Das sagt die Pferdetrainerin
Es stimmt: Einige Pferdebesitzer könnten ihren Wissensschatz erweitern. So ließen sich lieb gemeinte Fehleinschätzungen vermeiden. Erst vor kurzem wunderte ich mich über eine Besitzerin: Es regnete leicht, die Pferde standen auf der Koppel und sie lief los, um ihres reinzuholen. Das ist gar nicht nötig, Pferde freuen sich, wenn sie auch mal Regentropfen abbekommen!
Dass Besitzer immer wieder "menschliches Wissen" auf Pferde übertragen, ist nur ein Beispiel, warum ein Pferdeführerschein sinnvoll sein könnte. Insofern finde ich die Idee verständlich und den Ansatz löblich – nur halte ich die Umsetzung für sehr schwierig. Wie soll das geballte Wissen, das nötig ist, in einem Führerschein zusammengefasst werden? Allein die Auswahl der Inhalte wäre eine Herausforderung. Vieles hängt zusammen, da kann man keine einzelnen Bereiche betrachten. Angenommen der Führerschein soll das Pferdewohl schützen, dann müssten Haltungsthemen, Sachwissen, auch Medizinisches vermittelt werden – und trotzdem wäre es nicht alles, was zum Pferdewohl beiträgt.
Das ist aber nicht die einzige Schwierigkeit: Wie sollen Führerscheininhalte vermittelt werden? Auch eine wichtige Frage. Und stellen Sie sich vor, es gäbe einen Pferdeführerschein: Gilt dieser wirklich nur für Neukäufer oder müssten Pferdebesitzer ihn auch nachträglich ablegen? Es hat schon viele Ideen für einen Kompetenznachweis gegeben, die meisten sind gescheitert. Mir gefällt die Idee zwar sehr, aber ich halte sie für kaum umsetzbar.

Yvonne Gutsche, Pferdetrainerin spezialisiert auf Problempferde und Ausbildung von Pferden und Besitzern.
Das sagt der Tierschutzexperte
Viele Pferdebesitzer verstehen etwas von Pferden, verstehen ihre Pferde aber nicht. Besonders hinsichtlich des Bedarfs und der Bedürfnisse gibt es Wissenslücken und Fehleinschätzungen. Eigentlich unverständlich, wenn man bedenkt, dass das Tierschutzgesetz (§2) fordert, dass Besitzer über das Wissen zur artgerechten Haltung, Fütterung und Pflege und ihrer Anwendung verfügen müssen.
Dennoch grübeln viele Pferdebesitzer über Fragen wie: Wie viel Futter braucht mein Pferd? Oder: Bei welchen Temperaturen fühlt es sich wohl? Insofern kann jede Forderung nach mehr Sachkunde nur begrüßt werden. Ich würde aber eher von einem "Sachkundenachweis" als von einem Führerschein sprechen. Welche Inhalte dieser berücksichtigen sollte, ist schwierig zu sagen. Jede Form der Haltung und Nutzung eines Pferdes stellt unterschiedliche Anforderungen an die Sachkunde. Käufer brauchen aber deutlich mehr als nur Basiswissen, um Fehler zu vermeiden.
Wissen ist Tierschutz. Ein Sachkundenachweis könnte zu einem verbesserten Grundwissen führen und so zu einer pferdegerechteren Haltung und Nutzung beitragen. Allerdings halte ich die Idee für schwer umsetzbar. Viele Fragen müssten vorab geklärt werden. Etwa, ob es ein behördlicher oder verbandsspezifischer Nachweis sein soll und welche rechtliche Bedeutung er haben kann. Bislang sind viele Ansätze gescheitert, da sie in der Umsetzung zu komplex sind.

Dr. Andreas Franzky, Vorsitzender der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz e.V. (TVT).
Das sagt der Verbandsexperte
Wir bieten seit 2020 die Pferdeführerscheine Umgang sowie Reiten als reitweisenübergreifendes Ausbildungs- und Qualifikationsangebot an. Keiner der Führerscheine ist verpflichtend, der Pferdeführerschein Umgang jedoch in unserem Ausbildungssystem Voraussetzung für weitere Qualifikationen. Wir empfehlen jedem, der mit Pferden umgeht oder reitet, einen Pferdeführerschein abzulegen.
Sie vermitteln Kompetenzen und Fähigkeiten für den artgerechten Umgang und das sichere (Aus-)Reiten. Speziell der Pferdeführerschein Umgang thematisiert wichtige Grundlagen: Teilnehmer lernen Verhaltensweisen und Bedürfnisse von Pferden zu verstehen und darauf einzugehen. Auch Haltung, Fütterung und Gesundheit sind Themen. Nicht zu vergessen: Praktische Übungen wie das Führen auf Reitanlagen und Situationen aus dem öffentlichen Raum.
Nur eine fundierte Ausbildung kann Unfällen vorbeugen und ein Grundverständnis schaffen – das Ziel unserer Pferdeführerscheine. Bereits 26.062 Pferdefreunde nahmen unser Angebot in Anspruch. Ein Ergebnis, das uns freut.

Thomas Ungruhe, Leiter der Abteilung Vereine, Umwelt, Breitensport und Betriebe bei der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN).