Das Pferdeknie wird in etwa 75 Minuten in seine Einzelteile zerlegt. Bei jedem Klopfgeräusch der Röhre entstehen dreidimensionale Schnittbilder von Knochen, Knorpel, Bändern, Sehnen und Meniskus. Die Magnetresonanztomographie, kurz MRT oder Kernspin, macht das Innere des Pferds besser sichtbar als jedes andere bildgebende Verfahren. Das Verfahren wird in einigen Pferdekliniken in Deutschland eingesetzt, oft ist jedoch "nur" ein Einsatz bis zum Karpal- oder Sprunggelenk möglich. Einige besondere Geräte können jedoch auch das Pferdeknie untersuchen. In Deutschland gibt es derzeit zwei solcher Spezial-MRT-Geräte: Das eine in der Pferdeklinik am Kottenforst (Wachtberg/Nordrhein-Westfalen), das andere in der Pferdeklinik Aschheim/Bayern.
Der Clou dieses Geräts ist die offene, drehbare Röhre, die neue Einblicke ins Pferd ermöglicht. "Bei geschlossenen Röhren kann man zum Beispiel das Knie nicht so frei lagern, weil das Pferd mit dem Körper gegen das Gerät stößt", sagt Dr. Martin Waselau von der Pferdeklinik Aschheim. "Die MRT-Untersuchung am stehenden Pferd beschränkt sich eher auf die distalen Gliedmaßen wie die Zehen."
Für die mehr als einstündige Untersuchung wird das Pferd in Narkose gelegt. "Wie in der Humanmedizin muss der Patient absolut still liegen, sonst bekommen wir keine ordentlichen Bilder", erklärt Waselau. Das Pferd liegt auf einem gepolsterten Tisch, der an die Röhre geschoben wird.
Die gesamte Ausstattung im Untersuchungsraum inklusive Anästhesie-Equipment ist antistatisch, um die Aufnahmen nicht zu stören. Ein Anästhesist überwacht den Patienten am Untersuchungstisch, ein weiterer Tierarzt sitzt außerhalb des Spezialraums am Computer, der die Schnittbilder mit verschiedenen Sequenzen errechnet. Die Untersuchung ist nach derzeitigem Wissensstand harmlos: Sie kommt ohne belastende Strahlen aus. Die Kosten entsprechen mit rund 1200 Euro etwa denen einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie).
Die Magnetresonanztomographie kurz MRT basiert auf starken Magnetfeldern sowie elektromagnetischen Wellen im Radiofrequenzbereich, die Atomkerne (Wasserstoffprotonen) im Körper anregen und elektrische Signale auslösen.
Vereinfacht ausgedrückt, richten sich die Wasserstoffteilchen im Pferd unter magnetischem Einfluss neu aus und fallen danach in ihre Muster zurück (Grafik rechts), wobei sie eingestrahlte Energie wieder abgegeben. Je nach Gewebe geht das schneller oder langsamer, was Bilder in verschiedenen Graustufen ergibt.
Der unterschiedliche Wassergehalt in Muskeln, Knochen, Bändern, Sehnen oder Knorpel sorgt für weitere Kontraste. "Durch Feinauflösung und Vergleiche verschiedener Sequenzen können wir zwischen chronischem und akutem Krankheitsgeschehen unterscheiden, was prognostisch sehr wichtig für die Karriere des Pferds sein kann", nennt Waselau ein zen trales Plus der MRT. Die typischen Klopfgeräusche entstehen übrigens durch Vibrationen im Gerät, die das Magnetfeld auslöst.

MRT-Befund: Headshaker hatte Zahnweh
Die meisten Pferde kommen zur Lahmheitsdiagnostik in die Röhre. "Für die Diagnose von Kniegelenkskrankheiten ist das der Durchbruch", sagt Waselau. "Das komplexe Gelenk lässt sich inklusive aller Weichteile darstellen, was bisher unmöglich war." Selbst der direkte Blick ins Knie bei einer Arthroskopie ist weniger erhellend, weil der Chirurg dabei nie das ganze Gelenk sehen kann.
"Die Untersuchung ist zudem bei Pferden wichtig, die länger als vier Monate lahmen oder unter wiederkehrenden oder therapieresistenten Lahmheiten leiden", meint Waselau. "So wurde der Verdacht auf eine Insertions-Desmopathie am Fesselträgerursprung, also eine Entzündung der Anheftung des Fesselträgers am Knochen, im MRT oft als Knochenzyste oder schmerzhaftes Überbein entlarvt."
Im Kernspin kommen die Tierärzte auch vielen alltäglichen, aber kniffligen Problemen auf die Spur wie anhaltender klammer Gang, vermehrtes Stolpern oder Zügel-Lahmheit. Waselau: "Je nach Ursache kann das Pferd direkt nach der Untersuchung operiert werden, oder man weiß, dass eine OP nichts bringt." Dem chronisch lahmenden Pferd mit Knochenödem (Foto A) konnten die Veterinäre durch einen Eingri™ helfen; das Sportpferd mit massivem Knieschaden (Foto B), das jahrelang erfolglos mit Gelenkinjektionen behandelt worden war, nahm der Besitzer nach der Diagnose aus dem Training.

Der Headshaker litt zwei Jahre unter Zahnweh
Mit Schnittbildern vom Kopf untersucht der Tierarzt die Augen oder das Gehirn, wo sich Auslöser neurologischer Störungen verbergen können (Foto C). Bei Zahnpatienten oder Pferden mit Nasennebenhöhlenproblemen sind alle Knochen-, Weichteil- und Zahnstrukturen sowie die Auskleidung der Nasennebenhöhlen zu erkennen.
In der Röhre endet damit mancher Leidensweg von Pferden, wie der eines Headshakers: Eine Zahnwurzelzyste am Backenzahn löste das Kopfschütteln aus, unter dem das Pferd seit zwei Jahren litt. Die Darstellung der Halswirbelsäule ermöglicht eine bessere Diagnostik unter anderem bei ataktischen Pferden (Wobblern) oder Nackenbandfisteln – bevor der Chirurg zum Skalpell greift. Waselau: "Die operativen Zugänge sind besser planbar, die Prognose besser bestimmbar." Der Röhre sei dank.
Kontakt zur Pferdeklinik Aschheim: Tel. 089 – 90 43 043 E-Mail: office@pferdeklinik-aschheim.de
Kontakt zur Pferdeklinik am Kottenforst: Tel. 0228 – 32 98 798 E-Mail: info@pferdeklinik-kottenforst.de