Ein Stall, der gar keiner ist

Les Dannes: Paradies für Pferde
Ein Stall, der gar keiner ist

Veröffentlicht am 04.05.2021
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Foto: Rädlein
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Auch wenn der römisch-katholische Papst noch nie hier war: Päpste der Veterinär-, Fütterungs- und Verhaltensforschung holpern gern zu Familie Fuchs nach "Les Dannes", Pferdeparadies im lauschigen Vogesen-Tal.

Die Damen und Herren Professoren grillen Wurst am Stecken und tagen zwischen Feuerstelle, Minzebeet und Misthaufen. Sie sehen so manche Heiligtümer der equinen Lehre bröckeln und staunen über 280 Pferde auf 300 Hektar Spielwiesen, die bestes Studienmaterial liefern: Fohlen, Rentner, S-Springpferde, dazu 25 Zuchtstuten aus legendären deutschen Linien wie Gotthard, Grannus oder Pilot sowie ein Selle-Français-Deckhengst verbringen fast das ganze Jahr draußen. Der Herdenmix aus Jung und Alt, alle ohne Hufeisen, fast alle ohne Kraftfutter, erlebt hier minimalen Trainingsaufwand und maximalen Spaß.

Bei der Vergabe des CAVALLO Fairness Award 2010 war "Les Dannes" deshalb die erste Wahl für die Kategorie "Stall" – weil Ställe hier zum Wohl der Pferde eine Nebenrolle spielen. Nur im Winter, wenn wirklich kein Grashalm mehr wächst, schlüpfen die Pferde in selbstgezimmerten Offenställen unter. 400 Tonnen Stroh streut Kurt Fuchs dann ein und erntet Mist, mit dem er er nach drei Jahren Reifezeit seine Wiesen düngt. In die Ställe kommen auch Stuten kurz vorm Abfohlen. "Wir haben Seen auf den Weiden. Wenn da eine Stute am Ufer gebärt, rutscht das Fohlen womöglich ins Wasser", erklärt Fuchs die Ausnahme von seiner Freiluft-Regel. Wo sonst können Pferde so nah an der Natur leben – und trotzdem Leistung in Zucht und Sport bringen?

Pferdegerechte Haltung in unendlicher Weite

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Kein Geschnatter wie auf Pferdehöfen üblich, kein Giften zwischen den Tieren. Nur Hengst Gadget du Banney macht ab und zu mit einschlägigem Grunzen von sich reden, wenn er inmitten der grasenden Zuchtstutenherde seinen Mann steht.

Auch die Menschenfamilie in Les Dannes versteht sich hier ohne viel Gedöns; und das – 2021 ist ein Jubiläumsjahr – nun seit 30 Jahren. Vater Kurt, im früheren Leben Kaufmannslehrling im Schweizer Kanton Aargau und Safari-Driver in Afrika, Mutter Monika und drei turnierreitende Kinder managen in aller Ruhe die 280 Pferde. 150 gehören ihnen selber, 30 davon fahren den ganzen Sommer über zu hochklassigen Springturnieren von Saumur bis La Baule. Kurt Fuchs legt einen Packen Fotos auf den Grilltisch: Eigengewächse oder zur Korrektur übernommene Pferde, in tadelloser Manier überm Sprung, auf Trense gezäumt.

"Dabei hatten die vorher teils richtige Knochenbrecher im Maul, weil die Leute nicht mehr mit ihnen zurecht kamen", erzählt Fuchs. Der Herrscher im Paradies redet heute beim Besuch mehr als sonst; er muss, er will seine Philosophie von Haltung, Fütterung, Ausbildung und Zucht unters Volk bringen, weil er davon überzeugt ist.

"Das Pferd muss Pferd sein dürfen." Was simpel klingt und oft strapaziert wird, zieht Familie Fuchs konsequent durch – vom urwüchsigen Auslauf ohne künstliche Unterstände bis zur natürlichen Familienplanung. Die Pferde trampeln sich ihr Dach in Hecken und Wäldchen. "An Fliegen, Mücken und Bremsen gewöhnen sie sich schnell", hat Kurt Fuchs erfahren: "Zwei Wochen lang gibt‘s Beulen, das war‘s."

Ein Deckhengst im Freigang mit Stuten

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"Und erziehen tun sich die jungen Pferde gegenseitig. Wir mischen uns da nicht ein. Menschen erziehen Menschen, Pferde erziehen Pferde", sagt Fuchs. "Deshalb sind sie ja so freundlich."

Technik macht sie neugierig. Wie kleine Jungs um einen Bagger schart sich eine Bande zweijähriger Hengste um Kurts Robust-VW, mit dem er zur Kontrolle täglich sein Tal abklappert. "Bloß aufpassen, dass die mir nicht die Motorhaube anknabbern", bangt der Ex-Safarifahrer, der bei aller Naturliebe unternehmerisch denkt: Wenn der Lack ab ist, rostet das teure Blech schneller.

Beim Aussteigen gibt es kein Gerangel, kein Keilen, kein Zwicken. Ohne Arg kann Mensch sich in Hengstherde mischen; die jungen Herren weichen auf Handzeichen, trotten weiter und kommen freundlich, aber hengsttypisch-beharrlich wieder. Die Herdengröße mit rund 35 Pferden macht‘s, dass die Les-Dannes-Pferde so friedlich sind. "Die Zahl der Tiere ist dabei entscheidender als der Platz", sagt Fuchs, der erst ab 10, 12 Pferden überhaupt von Herde spricht. "Erst dann kannst du Neue ohne Probleme dazustellen. Alles drunter ist eine Gruppe, und die ist hierarchisch. Die Herde ist sozial."

Der Generationen-Mix

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"Denen ist nie langweilig, und sie bewegen sich viel", schwärmt Fuchs. "Unsere Turnierpferde werden höchstens einmal pro Woche trainiert. Zu viel Training macht nur kaputt."

Während die Jungen auf der Weide die Alten fit halten, müssen sie noch keine Kinderarbeit unterm Sattel verrichten. Angeritten werden sie erst mit viereinhalb, sobald sie genügend Balance haben. "Wer ein Pferd von uns kauft, legt den Sattel drauf und reitet nachhause." So einfach ist das. Kraftfutter frisst nur Hengst Gadget, weil der außer sporteln auch decken muss. "Es ist normal, dass Pferde im Winter abspecken und im Frühjahr zunehmen." Gesund bleiben sie freilich nur mit Top-Heu, von dem Fuchs jährlich 600 Tonnen ordert – in der Qualität des gehaltvollen südfranzösischen Foin de Grau. Dazu gibt es Mineral-Leckkessel und Salzsteine sowie regelmäßig Profibetreuung von Hufpflege bis Physiotherapie.

Dass sein Naturtrip manche schreckt, weiß Fuchs. "Les Dannes taugt nur für die 0,03 Prozent Pferdebesitzer, die intelligent sind. Aber bei den Pferden gab es in letzten Jahren nur eins, wo es nicht klappte. Es knüpfte keinerlei Kontakte, hatte Angst vorm eigenen Schatten. Das ist nicht lebenswert."

Freiheit und Vertrauen

Das sagen Haltungsexperten zu Les Dannes:

Dr. Margit Zeitler-Feicht

Naturnahe Haltung ist hier in Les Dannes bestens realisiert: lange Fresszeiten, Ruhen unter schützenden Bäumen, Freundschaften, Spielen, Wälzen. Die gemischaltrige Herde hat große Vorteile für die soziale Entwicklung der Jungtiere und kann auf alte Pferde verjüngend wirken. Die Pferde sind trotz großer Freiheit sehr vertraut mit dem Menschen. Besonders bemerkenswert ist, dass man hier auch Pferde unter Freilandbedingungen hält, die im Leistungssport gehen. Davon können die allermeisten Turnierpferde nur träumen.

Prof. Manfred Coenen

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Kann man Sportpferde so aufziehen? Nein, wenn ein Dreijähriger schon wie ein Sechsjähriger aussehen muss. Ja, wenn man die nötige Geduld hat. Einige Stuten bekommen auf der Weide nicht genug Energie und sind dünn. "Na und? Sind Stute und Fohlen etwa krank?", fragt Kurt Fuchs. Er lässt zu, dass laktierende Stuten unterschiedlich aussehen. Er verlangt aber auch von Pferden, dass sie ihre Futteraufnahme auf der Weide organisieren: erst mehr fressen, dann gibt es Konzentrat. Das ist lehrreich.

Stefan Stammer

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365 Tage im Jahr und 24 Stunden täglich Bewegung in natürlichem Gelände mit Steigungen, ebenen Flächen, Unebenen und unterschiedlichen Bodenverhältnissen: Das ist optimal für die Bewegungsstruktur eines Pferds. Es schult Reaktionen und Reflexe eigenständig im individuellen Rhythmus. Das sind Anforderungen aus der modernen Sportphysiotherapie. Die Lust, Leistung zu bringen, und die körperlichen Voraussetzungen dafür entwickeln sich wie von selbst.

Kontakt

Pferdeparadies "Les Dannes"

Familie Fuchs

F-70160 St. Rémy

Tel. 0033-384911749

Mail: lesdannes@wanadoo.fr

Pensionspreis Fohlen: 200 Euro/Monat

Erwachsene Pferde: 250 Euro/Monat