis eigentlich und wie funktioniert dieses Minihirn der Muskelfasern?
Gute Balance macht Reiten müheloser
Forscher um Robert Seaborne von der Keele Universität in Großbritannien haben bei der Untersuchung von Gewebeproben entdeckt, dass Training die Aktivität von Genen verändert. Bei einer Pause bleiben jene Bereiche des Zellkerns, die für neues Wachstum zuständig sind, aktiver. In der Folge wachsen Muskelfasern bei erneutem Training schneller. Jedoch garantiert mehr Kraft nicht unbedingt eine geschmeidigere Bewegungskoordination. Beim Leichttraben etwa gerät man nur ins Schwitzen, wenn der Körper Kraft aufwenden muss, um die Balance zu halten. Gelingt ihm das, funktioniert es beinahe so mühelos wie Schrittreiten.
Mühelos? Davon merkt CAVALLO-Redakteurin Kristina Hofer, die nach mehrjähriger Baby-Reitpause ihr Schulpony alles andere als schnurgerade über Stangen steuert, erschreckend wenig. "Typisch für eine erworbene Verspannung", erklärt Schuon. Mütter etwa, die den Maxi-Cosi am Arm oder ein Kleinkind auf der Hüfte tragen, können sich – wie andere Menschen mit einseitigen alltäglichen Bewegungsabläufen – Asymmetrien antrainieren. Oft sitzt man dadurch schief und gibt ebensolche Hilfen.
Wiedereinsteiger können rasch an alte Kenntnisse anknüpfen
Im Gegensatz zu Neueinsteigern haben Wiedereinsteiger aber ein Ass im Ärmel: Sie können rasch an alte Kenntnisse anknüpfen. "Das kann gut und schlecht sein", meint Bewegungstrainerin Sibylle Wiemer aus Fintel. Ihre Erfahrung bringt sie auf folgende Formel: Je unabhängiger der Sitz und je feiner die Hilfengebung im ersten Abschnitt der Reiterkarriere erlernt wurden, desto besser gelingt der Wiedereinstieg.
Trotz individueller Unterschiede bei Wiedereinsteigern kämpfen etwa 60 Prozent aller mit mangelnder Beweglichkeit (und holprigen Hilfen). Die anderen hält der eigene Kopf auf Trab: Ängste, Sorgen, Alltagsstress fesseln durch negative Gedankenspiralen und steuern diverse Muskelgruppen. Das wirkt sich schlecht auf die Haltung aus und macht gutes Reiten schwierig.
Muskeln bauen sich ab dem 30. Lebensjahr langsam ab
Fingerspitzengefühl beim Unterricht und effektives Sitztraining sind für diese Gruppe deshalb besonders wichtig. Aber wo setzt man an? Zum Beispiel beim Körper. Vorausgesetzt man steuert nicht aktiv gegen, bauen sich Muskeln etwa ab dem 30. Lebensjahr langsam ab. Auch die Elastizität von Knorpeln wie Bändern lässt nach.
Nun ist Freizeitreiten zwar kein Hochleistungssport wie Hürdenlaufen und auch nicht vergleichbar mit Ballett, dennoch fordert es ein hohes Maß an Beweglichkeit und feiner Koordination bestimmter Muskelgruppen. Für eine erste Selbsteinschätzung bietet der Pferdesportverband Westfalen in Münster einen Fitnesstest für Reiter Ü30.
Rumpfstabilität und Beckenbeweglichkeit für Wiedereinsteiger
Imke Schuon rät zur Verbesserung von Rumpfstabilität und Beckenbeweglichkeit zur bewährten Rückenschule und dem Klassiker Peziball. Im Sitzen (wie auf dem Stuhl) abwechselnd ein angewinkeltes Bein, später beide vom Boden anheben und die Bewegung des Balls mit dem Becken wieder einfangen. Dabei soll der Schultergürtel unabhängig vom Becken ruhig gehalten werden. Die Übung ist so simpel wie effektiv und lohnt sich selbstredend auch für fitte Reiter. Wer wie diese viele Bewegungsmuster gelernt hat, kommt im Sattel grundsätzlich schnell wieder zurecht, beobachtet die angehende Pferdewirtschaftsmeisterin Conny Kratzer vom Gut Kastensee nahe München. Auch als Späteinsteiger.
Sie wollen mehr zum Thema Wiedereinstieg ins Reiten wissen? Dieser Text ist eine Leseprobe aus unserem Dossier "Kann ich überhaupt noch reiten?" in CAVALLO-Ausgabe 01/2024 – jetzt am Kiosk oder im Shop.