Horizontaltherapie: Wechselstrom-System heilt Pferde
Horizontaltherapie - Elektrische Energie heilt Pferde

Heilen mit Hertz: Ein patentierte Wechselstrom-System – kurz Horizontaltherapie – lindert beim Pferd Schmerzen, kurbelt den Stoffwechsel an und trainiert Muskeln. Diese Technik ist so sanft, dass Reiter ihre Pferde sogar selbst behandeln können.

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Foto: Lisa Rädlein

Strom lässt Muskeln schwellen, Blut pulsieren und lindert Schmerzen. Elektrische Energie bewegt den Organismus von Mensch und Pferd. Die heilenden Kräfte des Stroms machen sich inzwischen diverse Formen der Elektrotherapie zunutze. Ein in der Pferdemedizin recht junges Verfahren nennt sich Horizontal-Therapie, kurz HT. Das patentierte System ist vielseitig: Therapeuten setzen es ein bei Patienten mit Hufrehe, Hufrollen-Syndrom, arthrotischen Gelenken, gebrochenen Knochen, Sehnen- und Bänderschäden, Stoffwechselerkrankungen und Lungenleiden.Denn die HT lindert Schmerzen, fördert den Stoffwechsel, aktiviert den Lymphfluss, fördert die Durchblutung, reduziert Ödeme, hemmt Entzündungen, beschleunigt die Wund- sowie Knochenheilung, trainiert Muskeln und Nerven. Das klingt wie eine medizinische Wunderwaffe, die an der Steckdose gezündet wird. Tatsächlich steckt pure Naturwissenschaft dahinter.

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Die Wunderwaffe ist Naturwissenschaft

"Jede Körperzelle wird beeinflusst von den Säulen des Lebens – Physik und Chemie", sagt Dr. Achim Hansjürgens, Erfinder der Horizontal-Therapie und Chef der Firma Hako-Med aus Karlsruhe, die die HT-Geräte vertreibt. Die Grundidee der HT beruht auf der Erkenntnis, dass jede bioelektrische Veränderung im lebenden Gewebe gleichzeitig biochemische Prozesse beeinflusst. "Die Horizontal-Therapie ist zurzeit die einzige Form der Elektrotherapie, die diese bioelektrischen und biochemischen Wirkungen simultan hervorrufen kann", sagt Hansjürgens, der sich seit rund 40 Jahren mit dieser Medizintechnik befasst und im Jahr 1999 das Vorläufer-Konzept der HT entwickelte, die Elektrische Differential Therapie (EDT)."Die Behandlungsmethode ist reine Schulmedizin", betont Hansjürgens. Sie stammt aus dem Humanbereich. Klinische Studien – unter anderem an Patienten mit Rückenschmerzen aufgrund von Wirbelfrakturen, Osteoporose, Kniegelenksarthrose und Nervenlähmungen – belegen ihre Wirksamkeit bei Menschen. Wissenschaftliche Arbeiten aus der Pferdemedizin gibt es nicht. "Die Abläufe im Organismus, auf die die HT nachweislich positiv wirkt, sind aber bei Mensch und Pferd identisch", sagt Tanja Blume, Tierphysiotherapeutin aus Karlsruhe, die Hako-Med auf dem tiermedizinischen Sektor berät.

Dressurpferd rotz Wirbelbruch wieder fit

Aktuell behandelt Dr. Blume nach dem Feuer im Karlsruher Zoo die Brandwunden der Elefanten. Pferde therapiert sie seit etwa drei Jahren mit HT. Seither hat sie – ebenso wie andere Physiotherapeuten, Heilpraktiker und Tierärzte – diverse Patienten selbst mit düsterer Prognose kuriert. Ein solcher Kandidat ist die 15-jährige Hannoveraner-Stute Wivara. Das Dressurpferd hatte sich im Frühjahr 2009 den dritten Halswirbel gebrochen. Der behandelnde Tierarzt meinte, dass die Stute nicht mehr im Sport eingesetzt werden könne. Der Doc irrte. "Von dieser Prognose konnten wir uns durch den Einsatz des HT-Geräts distanzieren", schilderte Matthias Abend, Dressurvorstand des Pferdesportverbands Bremen, im Juni 2009 den Heilungsverlauf. Die Stute werde bereits wieder langsam auf die kommenden Wettbewerbe vorbereitet. "Die Skepsis", so Abend, "die mir bei den ersten Einsätzen des Geräts im Stall und durch Tierärzte entgegengebracht wurde, hat sich mittlerweile in Staunen gewandelt." Im September belegte Wivara Platz fünf bei einer M-Dressur. Die erstaunliche Wirkung beruht laut Erfinder Hansjürgens auf mittelfrequenten Wechselströmen mit konstanter Intensität zwischen 4000 und 12000 Hertz.

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Lisa Rädlein
Die Elektroden an den Hufen und den Röhrbeinen werden verkabelt.

Strom aktiviert Zellen im Pferdekörper

Bioelektrisch zu beeinflussen sind alle erregbaren Zellen im Körper, also Muskeln und Nerven. Auf diese Weise lässt sich etwa die Durchblutung fördern. Die Nerven, die die glatte Muskulatur der Gefäße zusammenziehen, bekommen so viele Impulse, dass sie ihr Pulver – den Botenstoff Noradrenalin – schnell verschießen. Schon nach kurzer Zeit ist das Depot leer, der Muskel ermüdet und das Blutgefäß bleibt weit gestellt. Für die biochemische Wirkung sind physikalische Vorgänge wie das Schütteln und Rotieren von Ionen und Molekülen verantwortlich. "So werden zum Beispiel Ansammlungen entzündlicher Stoffe verteilt und besser abgebaut – wie ein Sandhaufen, der bei Bewegung zerfällt", erklärt Tanja Blume. Je nach Krankheitsbild kann sie verschiedene Wirkungen gezielt am Therapie-Gerät abrufen.Die Technik ist komplex, die Anwendung dagegen simpel. Das demonstriert Blume an dem Schwarzwälder-Wallach Frodo, der vorne rechts einen Sehnenschaden hat, und Isländer-Stute Yra, die schon mehrmals unter schweren Hufreheschüben litt. Blume tunkt Schwammtücher in einen Wassereimer und feuchtet die Röhrbeine von Frodo an. "Das verbessert die Leitfähigkeit." Die nassen Tücher dienen auch als Unterlage für die Elektroden. Das sind weiche Pads mit Kabelanschluss.

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Lisa Rädlein
Im Stecker laufen die einzelnen Kabel zusammen.

Horizontaltherapie hilft Hufrehe-Pferden

Die Ganzkörperbehandlung, die etwa 30 Minuten dauert, ist Standard bei jedem Rehepferd. "Die HT ist gerade für diese Patienten optimal", betont Blume. "Sie regt nicht nur den Stoffwechsel an, sondern fördert auch die Entgi ung des Organismus. Und diese beiden Aspekte, also Stoffwechselprobleme und Vergiftungen, sind schließlich in den meisten Fällen die Ursache der Hufrehe", sagt Blume. Anschließend setzt sie gezielt den kranken Bereich unter Strom. An den Hufen befestigt sie Klebeelektroden, die wiederum mit Elektroden an den Röhrbeinen verbunden sind. Blume: "Das Horn ist kein Hindernis für den Stromfluss."Die Elektroden befestigt Dr. Blume mit einer Klett-Bandage, "und zwar am besten direkt auf dem zu behandelnden Bereich, also etwa der entzündeten Sehne". Den Stromkreislauf schließt eine zweite Elektrode. Die legt Tanja Blume in Frodos Fall am linken vorderen Röhrbein an. Die Elektroden werden verkabelt, ans Therapie-Gerät angeschlossen und der Strom langsam hochgefahren. "Man bleibt immer in dem Bereich, der dem Pferd angenehm ist; die Behandlung darf nicht weh tun", betont die Therapeutin. Wie es sich anfühlt, unter Wechselstrom gesetzt zu werden, zeigt der Selbstversuch.Über Kreuz wird der Körper therapiert:"Der Strom schießt in dem Bereich zwischen den beiden Elektroden, also quasi vom linken Vorderbein über Schulter und Widerrist bis zum rechten Vorderbein und zurück", sagt Blume. Will sie den ganzen Körper eines Patienten behandeln, um zum Beispiel den Stoffwechsel anzuregen, arbeitet sie mit zwei Elektrodenpaaren an allen vier Beinen. "Diese werden über Kreuz verbunden, also links vorne mit rechts hinten und umgekehrt. So erreiche ich die Zellen im gesamten Bereich."Dieser regt die Durchblutung im Huf an, hemmt Entzündungen und lindert Schmerzen. Davon profitieren vor allem Pferde mit Equinem Metabolischen Syndrom und Cushing, bei denen ihr gestörtes Insulinsystem schuld an der Rehe ist. Denn Schmerz stresst extrem, was die Insulinresistenz verstärkt.

CAV Horizontaltherapie  - Dr. Hansjürgens
Lisa Rädlein
Elektroingenieur Dr. Achim Hansjürgens entwickelte die Horizontal-Therapie.

"Rehepatienten sollten zweimal täglich für mindestens 45 Minuten behandelt werden, und zwar etwa 14 Tage lang", sagt Blume. "Dass sich das Pferd wohler fühlt, merkt man aber meist schon nach der ersten Anwendung." Nach Einweisung durch einen Therapeuten kann der Besitzer sein Pferd übrigens selbst mit einem Mietgerät (180 Euro für 14 Tage) weiterbehandeln.Die Elektrotherapie ist nur selten tabu, und zwar bei trächtigen Tieren im Uterusbereich, fiebrigen Allgemeininfektionen und akuten lokalen bakteriellen Infektionen, etwa einem Einschuss. "Über den Schütteleffekt würden die Erreger sonst massiv im Körper verteilt", erklärt Blume. Behandlungsverbot besteht außerdem bei Menschen mit Herzschrittmachern. Metallische Implantate wie Schrauben oder Platten bei Frakturen schränken die Therapie dagegen nicht ein. Und was ist mit schädlichen Nebenwirkungen? "Die gibt es nicht", sagt Blume.

Kontakt:

Weitere Infos über HT-Geräte bekommen Sie bei der Firma Hako-Med in Karlsruhe, Tel. 0721-481961, Mail: info@hakovet.de und im Internet unter www.hakovet.de

Selbstversuch: Strom stoppt Schmerz

Redakteurin Linda Krüger lässt ihren schmerzenden Ellenbogen unter Strom setzen. Die Arbeit als Redakteur strapaziert die Nerven – bei mir vor allem die des linken Ellenbogens. Den stütze ich oft unbewusst auf der Schreibtischplatte auf, worauf der Musikknochen mit schmerzhaften Untertönen reagiert. "Großartig, dann können Sie den schmerzlindernden Effekt der Horizontal-Therapie an sich selbst testen", sagt Dr. Achim Hansjürgens und klebt mir Elektroden auf den lädierten Arm. Mir stellen sich die Haare auf, als er das Gerät hochpegelt. Ich bin extrem empfindlich, was Strom angeht. Nicht zuletzt dank schmerzhafter Erfahrungen mit einer Elektrotherapie zum Muskelaufbau. "Da wurden Sie vermutlich mit Gleichstrom behandelt", meint Hansjürgens. "Unter den Elektroden mit positiven und negativen Polen, die nicht wechseln, kann es zu Verätzungen kommen." Die HT kribbelt nur. Nach etwa 10 Minuten fühlt sich die Haut zwischen den Elektroden taub an – ein Gefühl, das fast eine Stunde lang anhält. Der Schmerz im Ellenbogen lässt nach.

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Lisa Rädlein
Die Klebeelektrode wird direkt auf dem schmerzenden Ellenbogen befestigt.

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Erscheinungsdatum 17.05.2023