Nach rund einem halben Jahr endet der Mutter-Schutz: Die Fohlen werden abgesetzt und müssen sich ohne ihre Mütter in der Herde behaupten. Das gehört zur Fohlenerziehung. Der Mensch greift hier vor allem indirekt ein, indem er die Trennung geschickt vorbereitet.
Dies ist sehr wichtig, weil eine gute und möglichst naturnahe Aufzucht eine entscheidende Rolle für das spätere Pferdeleben spielt. Dr. Annette Wyrwoll bereitet das Absetzen ab der zweiten Lebenswoche der Fohlen vor. Sie setzt auf altersgemischte Aufzuchtherden, in denen Mutterstuten, Fohlen, Jungpferde und ältere Tiere zusammen leben.
Der Vorteil: Die erwachsenen Pferde erziehen die Jungspunde mit. Die Alternative sind Herden mit gleichaltrigen und gleichgeschlechtlichen Jungpferden. Der Nachteil: „Dort gibt es immer einige Tiere, die zu aufmüpfig sind, oder Fohlen, die untergebuttert werden“, sagt Dr. Annette Wyrwoll. Sie gewöhnt zunächst alle Stuten, die Fohlen haben, aneinander, und steckt sie in der Gruppe zusammen. Die Fohlen lernen sich so mindestens drei Wochen lang kennen; sie spielen, raufen und unternehmen die ersten Schritte auf eigene Faust.
Mütter erziehen fremde Fohlen
Dann kommen die Stuten mit ihren Fohlen zur gemischten Herde. „Wenn ein Einjähriger dann zu aufmüpfig ist, wird er von den erwachsenen Stuten in die Schranken gewiesen“, begründet Dr. Annette Wyrwoll ihr Aufzuchtkonzept. Das hat Finca bereits alles hinter sich. Das Halbblut-Fohlen geht schon häufiger auf Erkundungstour. „Frutti ist eine sehr entspannte Mutter.
Beim ersten Koppelgang mit der gemischten Herde galoppierte sie vor Freude an der Spitze und vergaß ihr Fohlen einfach“, erzählt die Tierärztin. Völlig hilflos und verdutzt blieb Finca zurück und wieherte verzweifelt nach der Mama. Wenige Tage später machte Finca allerdings schon die ersten Ausflüge mit den anderen Herdenmitgliedern. Die Bindung zur Mutter lockert sich, das Fohlen ist seltener bei der Stute. Die gemischte Herde aus Fohlen, Stuten und Halbstarken bleibt bis zum Absetzen der Jüngsten bestehen. Dann verlassen die Mutterstuten die Herde. Sie sind zum Teil erneut tragend und brauchen ihre Energie für das nächste Fohlen. Die Jungpferde bleiben unter sich.
Absetzen bedeutet für das Fohlen immer Stress. Daher ist eine schonende Variante, wie Dr. Annette Wyrwoll sie praktiziert, so wichtig. Auch für die Stute ist es eine schwierige Zeit. In den ersten Tagen läuft ihr Euter voll und drückt. Abmelken ist jedoch falsch: Das regt die Milchproduktion erst recht an; in den ersten Tagen nach dem Absetzen sollte die Stute daher auch kein Kraftfutter bekommen.