Niemand kennt Ihr Pferd so gut wie Sie. Ist es nicht fit, fällt dem Reiter das am ehesten auf. Wie können Sie also seinen Gesundheitszustand am besten einschätzen? Welche Informationen braucht der Tierarzt im Ernstfall? Welche Krankheiten können Sie selbst behandeln und mit welchen Mitteln? Und wie leisten Sie korrekt Erste Hilfe? Diese Fragen beantworten Tiermediziner auf den nächsten Seiten.
Den großen Body-Check mit allen wichtigen Werten erstellte Pferdefachtierarzt Dr. Christian Bingold, Leiter der Pferdeklinik Großostheim in Bayern. Diese Liste hilft Ihnen zu erkennen, ob Ihr Pferd wirklich krank ist und wie dringend der Besuch des Arztes ist. Sie erfahren, warum man den Puls lieber abhört als ertastet und weshalb Sie dem Pferd ins Maul schauen sollten.
Im Body-Guard verraten Veterinäre, wie Sie juckende Haut, Wunden und Bauchweh selbst kurieren können und warum Sie dicke Beine und Husten nie auf eigene Faust therapieren dürfen. Der CAVALLO-Notfall-Check gibt Tipps, was Sie bei Reheverdacht, Schlundverstopfung oder Verschlag tun sollten.
„Setzen Sie im Zweifel auf das Bauchgefühl, das Ihnen sagt, da stimmt etwas nicht“, rät Dr. Bingold. „Und rufen Sie lieber einmal zu oft den Tierarzt, als schwerwiegende Folgen zu riskieren.“















Ist mein Pferd gesund?
Basis: Üben für den Ernstfall
Voraussetzungen: Sie müssen vertraut sein mit dem normalen Verhalten und den normalen Werten des Pferds. Notieren Sie seine Standardwerte, halten Sie diese Notizen für den Ernstfall zum Beispiel im Spind parat (Vordruck im Internet-Service). Üben Sie in Ruhe, die Vitalwerte (Puls, Atmung, Temperatur, Kreislauf) zu ermitteln. Sie werden sonst massive Probleme bekommen, wenn Sie unter Stress stehen oder Ihr Pferd unruhig ist. Sie benötigen folgende Instrumente: digitales Fieberthermometer, Stethoskop, Uhr mit Sekundenanzeige.
Wichtig: Der Body-Check soll den Tierarzt nicht ersetzen. Die Diagnose stellt der Fachmann. Überschätzen Sie Ihr Urteilsvermögen nicht: Auch wenn Sie geübt haben, sind Sie kein Tierarzt. Seien Sie vorsichtig bei der Beurteilung von Tieren, die Sie nicht kennen: Jedes Pferd ist anders. Im Zweifel lassen Sie vom Body-Check fremder Pferde lieber die Finger. Body-Check Formular zum Download

Verhalten: Überblick mit Abstand
Beobachten Sie das Pferd zunächst aus ein paar Metern Entfernung. Nehmen Sie dabei keinerlei Einfluss auf das Tier, um das wahre Verhalten nicht zu verfälschen. Die folgenden Kriterien sind wichtig, um sich einen Überblick über den Ernst der Lage zu verschaffen:
Verhalten: Ist das Pferd ansprechbar, erregt, apathisch, ängstlich, tobt es?
Körperhaltung: Steht es wie ein Sägebock mit vorgestreckten Vorderbeinen und nach hinten gestreckter Hinterhand? Hat es Krämpfe? Ist der Rücken aufgekrümmt? Belastet es alle Beine?
Bewegung: Ist es fähig zu laufen? Wie läuft es, also beispielsweise steif, lahm, unkoordiniert?
Schmerzen: Zeigt es Schmerzsymptome wie Wälzen, nach dem Bauch umsehen, Scharren, Liegen, Schwitzen, Zähneknirschen? Oder ist es ungewöhnlich ruhig und teilnahmslos?
Sonstige Merkmale: Frisst es oder hat es keinen Appetit, äpfelt es? Falls ja: Wie sieht der Kot aus (wässrig, breiig, sehr hart)? Äußere Verletzungen: Sehen Sie Blutungen, Hautabschürfungen oder Schwellungen?
Umgebung: Gab es Veränderungen im Umfeld? Beispiele sind Transport, Anstrengung, Krankheiten im Stall, umgewühlte Box, Futterumstellung, große Hitze, Wasserentzug, Koppel-Ausbruch.
Achtung: Die Lage ist dramatisch, wenn das Pferd nicht ansprechbar ist, tobt oder sich nicht zum Aufstehen bewegen lässt. Benachrichtigen Sie dann sofort den Tierarzt. Bis zu dessen Eintreffen bestimmen Sie die Vitalwerte, soweit dies gefahrlos möglich ist. Riskieren Sie nicht, dass Sie von einem tobenden Tier an die Wand gequetscht werden.
Ist die Situation nicht dramatisch, bestimmen Sie zunächst die Vitalwerte, bevor Sie den Arzt verständigen. So können Sie ihm am Telefon schon alle wichtigen Hinweise geben.
Kontakt:

Dr. Christian Bingold ist Leiter der Pferdeklinik Großostheim, Wendelinusweg 53, 63762 Großostheim (www.pferdeklinikgrossostheim.de) in Bayern. Zu seinen Spezialgebieten gehören Orthopädie, orthopädische Chirurgie, Sportmedizin und Rittigkeitsprobleme. Er bildet in seiner Klinik auch Veterinäre zu Fachtierärzten für Pferde aus.















Vitalwerte beim Pferd messen
Temperatur
Wo messen Sie: im After (Rektum) des Pferds.
Wie: Führen Sie das digitale Fieberthermometer vorsichtig ein. Die Spitze vorher mit Vaseline fetten oder befeuchten (etwas Spucke reicht). Sensor nicht in der Mitte halten, sondern mit Gefühl Kontakt zur Darmwand halten, sonst werden unter Umständen zu niedrige Werte gemessen. Piepton signalisiert das Ende der Messung.
Normwerte: Bei Pferden über 2 Jahren: 37,5 bis 38,2 Grad Celsius (unter 2 Jahren: 37,5 bis 38,4°C). Nach Belastung ist ein Anstieg auf 39 bis 40°C möglich und normal.
Weiteres: 20 bis 30 Minuten nach Ende einer größeren Belastung sollte die Temperatur an den Ausgangswert herankommen. Normale Abkühlrate: 1°C pro 10 Minuten. Körpertemperaturen über 40,5°C sind für das Pferd gewebsschädlich, bei über 41°C werden bereits Zellen zerstört.
Was noch: Untertemperatur kann bei Schock oder Kreislaufversagen eintreten. Dann ist aber auch der Kreislauf betroffen. Bei Fohlen ist Unterkühlung ein ernstzunehmendes Problem (sofern Thermometer und Messung stimmen).

Puls / Herzfrequenz

Wird am besten mit dem Stethoskop ermittelt, das billigste reicht.
Wo messen: auf Höhe des Ellenbogenhöckers auf der linken Seite. Stethoskop zwischen Ellenbogen und Brustwand ein wenig nach vorne schieben. Vorderbein sollte leicht nach vorn gestellt sein.
Wie: 6 Sekunden zählen und mit 10 multiplizieren oder 15 Sekunden zählen und mit 4 multiplizieren. Ein „Buh-dupp“ ist ein Herzschlag; bei hohen Frequenzen hören Sie nur das „Dupp“.
Messung mit der Hand: Für Ungeübte in Problemsituationen und bei hoher Frequenz schwierig bis unmöglich.
Wo: am unteren Rand des linken Unterkieferastes, wo der gerade Teil in den runden übergeht.
Wie: mit den Fingerkuppen den Gefäßstrang ertasten (fühlt sich an wie weich gekochte, dickere Spaghetti). Gefäßstrang zwischen zwei Finger legen, mäßigen Druck aufbauen; Druck langsam nachlassen, bis Sie den Puls fühlen.
Normwerte: erwachsene Tiere in Ruhe 28 bis 40 Schläge pro Minute (Fohlen in den ersten Wochen 70 bis 100 Schläge/min).
Weiteres: über 60 Schläge pro Minute: normal in der Beruhigungsphase nach Aufregung oder auch bei leichter Belastung; Noch 30 Minuten nach Ende einer Belastung: Zeichen für Überanstrengung; dauerhaft über 60: Anzeichen für anhaltenden Stress oder Belastung des Körpers etwa durch Erkrankung.
über 80 Schläge pro Minute: normal direkt nach intensiverem Training; dauerhaft über 80: deutliches Anzeichen für eine erhebliche Erkrankung.
über 100 Schläge pro Minute: normal direkt nach schwerer Arbeit und Anstrengung; dauerhaft über 100: Anzeichen für ein sehr gravierendes Problem.
Was noch: Pferdeherzen können bei Maximalbelastungen Frequenzen bis zu 250 Schlägen pro Minute erreichen.
Achtung: Hören Sie nicht am Darm. Bei Kolikverdacht mit Ohr oder Stethoskop am Pferdebauch Darmgeräuschen nachzuspüren, bringt Laien nichts. Wie es im Darm blubbern sollte, können Sie ohne medizinische Kenntnisse nicht beurteilen.















Atmung, Nüstern - Normwerte prüfen
Wo messen Sie: an den Nüstern (Nüsternbewegung beobachten falls sichtbar; Atemstrom aus den Nüstern spüren falls fühlbar). Besser: Beobachten Sie Flanken- beziehungsweise Rippenbewegung. Stehen Sie dabei auf Höhe der Hinterhand. Schwieriger: mit dem Stethoskop abhören, und zwar Mitte der Luftröhre an der Halsunterseite.
Wie: Zählen Sie die Atemfrequenz, nehmen Sie den Takt auf und zählen weiter. Dann schauen Sie auf die Uhr und beginnen, im vorgegebenen Takt neu zu zählen; dabei Kontrollblick aufs Pferd. Die Frequenzzählung funktioniert wie beim Herzschlag (15 Sekunden zählen und Werte mit 4 multiplizieren).
Normwerte: erwachsene Pferde in Ruhe 8 bis 12 Züge pro Minute, bei großer Hitze bis 16 Züge/min (neugeborene Fohlen 60 bis 80 Züge/min; in den ersten Lebenswochen 20 bis 40 Züge/min).
bei leichter Arbeit des Pferds: bis zu 30 Züge/min (Verhältnis von Puls zu Atmung ist 2 zu 1).
bei mittlerer Arbeit des Pferds: bis zu 70 Züge/min (Verhältnis Puls/Atmung ist 1 zu 1).
bei schwerer Arbeit des Pferds: bis zu 80 Züge/min (Verhältnis Puls/Atmung ist 1 zu 1,5).
Weiteres: Bei Aufregung können die Werte ansteigen, unregelmäßig und irreführend sein.
Anzeichen für Überanstrengung: deutlich über 120 Züge/min oder 40 Züge/min noch 30 Minuten nach Ende der Belastung. Klares Zeichen für Überanstrengung: 160 Züge/min bei halb so hoher Herzfrequenz von etwa 80 (Verhältnis Puls/Atmung 1 zu 2) bei oder unmittelbar nach Belastung.
Achtung: Die Herzfrequenz sollte eine halbe Stunde nach Ende der Belastung höher sein als die Atemfrequenz. Liegt die Atemfrequenz dann noch bei über 40 Zügen pro Minute und die Herzfrequenz unter 40, ist dies ein Alarmsignal.
Art der Atmung: Ruhig, entspannt, unscheinbar, keine geweiteten Nüstern (evnt. ist die Atmung dann schwer zu erkennen): normale Ruheatmung.
Pumpend-angestrengt: kann Signal für Schmerz sein. Flach-hechelnd: evnt. Signal für Schock oder Überanstrengung. „Dampfrinne“ (Rinne unterhalb des Rippenbogens bis zur Flanke durch starke Anspannung der Muskulatur): Signal für Atemnot.

Kreislauf in Ordnung?

Wo messen Sie: am Zahnfleisch des Unter- oder Oberkiefers.
Wie: Kapillarfüllungszeit bestimmen und Farbe/Aussehen der Schleimhäute beurteilen.
Kapillarfüllungszeit: mit der Fingerkuppe 1 bis 2 Sekunden relativ fest auf das Zahnfleisch des Unterkiefers unterhalb der Schneidezähne drücken. Das Blut wird aus der Schleimhaut gedrückt, weshalb die Druckstelle weiß wird. Finger wegnehmen und beobachten, wie lange es dauert, bis das Zahnfleisch an der Druckstelle wieder die gleiche Farbe hat wie vorher beziehungsweise die Umgebung.
Werte: Die Kapillarfüllungszeit sollte unter 2 Sekunden liegen (das signalisiert guten Blutdruck und guten Kreislaufzustand).
Wichtig: Liegt die Füllzeit über 2 Sekunden, kann dies auf einen schlechten Kreislauf hinweisen; liegt sie über 3 Sekunden, ist dies ein Hinweis auf ein ernstzunehmendes Problem. Bei einer Kapillarfüllungszeit von über 4 Sekunden und mehr besteht fürs Pferd Lebensgefahr.
Farbe und Aussehen der Schleimhäute:
Wo messen Sie: am besten am Zahnfleisch des Pferds. Mögliche Alternative: Schleimhaut in den Nüstern (mit den Fingern etwas auseinanderziehen) oder Augen prüfen (Lider spreizen, mit Daumen und Zeigefinger ober- und unterhalb des Augapfel drücken). Das ist aber schwieriger, weil das Pferd sich eher dagegen wehrt.
Aussehen rosarot, glatt und etwas feucht-glänzend: normal.
Bleich: schlechte Blutversorgung, etwa aufgrund von Schock oder Blutverlust beziehungsweise allgemein wegen eines schlechten Kreislaufs.
Gerötet: kann zum Beispiel bei einer Reizung, Entzündung oder hohem Fieber auftreten.
Bläulich oder deutlich dunkel verfärbt: Das kann ein Alarm-signal für starke Sauerstoffunterversorgung oder fortgeschrittenen Schock sein. Weitere Möglichkeiten sind Kreislaufversagen und Dehydrierung (Flüssigkeitsunterversorgung).
Achtung: Sind die Schleimhäute bläulich oder dunkel verfärbt und liegt die Herzfrequenz über 100 Schlägen pro Minute, ist der Zustand des Pferds lebensbedrohlich.















Flüssigkeitshaushalt und Dehydration
Wo messen Sie: an der Schulter des Pferds.
Wie: Hautfalte an der Schulter anheben, loslassen und beurteilen, wie schnell sich die Haut glättet.
Werte: Die Haut sollte sich sofort glätten. Glättet sie sich erst nach zwei bis drei Sekunden, spricht das für eine Flüssigkeitsunterversorgung.
Wichtig: Der Hautfaltentest ist ein Anhaltspunkt, ob das Pferd womöglich dehydriert ist. Er ist aber keine hundertprozentig sichere Methode, die Flüssigkeitsversorgung zu überprüfen.















Haut, Fell und mehr
„Der Pferdebesitzer kann eine leichte Nesselsucht, Insektenstiche, leichte Mauke und Schweifscheuern zunächst selbst behandeln“, sagt Dr. Kirsten Schwenzer, Leiterin der Tierärztlichen Klinik für Pferde im niedersächsischen Lüsche und Expertin für Dermatologie.
Bei leichter Nesselsucht mit vereinzelten Quaddeln (Urtikaria, allergischer Ausschlag) und Insektenstichen kühlen Sie die betroffenen Hautstellen mit Eisbeuteln, Coolpacks oder reiben diese mit Essigwasser ab.
Krustige Borken bei Mauke (Hautentzündung vor allem in der Fesselbeuge) können durch Angussverbände oder wiederholtes Shampoonieren mit milden, für Pferde geeigneten Shampoos (z.B. Teebaumöl, Schieferöl) aufgeweicht werden. „Einbandagieren mit Wollvlies hält die Haut geschmeidig, und das Wollwachs hat einen zusätzlichen heilenden Effekt“, sagt Dr. Kirsten Schwenzer.
Scheuert sich das Pferd an der Schweifrübe, ist Ursachenforschung nötig. Unter Umständen ist eine längst überfällige Entwurmung schuld am Juckreiz. Das Scheuern kann auch Zeichen für ein Sommerekzems sein. Dann rät die Hautexpertin zum Waschen mit milden Shampoos (Teebaum-, Schieferöl). „Der Markt bietet eine Vielzahl an Präparaten zur Behandlung der geschädigten Haut beim Sommerekzem. Aus eigener Erfahrung kann ich Präparate mit Schieferöl empfehlen“, sagt die Dermatologin. Kortisonpräparate und Antibiotika sollten Sie dagegen nur nach Anweisung des Tierarztes geben.
Wissen Sie nicht genau, unter welcher Hautkrankheit Ihr Pferd leidet, rufen Sie prinzipiell den Tierarzt.
Auch bei starker Nesselsucht, Einschuss (Phlegmone, Entzündung des Unterhaut-Bindegewebes und der Lymphgefäße) oder wenn das Allgemeinbefinden beeinträchtigt ist, das Pferd also etwa Fieber hat (siehe Body-Check), sollten Sie in jedem Fall den Tierarzt verständigen.
Generell sollten Sie den Arzt in allen hartnäckigen Fällen zu Rate ziehen: immer dann, wenn sich der Zustand des Pferds nicht binnen kurzer Zeit bessert oder sich sogar verschlechtert. Vorsicht: Selbst eine leichte Mauke kann einen Einschuss verursachen.
Am Telefon helfen dem Arzt folgende Infos: Dauer der Erkrankung, Pferderasse, besteht Juckreiz, welche Hautareale sind betroffen, erfolgte eine Vorbehandlung, zeigt das Pferd sonstige Symptome, haben andere Tiere aus dem Stall die gleichen Symptome, was wird momentan gefüttert, gab es kürzlich eine Futterumstellung?
Tipp: „Hochwertiges Futter ist die Grundlage für gesundes Fell und gesunde Haut; der Hautstoffwechsel kann durch Biotin und Zink positiv beeinflusst werden“, sagt Dr. Schwenzer. Eine natürliche Umgebung mit Weidegang, Licht, Sonne und der Möglichkeit zum Wälzen stärkt Haut und Haar.















Beine, Sehnen und Gelenke
Hände weg von dicken Beinen. Selbst das vermeintlich harmlose Kühlen mit Wasser oder das Bandagieren in Eigenregie sind tabu. Denn dadurch verdecken Sie womöglich wichtige Symptome wie Wärme oder Schwellung. Jede Therapie auf eigene Faust erschwert dem Arzt die Diagnose und damit auch die richtige Behandlung. „Behandeln Sie Erkrankungen an den Pferdebeinen deshalb niemals ohne Rücksprache mit dem Tierarzt“, betont Dr. Christian Bingold, Spezialist für orthopädische Probleme.
Tückisch sind vor allem Verletzungen an Gelenken (siehe auch „Wunden“), die harmlos aussehen können: Das Pferd lahmt oft nicht einmal, und das Bein ist auch nicht dick. Alarmsignal: Farblose oder bernsteinfarbene Flüssigkeit läuft in kleinen Mengen aus einer Verletzung in Gelenksnähe. Dazu gehört auch der Bereich der Fesselbeuge.
Wichtig: Lassen Sie die Finger von jeder Selbstmedikation. Geben Sie Ihrem Pferd nie Entzündungshemmer wie Phenylbutazon, selbst wenn Sie noch ein paar Tütchen von der letzten Therapie im Spind haben.
Bei Bein-Erkrankungen muss der Besitzer Befunde erheben, damit der Arzt beurteilen kann, wie dringend ein Besuch ist. Die wichtigsten Merkmale, auf die Sie dabei achten müssen, sind Schmerz, Wärme, Schwellung, Funktionsverlust (Lahmheit).
Prüfschema: Beobachten Sie das Pferd beim Laufen: Lässt es sich zum Schritt bewegen, lahmt es schon im Schritt oder erst im Trab? Kann es seine Bewegungen koordinieren? Wenn es die Gliedmaße belastet: Tritt es mit der ganzen Sohle auf, nur mit der Zehe, oder hängt das Bein quasi in der Luft? Hat es das Bein unter Kontrolle, oder sackt es wie gelähmt weg?
Schauen Sie sich die Beine mit etwas Abstand an: Fallen Ihnen Schwellungen oder Verletzungen auf? Die wichtigste Info für den Tierarzt: Wo genau ist das Bein dick oder verletzt und in welchem Umfang? Merken Sie sich Referenzpunkte am Bein, die Sie kennen und beschreiben können: zum Beispiel zwei Fingerbreit über dem Kronrand oder in Höhe der Kastanie.
Tasten Sie das Bein ab: Ist die Schwellung klar abgegrenzt? Wie fühlt sie sich an? „Derb“ bedeutet: die Schwellung lässt sich nicht eindrücken. „Teigig, ödematös“: lässt sich eindrücken, Delle bleibt in der Haut; „Fluktuierend“: Flüssigkeitsbewegung lässt sich ertasten wie bei einer Blase an der Hand. Wie schmerzhaft reagiert das Pferd: Können Sie das Bein überhaupt anfassen? Zieht es die Gliedmaße bereits auf leichten Druck weg, oder zuckt es erst, wenn Sie fester zupacken?
Vergleichen Sie die Gliedmaßen: Ist das Bein/die Stelle wärmer als auf der anderen Seite?
Weitere wichtige Infos für den Arzt: Wann haben Sie die Symptome zuerst festgestellt? Kamen sie plötzlich? Haben Sie bemerkt, dass das Pferd beim Reiten stolperte, bevor es lahmte? War es auf der Weide oder allein in seiner Box?
Tipp: Tasten Sie die Vorder- und Hinterbeine Ihres Pferds regelmäßig nach dem Reiten ab. So können Sie Veränderungen leichter erkennen. Dass sich die Beine nach dem Training warm anfühlen, ist normal. Sobald eines der anderen Symptome (Schwellung, Druckempfindlichkeit, Lahmheit) hinzukommt, rufen Sie bitte den Tierarzt.
















Hufe, Strahlfäule und Co.
„Der Pferdebesitzer kann abgebroche Hornteile befeilen, Steinchen aus der weißen Linie entfernen, den Strahl leicht beschneiden und auf Empfehlung seines Tierarztes oder Hufschmieds Strahlfäule behandeln“, sagt Pferdefachtierarzt Dr. Jacek Gawda, Leiter der Tierklinik Aggertal in Lohmar/Nordrhein-Westfalen.
„Vor jeder Behandlung müssen Sie die Hufe gründlich reinigen. Dafür sollten Sie das Pferd auf einen harten, ebenen und sauberen Boden stellen“, sagt Dr. Jacek Gawda. Bitten Sie einen Helfer, das Bein aufzuhalten. Zum Waschen verwenden Sie Jodseife, zur Desinfektion Jodlösungen. „Bei kleineren, oberflächlichen Kronsaum- oder Ballenverletzungen, die nicht vom Tierarzt genäht werden müssen, können Sie Aluminiumspray verwenden. Sulfonamidformaldehyd-Salben (z.B. Socatyl) eignen sich bei Strahlfäule“, sagt Gawda.
Verwenden Sie keine monatelang geöffneten oder abgelaufenen Medikamente!
Wenn Strahlfäule nicht innerhalb weniger Tagen trocknet und die Hornoberfläche wuchert, rufen Sie den Tierarzt: Es besteht Hufkrebsgefahr. Nach Entfernung kleinerer Fremdkörper wie Steinchen kann der Huf am folgenden Tag druckempfindlich sein. Dann hat sich möglicherweise ein Druckgeschwür gebildet, das der Tierarzt behandeln muss.
Der Tierarzt sollte verständigt werden, wenn das Pferd den Huf schlecht oder gar nicht belastet oder der Kronsaum sehr empfindlich ist. Fremdkörper, die sich in das Horn bohrten, sind ein Notfall. Ist die Hornkapsel verletzt und tritt Blut, Eiter oder Wundsekret aus, rufen Sie den Veterinär. Zum Schutz legen Sie einen Hufverband an.
Achtung: Wenn sich ein ursprünglich leicht warmer Huf am Folgetag wärmer oder gar heiß anfühlt und das Pferd fühlig läuft, besteht Rehegefahr.
Wichtige Infos für den Arzt: Ist ein Huf oder sind mehrere Hufe betroffen? Ist die Erkrankung plötzlich aufgetreten? Wann sind die ersten Anzeichen festgestellt worden? Kann das Pferd auf der Gliedmaße stehen? Tritt Blut, Eiter oder eine andere Flüssigkeit aus?
Tipp: Gummischuhe für Feuchtverbände sollten Sie nicht länger als 24 Stunden am Huf lassen. Nach paar Stunden kann man sie dann wieder anziehen.















Bauch, Darm und Verdauung
Pferde zeigen Bauchschmerzen in sehr unterschiedlicher Art und Weise. Man sollte nicht vom Schweregrad der Symptome auf den Schweregrad der Kolik schließen. „Nicht jedes Pferd, das sich hinwirft, schwitzt und pumpt, hat einen Darmverschluss. Ebenso wenig hat das sehr ruhige, fast schon apathische Pferd nur eine leichte Kolik“, betont Dr. Inka Kreling, Leiterin der Tierklinik Binger Wald im rheinland-pfälzischen Waldalgesheim. „Bei Kolikverdacht sollte grundsätzlich immer der Tierarzt gerufen werden. Die Zeit spielt bei der Kolikbehandlung eine wesentliche Rolle“, betont die Expertin für Innere Medizin.
Es gibt wenige Ausnahmen, die man schlecht verallgemeinern kann. Einige Pferde sind als wiederkehrende (rezidivierende) Koliker bekannt, und oft wissen die Besitzer genau, in welchen Situationen (Umgebungswechsel, Wetterveränderung etc.) mit Kolik zu rechnen ist. Da diese Pferde schon oft untersucht wurden und jedesmal einen ähnlichen Befund haben, können die Besitzer die Symptome gut deuten und gegebenenfalls zunächst abwarten. Ihnen muss aber klar sein, dass dies ein Risiko birgt.
Das können Sie tun: Je nach Wetterlage halten Sie das Pferd warm oder bringen es in den Schatten. Bieten Sie Wasser an. Spazierengehen ist nur zu empfehlen, wenn das Pferd sich ruhig verhält und willig, entspannt mitläuft. „Auch dann sollten Sie aber nicht pausenlos mit ihm herumlaufen, sondern es immer wieder in die Box oder den Offenstall bringen“, sagt Dr. Inka Kreling. „Pferde, die sich nur noch hinwerfen wollen, bitte nicht unter Zwang führen und schon gar nicht mittels Gerte am Laufen halten.“
Bei Pferden, die als Koliker bekannt sind, deren Verhalten der Besitzer selbst gut einschätzen kann und bei denen der Tierarzt den Einsatz von Nux vomica (Brechnuss) empfohlen hat, kann man zunächst alle 15 Minuten je 30 Tropfen dieses homöopathischen Mittels in die Maulspalte geben. „Dies sollten Sie maximal drei bis vier Mal alle 15 Minuten wiederholen. Wenn dann keine Besserung eintritt, ist spätestens der Tierarzt zu rufen“, sagt Kreling. Verschlechtert sich der Zustand, muss der Behandlungsversuch abgebrochen und der Arzt verständigt werden. Kaschmieder Balsam oder Colosan geben Besitzer oft als Erstmaßnahme. „Sie schaden nicht, ersetzen aber keinesfalls den Veterinär.“
Infos für den Arzt: Wann begann die Kolik? Wie sind Verhalten und Allgemeinbefinden des Pferds Body-Check Formular zum Download Wann hat es zuletzt gefressen? Wie schnell hat sich die Kolik entwickelt, und wie stark erscheinen die Schmerzen?
Achtung: Einige Pferde-typen wie Ponys, Kaltblüter, Friesen oder osteuropäische Pferde zeigen Schmerzen oft kaum merklich. Auch kleine Abweichungen von ihrem normalen Verhalten können durchaus schon ein größeres Problem bedeuten. Gleiches gilt für Pferde, die schon lange starke Schmerzen haben: Sie verhalten sich oft zu ruhig, die Gefahr wird leicht unterschätzt.















Husten und Atemwegserkrankungen
Husten ist nicht harmlos. Mögliche Atemwegsprobleme sollten Sie nie in Eigenregie behandeln. Die Pferdelunge ist sehr empfindlich, Entzündungen der unteren Atemwege werden leicht unterschätzt. Zwei verbreitete Irrtümer: „Mein Pferd hustet nicht, also sind die Atemwege gesund.“ Oder, falls es doch einmal hustet: „Der hat sich nur verschluckt.“
„Verschluckt“ sich das Pferd regelmäßig etwa zu Beginn des Reitens, weist dies auf eine Atemwegserkrankung hin. „Das sollte unbedingt abgeklärt werden, damit diese nicht chronisch wird“, betont Tierärztin Dr. Heike Kühn von der Pferdeklinik München-Riem. „Tatsächlich husten nur etwa 60 Prozent der Pferde mit Atemwegserkrankungen.“ Eine ausgeprägte Sekretrinne (die scharfe Linie zwischen pigmentierter Haut und unpigmentierter Schleimhaut in der Nüster verschwimmt) verrät, dass die Atemwege schon länger entzündet sind.
Tröpfelt es nach dem Training wässrig oder hell aufgeschäumt aus den Nüstern, ist das normal. Ist der Nasenausfluss milchig, gelblich oder grünlich, muss der Tierarzt das Pferd untersuchen. Das gilt auch bei Nasenbluten. Schlimmstenfalls riskieren Sie, dass das Pferd binnen weniger Minuten verblutet, wenn bei einer Luftsackmykose Pilze die Kopfarterien zerfraßen.
Auch wenn die Diagnose klar ist, sollten Sie Hausmittel oder freiverkäufliche Hustenpräparate nur nach Rücksprache mitdem Arzt oder Heilpraktiker einsetzen. Denn manche Hausmittel sind beliebt, aber heikel, etwa die Inhalation mit ätherischen Ölen. Lungenspezialistin Kühn warnt: „Das Flimmerepithel der Bronchialschleimhaut verklebt, so dass sich zäher Schleim festsetzt; ätherische Öle können zudem zu allergischen Reaktionen führen.“ Inhalieren mit Emser-Salz-Lösung unterstützt chronische Lungenpatienten besser: „Ein einfacher Druckvernebler reicht.“
Infos für den Arzt: Seit wann hustet das Pferd? Wie hoch ist die Temperatur? Hat es Atemnot? Ist beim Ein- oder Ausatmen ein Geräusch zu hören? Wie hoch ist die Atemfrequenz? Hat es Nasenausfluss? Welche Impfungen hat es? Sind noch andere Tiere im Stall betroffen?
Wichtig: Spritzen dürfen Pferdebesitzer nicht selbst geben. Jede Injektion ist eine invasive Maßnahme, also ein Eingriff, der nur von Personen mit entsprechender Ausbildung durchgeführt werden darf. Auf das Mittel, das gespritzt wird, kommt es nicht an.















Wunden versorgen
Bevor Reiter ein verletztes Pferd behandeln, müssen Sie folgende Punkte prüfen: Ist der Allgemeinzustand gestört? Body-Check Forumular zum Download
Blutet die Wunde stark? Wo ist das Pferd verletzt: Wunden in der Nähe von Sehnen, Sehnenscheiden, Schleimbeuteln, Gelenken oder Knochen sind gefährlicher als Verletzungen des Muskelgewebes.
Wie tief ist die Wunde: Wurde die Haut durchstochen (perforierende Verletzung, Anhaltspunkt: Die Wunde lässt sich nicht in einem Stück verschieben, wenn man die benachbarte Haut bewegt)? Ist die Wunde stark verschmutzt?
Wie groß die Wunde ist, spielt dagegen keine Rolle: Besonders gefährlich sind unscheinbare Stichverletzungen, etwa mit der Mistgabel.
“Jede Stichverletzung, jede perforierende Verletzung und jede Verletzung, die zusätzliche Symptome wie Lahmheit oder Fieber verursacht, muss umgehend dem Tierarzt gezeigt werden“, sagt Dr. Anton Fürst, Leiter der Abteilung Pferdechirurgie an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich.
Behandeln Sie an solchen Wunden nie auf eigene Faust herum, da schwere Infektionen drohen und die Wundheilung womöglich massiv gestört wird. Je schneller eine Verletzung genäht wird, desto problemloser die Heilung. Der Tierarzt kann Wunden, die älter als 12 Stunden sind, selten erfolgreich nähen.
Verliert das Pferd viel Blut, legen Sie einen Druckverband an. Die Gesamtblutmenge beträgt etwa 8 Prozent des Körpergewichts, bei einem Pferd mit 500 Kilo sind das rund 40 Liter. Gefährlich sind Blutverluste von mehr als 8 Litern.
Oberflächliche Schürf- oder Schnittwunden kann der Pferdebesitzer selbst behandeln. „Schnittwunden, die vom Tierarzt genäht werden, heilen aber schneller“, gibt Dr. Anton Fürst zu bedenken. Zunächst werden die Haare um die Wunde herum mit einer gebogenen Schere entfernt, anschließend wird die Verletzung mit einer milden, desinfizierenden seifenhaltigen Jodlösung gereinigt. Dann tupfen Sie die Wunde mit einem Desinfektionsmittel wie Jodlösung ab.
„Wundverbände am Bein sind immer gut, wenn sie richtig angelegt werden“, sagt Fürst. „Vor allem im Bereich des Röhrbeins gibt es leicht Schwellungen und Infektionen, die mit einem Verband verhindert werden können.“ Weil schlecht sitzende Verbände mehr schaden als nützen, sollten Sie sich von Ihrem Tierarzt zeigen lassen, wie man einen Wundverband im Ernstfall korrekt anlegt.
Achten Sie darauf, ob das Pferd später möglicherweise lahmt, das Bein anschwillt oder ob das Tier Fieber bekommt. „Dies sind Zeichen für eine Infektion. Sie müssen umgehend den Tierarzt rufen“, so Fürst.
Wichtig: Sprühen Sie kein Blau-, Aluminiumspray oder ähnliches auf Verletzungen, die möglicherweise genäht werden müssen. Wunden in Nähe der Augen dürfen Sie nur mit Wasser säubern, nie mit Jod oder anderen Desinfektionsmitteln. Bei jeder Verletzung müssen Sie prüfen, ob das Pferd gegen Tetanus geimpft ist!















