4 Übungen zum Rückwärtsrichten

4 Übungen zum Rückwärtsrichten
Das bringt Rückwärtsrichten dem Pferd

Zuletzt aktualisiert am 08.10.2018
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Foto: Lisa Rädlein

Wir haben 4 Experten nach ihren Tipps zum Rückwärtsrichten gefragt. Sie erkläre, welche Übungen sie machen, was es bringt und was Sie als Reiter beachten müssen.

Rückwärtsrichten mobilisiert den Rücken

Ich nutze Rückwärts zur Mobilisierung. Die Bewegung hilft Pferden mit langen, schlecht bemuskelten Rücken, ihren Rücken mehr aufzuwölben. Bei solchen Pferden wende ich die Übung beinahe therapeutisch an und richte sie teils sogar eine oder zwei Pferdelängen rückwärts – zunächst aber nur an der Hand.

Elastizität herstellen: Beim Rückwärtsrichten sollte das Pferd ein Absenken der Kruppe und Aufwölben der Lendenwirbelsäule zeigen. Die Elastizität des lumbosakralen Übergangs, also des Übergangs zwischen Lendenwirbelsäule und Kreuzbein, wird so gefördert. Zusammen mit der Hankenbeugung ermöglicht die Flexibilität in diesem Gelenk die Versammlung.

Abwehr erkennen: Die Übung kräftigt nur, wenn das Pferd dabei sauber diagonal zurücktritt und über den Rücken geht. Daher ist sie nur etwas für geübte Reiter, die einschätzen können, wie sich ihr Pferd bewegt und wann es auf diese Anstrengung vielleicht mit Abwehrsignalen reagiert und sich zu entziehen beginnt. Von der Anstrengung zur Abwehr ist es nur ein schmaler Grat. Man muss das erkennen und rechtzeitig aufhören.

Typgerecht Rückwärtsrichten:
• Typen, die bereits im Schritt und Halten dazu neigen, sich zu verkriechen, richte ich nur wenige Tritte und seltener rückwärts.
• Bei schwerfälligeren Pferden, die wie früher meine Friesenstute dazu neigen, durch die Hand zu laufen, hilft Rückwärts, um sie von der Vorhand wieder mehr auf die Hinterhand zu setzen und besser an die Hilfen zu stellen.
• Bei hoch ausgebildeten Pferden reicht mitunter ein angedachter Rückwärts-Tritt, um einen Grad mehr an Versammlung zu erreichen.

Die Expertin: Claudia Butry bildet nach klassischer Reitkunst aus und ist Bewegungstrainerin nach Meyners. www.neuesreiten.de

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Rückwärtsrichten schult feinste Kommunikation

In einer Hand halte ich dazu eine Gerte, während mir das Pferd im Idealfall frei gegenüber auf dem Platz steht. Die Impulse mit der Gerte lassen sich präziser steuern und vor allem schneller stoppen; ein Seil schlackert unter Umständen nach, was dazu führt, dass manche Pferde den Kopf hochreißen.

Rückwärts denken: Bevor ich überhaupt mit Impulsen beginne, übe ich Rückwärts im Denken: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Pferde mit wenig Körpersprache sehr leicht zurückgehen.
• Dazu stelle ich mich mit beiden Beinen fest und aufrecht auf den Boden. Ich hebe mein Brustbein und versuche eine klare Präsenz zu zeigen, ohne einschüchternd oder drohend rüberzukommen.
• Wichtig ist, Körperspannung zu haben, aber dennoch nicht steif zu sein – die Energie soll noch fließen.
• Ich suche Blickkontakt mit dem Pferd und stelle mir ganz konkret vor, dass das Pferd zurückgeht.
• Tut sich nichts, bewege ich minimal die Gerten am Boden. Das kann ein kleines Streichen oder Klopfen sein.
• Schon die Tendenz nach hinten wird belohnt, bis das Pferd versteht, was ich will und wirklich zurücktritt.

Hindernisse fürs Geschick: Rückwärts im Slalom um zwei oder drei Hütchen zur reiten, fördert die Konzentration und die Geschicklichkeit. Weil es für das Pferd ziemlich anstrengend ist, bitte mit viel Überlegung und Gefühl probieren. Nicht öfter als ein oder zwei Mal hintereinander üben und auch eine Stehpause einbauen.

Bergauf fürs Selbstbewusstsein: Genauso wie ich um Hindernisse rückwärtsreite, schalte ich auch im Gelände mal in den Rückwärtsgang. An der Hand oder unter dem Sattel ein paar Tritte rückwärts den Hügel hoch, lockert den Rücken und wirkt wunderbar auf die Muskulatur der Hinterhand. Die Übung hilft allen Pferden, ihre Bewegungen besser zu koordinieren. Und das stärkt wiederum auch das Selbstbewusstsein.

Die Expertin: Sandra Kogler ist Pferdetrainerin für Horsemanship und Freiheitsdressur. Sie gibt deutschlandweit Kurse. www.sandra-kogler.de

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Lisa Rädlein

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Pferde lernen beim Rückwärtsrichten, ihren Körper zu koordinieren

Rückwärts ist eine wertvolle Übung, weil Pferde dabei viel über das Zusammenspiel ihres Körpers erfahren. Pferde, die wenig Verbindung zur Hinterhand haben, etwas ungeschickt wirken und nicht wissen, wie sie mit Leichtigkeit Gewicht verlagern können, profitieren durchs Rückwärts besonders.

Tanzen Sie Cha-Cha-Cha mit dem Pferd, um das Gleichgewicht zu schulen: Die Übung nach Linda Tellington-Jones ähnelt der klassischen Schaukel. Ich mag sie, weil sie das Körpergefühl des Pferds stärkt, ihm hilft, seine Rückentätigkeit zu verbessern und aus der Hinterhand anzutreten.

So funktioniert der Tanz: Ich stehe dazu in Führposition neben dem Pferd, den Führstrick in der Hand. Durch feines Annehmen und Nachgeben am Halfter, gerade vom Kopf in die Wirbelsäule hinein, lasse ich das Pferd schrittweise rückwärtstreten: ein Schritt zurück, Halt, zweiter Schritt zurück, Halt, ein Schritt vor, Halt usw. Variieren Sie diesen "Tanz".

Achten Sie auf den Widerrist: Er hebt sich an, wenn das Rückwärts über den Rücken gelingt. Denken Sie sich beim Rückwärtsrichten die Wirbelsäule Ihres Pferds als Gliederkette, die Sie bewegen. Nur wenn Sie am Boden oder im Sattel ganz gerade von vorne einwirken, bewegt sich der gesamte Gliederzug von Stirn bis Becken schnurgerade zurück. Geben Sie ungleichmäßige Hilfen, kommt ein Knick in die Kette, der Zug entgleist.

Extra-Tipp: Schließen Sie die Augen. Wer auf diese Weise rückwärtsrichtet, spürt die Verbindung im Pferd und im besten Fall auch den sich anhebenden Rücken bzw. Sattel. Ohne zu sehen, kann man besser fühlen. Die Hilfengebung entspricht der zum Anhalten. Da das Pferd jedoch bereits steht, geht es zurück. Wichtig: nicht mit dem Knie klemmen, sich nach hinten lehnen oder die Fersen herunterdrücken – sonst blockiert man den Pferderücken. Ein Merkmal für perfektes Rückwärts wäre, dass mein Pferd mühelos zurücktritt und der Rücken sich hebt. Kann es sowohl auf Vorwärts- als auch auf Rückwärts-Hilfen mühelos reagieren, ist es in guter Balance.

Rückwärts als Strafe ist unlogisch: Ich nutze Rückwärts niemals als Korrektur vermeintlicher Dominanzprobleme. In der Herde wenden Pferde sich nach einem Schritt zurück seitwärts ab. Bewegen sie sich mit der Hinterhand auf ein anderes Pferd zu, drohen sie. Als Korrektur ist Rückwärts deshalb eine unlogische, schnell anstrengende und bei zu viel Druck oft schmerzhafte Strafe.

Die Expertin: Anke Recktenwald ist Pferdewirtschaftsmeisterin, TTouch-Trainerin und schult nach der Feldenkrais-Methode.

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Mit Rückwärts-Volten zum Traumgalopp

Viele Quarter Horses, die ich zur Korrektur bekomme, galoppieren im Viertakt, sie laufen auf der Vorhand und haben Schwierigkeiten, mit der Hinterhand Last aufzunehmen, weil sie mit einer viel zu tiefen Kopf-Hals-Position geritten wurden.

Korrektur für falsche Bewegungsmuster: Um das falsch erlernte Bewegungsmuster zu korrigieren, gehe ich mit diesen Pferden unter anderem oft auf die Volte – und zwar rückwärts. Diese Übung verbessert den Galopp natürlich grundsätzlich; auch dann, wenn das Pferd englisch geritten wird.

So geht die Rückwärtsvolte: Ich reite rückwärts in eine Volte, dabei nehme ich die Kruppe leicht nach innen in die Volte hinein und lenke die Schulter nach außen.

Der Effekt für den Galopp:
• Das Pferd hebt die vorderhandlastigen Schultern an und wird in den Schultern leichter.
• Gleichzeitig muss es den Rippenkasten aufdehnen.
• Außerdem nimmt es mit dem inneren Hinterbein noch mehr Last auf, weil es sich auf der gebogenen Linie bewegt und dabei auch noch rückwärtstritt, was die Hinterhand stärker fordert.

Echter Kraftakt: Achtung: Diese Übung ist sehr anstrengend und kostet richtig Kraft. Sie ist nichts für völlig untrainierte Pferde. Je nach Charakter können Pferde mit Sturheit oder Krawall auf diese Aufgabe reagieren, wenn es ihnen zu schwierig wird. Der Reiter sollte deshalb mindestens auf gehobenem A-Niveau sein, einen unabhängigen Sitz und Gefühl für die richtigen Hilfen haben, um gut einordnen zu können, wie sein Pferd reagiert.

Rechtzeitig beenden: Nur ein guter Reiter kann die Übung gefühlvoll und schlau abstimmen und das Pferd im richtigen Moment vorwärts aus der Übung herauslaufen lassen – zum Beispiel im Trab, und zwar bevor es knatschig wird. Wie oft ich diese Übung wiederhole, hängt natürlich vom Pferd ab. In der Regel nicht öfter als ein- oder zweimal pro Trainingseinheit. Ist das Pferd motiviert und schlau, hat es innerhalb weniger Tage verstanden, worum es geht, und man kann erste Verbesserungen am Galopp erkennen.

Die Expertin: Yvonne Gutsche ist Westerntrainerin mit eigenem Ausbildungsstall in Bad Wimpfen.

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Lisa Rädlein

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