"Das ist das regenreichste Jahr, an das ich mich erinnern kann“, sagt Jürgen Lamp vom Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp in Schleswig-Holstein. Das schlechte Wetter hat Folgen für die Pferdehalter in dem Nordbundesland. „Die Strohernte liegt wohl 30 Prozent unter dem, was wir brauchen“, sagt Lamp. Beim Heu sieht es kaum besser aus. „Der erste Schnitt fiel nach dem langen Winter und der Trockenheit im Frühjahr aus. Der zweite und dritte Schnitt verzögerte sich bis Ende September. Dadurch ist das Gras überständig und nicht so eiweiß- und fruktanreich, also auch für Pferde geeignet“, erklärt Jürgen Lamp.
An den steigenden Preisen wird das kaum etwas ändern. Nicht nur in Schleswig-Holstein blieben Heu- und Strohernte hinter den Erwartungen. In Hessen lag der Großabnehmerpreis für Heu vom ersten Schnitt im Quaderballen Ende September netto bei 191,25 Euro pro Tonne; 73,25 Euro mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei Stroh stieg der Nettopreis von 88,75 auf 131,88 Euro.
Ähnlich sah es in Nordrhein-Westfalen (NRW) aus. „Ein Quaderballen Heu kostet zwischen 70 und 90 Euro, Stroh liegt um die 40 bis 50 Euro“, sagt Elmar Brügger, landwirtschaftlicher Berater der Landwirtschaftskammer NRW in Münster. Das entspricht einer Steigerung von rund 40 Prozent. „Obwohl die Qualität oft nur durchschnittlich ist“, so Brügger.
Los werden die Bauern ihr Heu und Stroh trotzdem. Letzteres lässt sich bis zu einem bestimmten Grad als Einstreu ersetzen, etwa durch Holzspäne und Gummimatten. „Wir verzeichnen derzeit eine deutlich gestiegene Nachfrage nach unseren Liegematten“, sagt Thorsten Hinrichs, Besitzer der Stallbaufirma HIT aus Weddingstedt. Ganz ohne Einstreu geht es damit auch nicht. „Je nach Haltungsform kann man aber 40 bis 90 Prozent einsparen“, sagt Hinrichs.















Fütterung: Wie lässt sich Heu ersetzen
Heu lässt in der Pferdefütterung nur schwer ersetzen. „Und zwar absolut“, betont Professor Ellen Kienzle, Ernährungswissenschaftlerin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Nach der Faustformel benötigt ein Pferd täglich 1,5 Kilo kaufähiges Raufutter pro 100 Kilo Lebendgewicht. Die Heuration lässt sich ein wenig strecken. „Maximal ein Drittel des Raufutters darf Stroh sein“, sagt Kienzle.
„Dann müssen Sie aber Trockenschnitzel oder Kleie zufüttern, damit die Verdauung in Gang bleibt. Andernfalls droht eine Kolik.“ Und: „Je mehr Stroh Sie füttern, desto mehr müssen Sie das Pferd bewegen“, warnt Kienzle. Alternativ können auch Heulage und Silage gefüttert werden. „Bei Heulage sollte die Trockenmasse aber nicht unter 30 Prozent liegen.“ Das kann man bei den Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalten testen lassen. „Strecken Sie kalorienreiche Silage mit Stroh, um die Verdauung des Pferds zu fördern“, rät Kienzle. Heucobs sind hingegen kein Ersatz: „Pferde fressen sie schneller als Heu oder Heulage auf. Um ihr Kaubedürfnis zu befriedigen, kann man Stroh zusetzen. „Das kann aber Verstopfungen verursachen“, sagt Ernährungsexpertin Ellen Kienzle.
Sie empfiehlt, Heu zu kaufen. „Koste es, was es wolle. Was Sie da sparen, kassiert später der Tierarzt.“ Das gilt auch für Stroh als Einstreu, das Pferde als Snack nebenher futtern. Verpilztes Gersten- und Weizenstroh ist ebenso schädlich wie Hanf- und Rapsstroh, das Verstopfungen verursachen kann. Und: Verpilztes Stroh greift die Atemwege an, auch wenn es nicht gefressen wird. Doch wenn die Preise für gutes Stroh und Heu schon jetzt alle Rekorde schlagen, wie teuer wird es erst im nächsten Frühjahr sein?
„Ich schätze, dass sich die Preise gegenüber 2010 etwa verdreifachen werden“, sagt Landwirtschaftsberater Elmar Brügger. Schuld daran seien möglicherweise nicht nur die schlechten Wachstums- und Erntebedingungen in diesem Jahr. Allein in Hamburg und Niedersachsen schrumpfte die Grünlandfläche von 2003 bis 2010 um sieben Prozent. Weniger Anbaufläche heißt weniger Heu. Andernorts fällt die Strohproduktion, weil Bauern statt Weizen lieber Mais für Biogasanlagen anbauen.
Einzelne Landwirte setzen aber wohl auch auf steigende Preise. „Ich bin überzeugt davon, dass es Bauern gibt, die Heu und Stroh einlagern, um damit im Frühjahr Höchstpreise zu erzielen“, sagt Brügger. Das verknappt das derzeitige Angebot und bringt bereits jetzt manche Pferdehalter und -betriebe an den Rand des Ruins.
Manche Tierschützer rechnen daher demnächst mit vollen Gnadenhöfen. Dr. Andreas Franzky von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz sieht das weniger dramatisch. „Es gibt ja Einstreu- und Futteralternativen wie Silage und Holzspäne.“ Generell müssten Pferdebesitzer auch schlechte Jahre einkalkulieren. „Wenn ich das nicht kann, sollte ich mir gut überlegen, ein Pferd zu halten.“
Ein Hoffnungsschimmer bleibt: „Fällt die Ernte 2012 gut aus, sinken sofort die Preise“, sagt Elmar Brügger. Fragt sich nur, ob alle bis dahin durchhalten.















