Pferdebeine bringen Höchstleistung. Bei hohen Temperaturen wird dies Reitern plötzlich besonders bewusst. Kritische Augen verfolgen denjenigen, der nach der schweißtreibenden Arbeit mit dem Pferd nicht pflichtbewusst den Wasserschlauch zur Hand.
Eine kurze Beindusche soll das Pferd wieder munter machen. Das soll den ganzen Pferdekörper erfrischen und den Sehnen guttun. Stimmt das tatsächlich?















Kurzes Abspritzen bringt keine Erfrischung
„Kühlen der Beine bringt für den Organismus gar nichts“, sagt Thomas Zimmermann vom Thermografie-Institut in Berlin. Die Beindusche wirkt nicht wie eine Klimaanlage auf den gesamten Pferdekörper. Schuld sind die bloß fingerdicken Gefäße im Bein. Diese schmalen Leitungen reichen nicht aus, um das abgekühle Blut durch den gesamten Körper zu transportieren. Den Pferdebeinen tut kaltes Wasser trotzdem gut. Es hilft, Entzündungen zu vermeiden, die nach starker Belastung durch kleinste Verletzungen der Sehnen entstehen können.
Damit die Spritztour effektiv wirkt, ist es wichtig, einige Regeln zu beachten. Kühlen Sie mindestens zehn Minuten. Kürzeres Abspritzen hat genau den Effekt, den man eigentlich vermeiden will – das Bein wird warm. Der Körper reagiert auf den kurzen Kältereiz mit einer Gegenreaktion und schickt Wärme zum Ausgleich. Um einen langfristigen Kühleffekt zu erzielen, muss das Bein deshalb zunächst zirka zehn Minuten auf 15 Grad vorgekühlt werden. Wie ein Backofen, der auch vorgeheizt und auf Temperatur gebracht werden muss. Fangen Sie unten am Huf an. Das Horn ist nicht kälteempfindlich. Dann arbeiten Sie sich langsam beinaufwärts. Der Wasserstrahl sollte weich sein, damit er die Sehnen nicht verletzt. Die Wassertemperatur darf laut Zimmermann nicht mehr als 15 Grad unter der Umgebungstemperatur liegen. Kaltes Wasser aus der Leitung ist gut geeignet. Eiswasser hingegen kann dazu führen, dass der Puls schlagartig in die Höhe schnellt, was in der Erholungsphase nach der Arbeit äußerst kontraproduktiv ist.
Vorsicht ist auch in anderer Hinsicht geboten: Das Hantieren mit dem Wasserschlauch macht besonders unerfahrenen Pferden oftmals Angst. „Ich habe bei Waschaktionen schon viele schreckliche Unfälle gesehen“, sagt Thomas Zimmermann. Gewöhnen Sie Ihr Pferd also unbedingt langsam ans kühle Nass – und halten Sie nicht einfach den Schlauch drauf, nur weil das andere Reiter auch so machen. Das Risiko für Pferd und Mensch sich zu verletzen, übersteigt sonst den Nutzen. Der ist tatsächlich oft nur gering, denn Hand aufs Herz – wer hält schon tatsächlich das erforderliche Minimum von zehn Minuten Duschzeit ein?
















Wasser erzielt die besteTiefenwirkung
Sprühaufsätze für den Schlauch, die das Wasser mit ätherischen Ölen anreichern, können die Kühlzeit nicht verringern. Sie senken die Beintemperatur zwar geringfügig stärker (1 Grad) als reines Leitungswasser, aber die Wirkung hält nicht länger an. Auch Kühlgel erfrischt durch ätherische Stoffe. An die Tiefenwirkung von Wasser kommt es jedoch nicht heran. Vorteilhaft ist aber, dass es sich leicht und gefahrlos auftragen lässt.
Allerdings kann es Substanzen enthalten, die auf der Dopingliste stehen. Deshalb sollten Turnierreiter es bis 24 Stunden vor dem Start nicht benutzen. Ein weiteres praktisches Kühlmittel sind Kühlgamaschen. Legt man diese für etwa zehn Minuten in kaltes Wasser, speichern sie Kälte und geben diese dann am Pferdebein wieder ab.
Doch kann tägliches Duschen eigentlich schaden? Wasser pur ohne Shampoo reizt weder Haut noch Huf. „Pferde gehen in der Natur auch jeden Tag durch Tau, und der Huf wird dabei nass“, sagt Hufschmied Ulrich Homburg aus Bielefeld.
Bei verletzten Pferden ist allerdings Vorsicht geboten. Ohne Rücksprache mit dem Tierarzt darf man weder offene Wunden mit Wasser ausspülen noch andere akute Beinverletzungen kühlen. Denn die Kälte verdeckt Symptome wie Schwellungen und Wärme. Das erschwert dem Veterinär später eine korrekte Diagnose.
















Kaltes Wasser lindert Schmerzen
Mit Einverständnis und unter Anleitung des Tierarztes hat Kühlen aber einen hohen therapeutischen Wert. Kälte bekämpft Schwellungen und lindert Schmerzen. Die ersten drei Tage nach einer Verletzung ist es optimal, alle ein bis zwei Stunden für 20 Minuten zu kühlen.
Fließendes Wasser ist das effektivste Kühlmittel, da es zusätzlich noch leicht massiert. Ein kleiner Bach ist optimal, der Wasserstrahl aus dem Schlauch tut es aber auch. Trifft kaltes Wasser auf die Haut, verengen sich die Venen. Das bremst Einblutungen sowie Entzündungen und hemmt die Ausschüttung von Schmerzstoffen wie Serotonin. Stoppt die Kühlung, weiten sich die Gefäße, die gekühlte Stelle durchblutet stärker. Der Körper transportiert Entzündungsprodukte und beschädigtes Gewebe schneller ab, die Schwellung geht zurück. Nach drei Tagen unterstützt Wärme den Körper dabei allerdings besser als Kälte. Sie hilft bei der Regeneration und regt Durchblutung sowie Stoffwechsel an. Fragen Sie Ihren Tierarzt, wie Sie konkret vorgehen sollen.
Wie der Körper mit dem Phänomen der Gegenreaktion auf kurze Reize antwortet, können Sie auch im Selbstversuch testen: Stellen Sie sich unter die Dusche, und kühlen Sie ein Bein für eine halbe Minute; das andere Bein duschen Sie warm ab. Wie empfinden Sie die Temperatur der Beine hinterher? Das mit warmem Wasser behandelte Bein wird sich kühler anfühlen als das andere. Der Körper versucht, den Reiz auszugleichen. Daran kann man sehen, wie wichtig es tatsächlich ist, lange genug zu kühlen. Nehmen Sie sich also Zeit, Pferdebeine ausgiebig zu duschen.
















CAVALLO-Tipp: So kühlen Sie Beine richtig
Jedes Pferd hat ein individuell unterschiedliches Kälteempfinden. Finden Sie heraus, welche Temperatur zum Kühlen für Ihr Pferd optimal ist. Messen Sie eine Minute lang den Puls Ihres Tiers, und zwar vor dem Kühlen und danach.
Geht er deutlich in die Höhe, war das Wasser zu kalt. Auch die Reaktion ist ein Indikator. Tänzelt das Pferd nervös oder springt gar zur Seite, kann dies am zu kalten Wasser liegen. Bleibt es hingegen entspannt mit gesenktem Kopf ruhig stehen, ist die Temperatur optimal.















