Rülpsen und Erbrechen beim Pferd - Ursachen und Behandlung
Heiße Luft

Zuletzt aktualisiert am 12.10.2008
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Foto: Slawik

Ein Bäuerchen rollt die Speiseröhre empor, entweicht glucksend ins Freie und verpufft säuerlich riechend – auch bei Pferden. Sie rülpsen, wenn Futter im Magen gärt oder Magengeschwüre, Tumore und verschlungene Dünndärme ihnen sauer aufstoßen. Ist der Magen zum Bersten gefüllt, kann ihnen sogar das Futter wieder hochkommen.

CAVALLO klärt die Ursachen und zeigt, was dann zu tun ist.

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Entgegen alle Vorurteile: Der Pferdemagen ist keine Einbahnstraße

Vom Maul rutscht der Futterbrei durch die etwa 1,20 Meter lange Speiseröhre gen Magenmund (Cardia). Der öffnet sich für zerkautes Futter und schließt sich prompt dank einer muskulösen Klappe (Musculus sphincter cardiae). Dieser Schließmuskel (siehe Zeichnung) ist die Rückflussbremse für geschlucktes Futter und verhindert Rülpsen und Erbrechen – theoretisch.

Die Praxis beweist, dass diese Lehrbuchweisheit nicht stimmt. Humanmediziner Rudolf Virchow (1821 bis 1902), Pionier der modernen Pathologie, schrieb schon im Jahr 1862 in seinem „Archiv für pathologische Anatomie und Physiologie und für klinische Medicin“ gegen die Einweg-Theorie an.

„Wenn man einwendet, das Pferd könne wegen des Baus seiner Schlundklappe keine Luft ausstossen, so kann ich diese Einwendung nicht gelten lassen; theils weil man nicht berechtigt ist, den todten Zustand, wo man allerdings keine Luft aus dem Magen in den Schlund treiben kann, auf den lebenden anzuwenden, theils aber, weil ja das Pferd in der That rülpst.“

Ist die heiße Luft, die aus Maul und Nüstern gluckst, nun harmlos oder alarmierend? „Dass das Rülpsen beim Pferde eher krankhaft ist als bei anderen Thieren, wird anzunehmen sein; dass es aber nur bei so schweren Krankheiten vorkomme, wie oft angeführt wird, ist keineswegs zuzugeben.“ So steht’s im Archiv.

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Ursachen und Untersuchungsmethoden

Mit langen Endoskopen, die den Pferdemagen komplett ausleuchten, können sie heute erkennen, ob und woran es krankt.

„Wenn Pferde häufig rülpsen, sollte der Besitzer in jedem Fall eine Gastroskopie, also eine Magenspiegelung machen lassen“, rät Professor Gerald Fritz Schusser, Direktor der Medizinischen Tierklinik der Universität Leipzig.

Magengeschwüre (Ulzera), Magenverstopfungen, Plattenepithelkarzinome oder eine Magenerweiterung (Dilatation) kann der Veterinär auf diese Weise als mögliche Rülps-Ursachen ausschließen.

In die Röhre blickte auch ein amerikanischer Tierarzt bei einem 16jährigen Tennesse Walker: Der rülpste in einem fort, angeblich wegen eines ungewöhnlich geraden Übergangs zwischen Speiseröhre und Magen, welcher bei Pferden sonst eher spitzwinkelig ist.

Der Fehlanschluss spielt beim Bäuerchen aber keine Rolle, sagt Professor Schusser: „Nicht der Winkel, sondern die Kraft des Schließmuskels ist wichtig, damit kein Gas oder Futter zurück in die Speiseröhre gelangt.“

Ist der Magen ersichtlich gesund, schlucken rülpsende Pferde womöglich das falsche Futter. „Wenn sie sehr kraftfutterreich gefüttert werden, kann es im Magen zu Gärvorgängen kommen, und das Gas wird durch Rülpsen entfernt“, erklärt Professor Schusser.

Angegorenes stößt gleichfalls sauer auf. „Das können zum Beispiel Äpfel sein, die vormittags liebevoll aufgeschnitten, warm in Plastikfolie eingepackt und abends angegoren verfüttert wurden“, warnt Tierärztin Dr. Dorothe Meyer, Chefin der Tierernährungs-Firma Iwest aus Hohenpeißenberg/Bayern.

Entweicht dem Schlund mehr als heiße Luft, müssen beim Pferdebesitzer die
Alarmglocken schrillen: Ein Pferd, das Futter erbricht, schwebt in Lebensgefahr.

Erbrechen ist ein Zeichen, dass der 10 bis 15 Liter fassende Magen heillos überlastet ist und die Wände zu reißen drohen. Was ihn zum Bersten füllte, kann dabei längst gekaut, verschluckt und angedaut sein: Bei einem Dünndarmverschluss staut sich der Brei und schwappt zurück durch den Pförtnermuskel am Magenausgang.

Ein Pferd, das sich übergibt, ist im Gegensatz zum Rülpser freilich sehr selten. Tierärztin Dr. Dorothe Meyer sah es bislang nur einmal. „Und da war es auch schon zu spät, der Magen riss.“

Grafik: So ist ist der Pferdemagen aufgebaut

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