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Druse beim Pferd richtig behandeln

Die bakterielle Infektionskrankheit Druse kann unterschiedlichste Symptome auslösen – auch bislang unbekannte wie Bindehautentzündung. Was hilft gegen die Erkrankung?

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Foto: Lisa Rädlein

Alles sah auf den ersten Blick wie ein Fremdkörper im Auge aus: Die neunjährige Vollblutstute war vor einigen Tagen gestürzt. Sie entwickelte nach dem Sturz eine eitrige Bindehautentzündung (Konjunktivitis); dazu waren linkes Augenlid und das umgebende Gewebe deutlich angeschwollen.

Die Tierärzte der Tierklinik Burg Müggenhausen in Weilerswist bei Bonn behandelten das Pferd zunächst mit Flunixin und einer entzündungshemmenden, antibiotischen Augensalbe. Als nach drei Tagen keine Besserung eintrat, wechselten die Tierärzte zu einer anderen Augensalbe.

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Die Infektionskrankheit kann eine Bindehautentzündung auslösen.

Die Haustierärztin hatte schon vor der Behandlung in der Klinik eine Tupferprobe der Tränenflüssigkeit zur bakteriologischen Untersuchung ins Labor geschickt. Dieses Ergebnis lag wenig später vor: Bakterien der Art Streptococcus equi equi waren in hoher Keimzahl gewachsen – die Stute, die nun auch Fieber bekommen hatte, war an Druse erkrankt.

"In der Fachliteratur waren bis dahin keine Druse-Fälle beschrieben, die sich als Konjunktivitis präsentierten", sagt Pferdefachtierärztin Dr. Rosa Barsnick von der Tierklinik Burg Müggenhausen in Weilerswist/NRW, die die Stute behandelte. "Diese Verlaufsform der Druse war atypisch."

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Die Expertin: Pferdefachtierärztin Dr. Rosa Barsnick studierte an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Von 2007 bis 2010 bildete sie sich an der Ohio State University zur Spezialistin für Innere Medizin des Pferds (ACVIM-LA) weiter. Seitdem leitete sie für jeweils mehrere Jahre die Abteilungen Innere Medizin an den Pferdekliniken in Kirchheim/Teck, Aschheim und Burg Müggenhausen. www.pferde-klinik.de

Was löst die Krankheit aus?

Die hochansteckende Infektionskrankheit Druse wird durch das Bakterium Streptococcus equi subsp. equi hervorgerufen. Diese Bakterien besiedeln vor allem den oberen Teil der Atemwege (Respirationstrakt). "Das Bakterium ist in der Pferde-Population weit verbreitet", sagt Tierärztin Dr. Rosa Barsnick.

Denn Pferde können das Bakterium wochen- oder sogar jahrelang noch unerkannt ausscheiden: Erkrankte ein Pferd an Druse – ob mit oder ohne Symptome –, kann es den Keim noch bis zu sechs Wochen, in Einzelfällen auch länger verbreiten. Haben sich nach der Erkrankung sogenannte Luftsacksteine (Chondroide) im Luftsack gebildet, kann das Pferd den Erreger sogar noch über Jahre ausscheiden und andere Tiere infizieren.

Solche Pferde nennt man stille Träger oder Ausscheider. Diese Tiere können beispielsweise Neuankömmlinge im Stall anstecken, "die können schwer erkranken, scheiden selber dann noch mehr Bakterien aus und können so wiederum andere Pferde im Stall anstecken", erklärt Dr. Barsnick. Oder ein "stiller Träger" wechselt selbst den Stall – und kann die neuen Stallgenossen infizieren.

Übertragen wird die Krankheit durch direkten Kontakt von Pferd zu Pferd, aber auch durch indirekten Kontakt, etwa über gemeinsam genutzte Tröge, Tränken, Zaumzeug oder Nasenbremse. "Als Hauptansteckungsquelle gelten gemeinsame Futterstellen und vor allem Wasser", sagt die Fachtierärztin. Das Tückische: Das Bakterium kann lange überleben. Bei warmem, trockenem Wetter sterben die Erreger zwar bereits nach zwei Tagen, in feuchter Umgebung wie in Tränken können sie jedoch wochen- oder monatelang überdauern.

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Gemeinsam genutzte Tränken gelten als Hauptansteckungsquelle.

An Druse können alle Pferde erkranken. Besonders gefährdet sind Tiere unter drei Jahren, weil deren Immunsystemnoch nicht voll ausgebildet ist. In Ställen mit häufig wechselnden Tieren besteht ebenfalls ein höheres Risiko. "Und je enger der Kontakt der Pferde im Stall untereinander ist, umso schneller verbreitet sich die Krankheit." Denn bereits während der drei- bis 14-tägigen Inkubationszeit können infizierte Pferde Artgenossen anstecken.

Eng verwandt mit dem Druse-Erreger ist das Bakterium Streptococcus equi subsp. zooepidemicus. Dieses kommt im Rachenraum gesunder Pferde vor. "Auch dieses Bakterium kann Druse-ähnliche Symptome auslösen, allerdings nur sehr selten und mit harmlosen Verläufen", so Dr. Barsnick. Daran erkranken in der Regel nur einzelne Pferde, nicht mehrere eines Bestandes. Die Bakterienart kann zudem andere Krankheiten wie eine eitrige Bronchopneumonie auslösen.

Wie macht sich die Krankheit bemerkbar?

Eines der beiden Hauptsymptome ist hohes Fieber. Drei bis 14 Tage nach der Infektion steigt die Körpertemperatur auf bis zu 41,5 Grad Celsius. Die Pferde sind matt, trinken und fressen nur wenig.

Wenig später kommt es zum zweiten Hauptsymptom: einer Schwellung der Lymphknoten im Kopfbereich. Betroffen sind meist Mandibular- (Unterkiefer) und Retropharyngeal-Lymphknoten (Ganaschen), aber auch Parotideal-Lymphknoten (Ohrspeicheldrüse) oder kleinere Lymphknoten können anschwellen. Die Lymphknoten füllen sich mit Eiter, es bilden sich Abszesse. Platzen diese, entleert sich der Eiter. Das kann sich in eitrig-schleimigen Nasenausfluss (ein- oder beidseitig) äußern.

Oft bildet sich eine Rachenentzündung: Das führt zu Schluckbeschwerden (Wasser und Futter können wieder aus den Nüstern fließen) und damit zu einer gestreckten Kopf-Hals-Haltung. Manchmal verengen sich die Atemwege so sehr, dass ein Luftröhrenschnitt nötig ist. Neben der Vollblutstute behandelte Dr. Barsnick eine weitere Stute, bei der Druse eine Konjunktivitis hervorrief.

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Typisch ist Nasenausfluss. Bei Druse ist er aber meist eitrig-schleimig. Eiter kann sich auch im Luftsack sammeln.

Beim atypischen Verlauf sind Lymphknoten des Körperinneren betroffen, etwa des Nervensystems wie im Gehirn oder an der Gekrösewurzel (die innere "Aufhängung" des Dünndarms). Diese Verlaufsform nennt man metastatische Druse. "Diese Fälle sind sehr schwierig zu diagnostizieren und langwierig zu behandeln", so Dr. Barsnicks Erfahrung, aber: "Ich habe in den letzten vier Jahren viele Druse-Fälle behandelt, aber nur einen Fall von metastatischer Druse."

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Bei erkrankten Pferden schwellen zudem die Lymphknoten am Kopf an.

Selten kann die Druse zu Fehlreaktionen des Immunsystems führen. Dazu zählt etwa ein Gewebezerfall von Muskelfasern (Rhabdomyolyse); hier scheinen Quarter Horses anfälliger zu sein.

Wie stellt der Tierarzt die Diagnose?

Der Tierarzt klärt ab, ob neben dem erkrankten Pferd weitere Tiere Symptome wie Fieber, Nasenausfluss oder geschwollene Lymphknoten zeigen – ein recht eindeutiges Zeichen für Druse.

Daneben nimmt der Tierarzt einen Abstrich aus der Nase oder einem eiternden Lymphknoten. "Eine bakteriologische Untersuchung allein kann aber zu falscher Sicherheit führen", warnt Dr. Barsnick: Denn eine solche Probe enthält auch zooepidemicus-Bakterien. Diese können die equi-equi-Erreger in der Laborkultur überwuchern. Daher sollte die bakteriologische immer mit einer DNA-Untersuchung kombiniert werden. Über eine endoskopische Untersuchung kann der Tierarzt feststellen, ob sich Eiter in den Luftsäcken angesammelt hat.

So behandeln Tierärzte

Geplatzte oder gespaltene Lymphknoten werden mit verdünnter Jodlösung gespült. Haben Pferde nach Abklingen der Symtome noch purulenten Schleim in den Luftsäcken, werden sie täglich oder jeden zweiten Tag mit warmem Wasser oder Kochsalzlösung gespült, bis kein Eiter mehr vorhanden ist. Das dauert meist ein bis zwei Wochen. Gefüttert wird vom Boden, damit Eiter aus den Luftsäcken über die Nasengänge abfließen kann. Antibiotika können kontraproduktiv sein: Sie können die Abszessreifung unterdrücken und die Krankheitsdauer verländern. Einer Studie von 2019 zufolge ist die Immunität von Pferden besser und hält länger an, wenn sie gar nicht oder erst mehr als 16 Tage nach dem erstem Fieberschub mit Penicillin behandelt wurden.

Wie lässt sich vorbeugen?

Der Impfstoff gegen Druse wird nur als Notfallmaßnahme empfohlen, zudem hält die Immunität nur drei Monate. Daher lässt sich nur vorbeugen: "Fiebernde Pferde sollten sofort isoliert werden und Neuankömmlinge 14 Tage in Quarantäne kommen", rät Dr. Barsnick. Ihr Tipp: Mit einem serologischen Bluttest kann man feststellen, ob das Pferd Antikörper gegen das Druse-Bakterium gebildet hat. Wenn zwei Tests im Abstand von zwei Wochen negativ waren, können neue Pferde eingegliedert werden.

Druse ist nicht meldepflichtig

Druse ist zwar eine hochansteckende Krankheit, aber sie ist nicht anzeige- oder meldepflichtig. Zu den anzeigepflichtigen Krankheiten gehören Afrikanische Pferdepest, Equine Infektiöse Anämie, Beschälseuche, Rotz, Pferde-Enzephalomyelitis, West-Nil-Virus, Stomatitis vesicularis, Tollwut und Milzbrand.

Anzeigepflichtig heißt: Schon beim bloßen Verdacht sind alle, die mit dem Tier umgehen (wie Besitzer, Tierarzt, Huschmied) verpflichtet, das dem zuständigen Veterinäramt mitzuteilen. Dann laufen staatliche Bekämpfungsmaßnahmen an.

Bei meldepflichtigen Krankheiten (Contagiöse Equine Metritis, Equine Virus Arteritis, Bornasche Krankheit, Leptospirose) wollen die Veterinärämter nur einen Überblick über das Auftreten haben. Gemeldet werden diese (nachgewiesenen) Erkrankungen vom Tierarzt.

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023