Hier ist die Hölle los. Schimmelpilze, Bakterien und unzählige Staubpartikel wimmeln im Heuhaufen. Und zwar in jedem. Selbst das beste Heu ist nicht absolut keimfrei. Wichtig ist, dass sich das lebhafte Treiben in Grenzen hält. Denn nehmen Staub und Keime überhand, kann das beim Pferd zu Husten oder Verdauungsproblemen führen. Empfindliche Tiere reagieren sogar schon auf geringe Reizstoffmengen allergisch. Abhilfe versprechen Heubedampfer, die das Raufutter reinigen sollen. Doch produzieren solche Geräte tatsächlich mehr als heiße Luft? CAVALLO überprüfte die Wirkung im Labor – mit überraschenden Ergebnissen.Im Test sind zwei Geräte: Das Modell Haygain „HG-600“ des britischen Herstellers Propress Equine Ltd. für rund 1.500 Euro sowie ein Modell der Marke Eigenbau für nur etwa 150 Euro Materialkosten.Die Anleitung stammt von einem findigen Schweizer: Jahrelang verkaufte Werner Balsiger seinen eigenen Heubedampfer (WEBA). Mittlerweile bietet er im Internet (www.tierheim-blacky.ch) nur noch eine Gratis-Bauanleitung an. Mit einfachen Mitteln und geringen Kosten können Sie sich selbst ein Dampfbad fürs Pferdefutter bauen. Die Funktion solcher Heubedampfer ist recht simpel: Heißer Wasserdampf soll Keime wie Schimmelpilze, Bakterien und Hefen beseitigen und reizenden Staub quasi in Luft auflösen.
Gleichzeitig sollen die wichtigen Vitamine und Nährstoffe des Futters erhalten bleiben – wie bei einem Dampfkochtopf. Die Idee ist genial, denn damit würden sich viele Atemwegsprobleme reduzieren lassen, und der empfindliche Magen-Darm-Trakt der Pferde wäre geschützt – bei optimalem Energiegehalt des Heus. Funktioniert das auch in der Praxis? Und wie schneidet das kommerzielle Gerät im Vergleich zum preiswerten Eigenbau ab?
Keimreduzierende Wirkung
Um die keimreduzierende Wirkung der Heubedampfer zu überprüfen, bestückt CAVALLO die beiden Geräte mit je einem Ballen Heu. Als Testheu dienen zwei Kleinballen der Ernte , beide vom gleichen Schnitt. Bevor das Heu im Dampfbad landet, nehmen die Tester von den noch unbehandelten Heuballen Proben. Sie werden im Landwirtschaftlichen Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg in Karlsruhe auf ihren Keimgehalt untersucht.Video: Heubedampfer „Haygain“Staubfrei, sauber, einfach lecker. So soll Heu nach einem heißen Bad im Pferdemagen landen. Hier können Sie ein Video zu einem solchen Gerät – dem „Haygain“. Produkt-Infos: Der Haygain „HG-600“ von Propress Equine fasst etwa 10 bis 12 Kilo Heu (160 Liter). Das Gerät verbraucht rund 3,5 Liter Wasser pro Vorgang. Es gibt auch noch andere Größen. Die Preise liegen zwischen 900 und 2300 Euro. Nähere Infos unter www.haygain.com

Heuqualität und Keimgehalt
Die Untersuchungen vor der Bedampfung ergeben, dass es sich um Heu der Qualitätsstufe I und II (Keimgehalt an Bakterien etwas erhöht) handelt. Insgesamt gibt es vier Stufen (sehr gut bis überhöhter Keimgehalt/ verdorben). Diese legt der Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs und Forschungsanstalten (VDLUFA) fest.Sie gelten nicht für erntefrisches Heu, sondern nur für Heu, das mindestens sechs bis acht Wochen alt ist. Der Reifeprozess muss abgeschlossen sein. Beurteilt wird nur der mikrobiologische Qualitätszustand, nicht, ob sich das Heu zur Fütterung für Pferde eignet. Trotzdem sollte es ab Qualitätsstufe III nicht mehr verfüttert werden, da es zu gesundheitlichen Problemen aufgrund der erhöhten Keimbelastung kommen kann. Die Testballen lassen sich problemlos in den zwei Heubedampfern versenken: Kordeln entfernen, Heu rein, Klappe zu, Dampf marsch. Für den Test bleibt das Heu laut Anleitung rund eine halbe Stunde bei 100 Grad in den Geräten. Anschließend werden die Futterproben auf sieben verschiedene Keimgruppen im Labor der LTZ Augustenberg untersucht. Dr. Anja Töpper leitet dort das Referat für Futtermitteluntersuchung und Mikrobiologie. Zu den untersuchten Keimgruppen gehören Bakterien und Pilze, die sich in jedem Heu finden, aber auch Verderb anzeigende Bakterien, Pilze und Hefen.Die Laborergebnisse sind verblüffend. „Teilweise reduziert sich die Keimzahl um den Faktor 10, also sehr deutlich“, sagt Dr. Anja Töpper. „Eine statistische Sicherheit fehlt uns natürlich. Wir haben ja nur zwei Heubedampfer und zwei Ballen untersucht.“ Dennoch ist sie vom Resultat überrascht.„Dass sich die Keime derart drastisch mit heißem Dampf reduzieren lassen, hätte ich nicht gedacht“, staunt die LTZ-Expertin. Die Werte liegen nach dem heißen Dampfbad sogar unterhalb der messbaren Grenzmenge.

Nährstoffen schadet Hitze nicht
Sauber ist das Heu also. Aber was passiert mit den Nährstoffen im Raufutter, das bei 100 Grad gegart wurde? Gar nichts. Die Ergebnisse der Nährstoffanalyse zeigen, dass die Behandlung keine Auswirkungen auf die Nährwerte hat (der Vitamingehalt wurde nicht untersucht). „Die verdauliche Energie des Heus liegt auch nach dem Bedampfen noch im gängigen Bereich von 7,4 Megajoule. Die Rohnährstoffe sind also von der Hitze nicht betroffen“, erklärt Dr. Anja Töpper.Scheinbar reicht die Hitze nicht aus, um die Rohnährstoffe zu zerstören. Auch die Zeit, die das Heu im Dampf verbringt, ist wohl zu kurz. „Beim Pelletieren von Pferdefutter wird ja ebenfalls mit höheren Temperaturen gearbeitet, ohne dass die Nährstoffe zerstört werden“, vergleicht Dr. Anja Töpper.Doch welches Gerät reinigt nun besser und schonender? Egal, ob Nährwerte oder Keime, einer hat im Test ganz klar die Nase vorn: Der Heubedampfer HG-600• von Propress Equine befreit das Raufutter deutlich besser von Staub und Keimen als das Modell der Marke Eigenbau – auch wenn dessen Ergebnis durchaus zufriedenstellend war.
Warum das teure Gerät besser abschneidet, wird schnell klar. Durch die Bodenplatte mit den kräftigen Verteilerdüsen dringt der heiße Dampf tiefer ins Heu, das außerdem flacher verteilt werden kann. Der Haygain hat also mehr Power. Zudem ist der Behälter doppelwandig und schließt fest. So dringen nur wenig Wärme und Dampf nach außen. Der Deckel des Eigenbaus schließt dagegen nur bedingt (eine Mülltonne muss ja auch nicht extrem dicht sein), Dampf sammelt sich unterm Heu und sucht sich seinen Weg ohne Düsenkraft nach oben. Außerdem ist das Raufutter in der engen Tonne hoch aufgetürmt.Warum aber machen Bakterien, Hefen und Pilze unter Dampf so schnell schlapp? Das liegt eindeutig an der Hitze, die mit Hilfe des Dampfes bis zum letzten Heuhalm dringen kann. „Liegt die Temperatur für ein paar Minuten bei 70 Grad Celsius, sterben viele Keime schon ab“, erklärt Dr. Anja Töpper. „Wirkt die Temperatur eine Stunde oder länger ein, reichen auch 50 Grad.“ Doch Vorsicht: Gefährliche Pilzsporen, die zu schweren Stoffwechselstörungen mit Leber- und Nierenschäden, allergischem Husten und Kolik führen können, sind bei niedrigen Temperaturen nicht kleinzukriegen. „Sporen beseitigen Sie in der Regel erst ab 121 Grad Celsius“, sagt Dr. Anja Töpper.Da selbst 70 Grad schon ganz schön heiß ist, sollten Sie ein paar Minuten warten, ehe Sie das Heu nach dem Bedampfen anfassen. Sonst verbrennen Sie sich die Finger. Mit einer Mistgabel können Sie es jedoch auflockern und den Dampf ein wenig ablassen. Lange lagern sollten Sie bedampftes Heu allerdings nicht. Das zeigt ein weiterer Laborversuch: „Wir haben nach der Behandlung zwei Proben aufgehoben und nach drei Tagen auf ihren Keimgehalt hin untersucht“, sagt Dr. Anja Töpper.
Beim Lagern wuchern Pilze
Während Sie das Heu aus dem Haygain nach drei Tagen noch verfüttern können, sollten Sie das Futter aus dem Eigenbau-Bedampfer sofort anbieten. Zwar steigt der Bakteriengehalt im Testheu nicht an, dafür sprießen aber die Verderb anzeigenden Pilze. Der Grund: Laut Anleitung muss man zehn Liter Wasser über das Heu in der Tonne gießen, damit der Dampf besser bis nach oben dringt. Liegt dieses feuchte Heu nun ein paar Tage, wuchern die Pilze. Das Heu im Haygain wird dagegen nicht gewässert.Trotz der überraschend positiven Ergebnisse gilt: Schlechtes Heu bleibt schlechtes Heu. „So ein Bedampfer darf auf keinen Fall als Freifahrtschein genutzt werden, um Pferden minderwertiges Heu zu verfüttern“, sagt Dr. Anja Töpper. „Pilze und Bakterien bilden Giftstoffe wie Myko- und Endotoxine, die heißer Dampf nicht beseitigen kann.“ Allergikern und Pferden mit empfindlichem Verdauungssystem kann man damit aber eine gesunde Portion Heu bieten.Das Frühjahr war warm und viel zu trocken, danach kamen Regen und Kälte. Keine guten Voraussetzungen für eine üppige Heuernte. Die Lage in den Bundesländern ist zwar unterschiedlich, doch eine Tendenz zeichnet sich ab: Heu ist knapp und wird teurer.In Baden-Württemberg etwa war die Qualität des 1. Schnitts recht gut, die Menge aber zu gering. Im 2. Schnitt gab es ausreichend Heu, das Gras war jedoch schon sehr verholzt. In Niedersachsen brachte die Ernte Ende Mai rund 1/4 bis 1/3 weniger Ertrag als 2010; die Qualität war recht gut. Für 100 Kilo Heu zahlt man hier zurzeit rund 19 Euro.
