Wie redet man Zwillinge, die als Pferde-Heilpraktiker im Team arbeiten, eigentlich korrekt an: „Frauen van der Weerd“? Klingt irgendwie komisch. „Sag doch einfach Kati und Rike“, meint eine von beiden. Nur welche war das jetzt? Egal, denn die beiden gibt es sowieso nur im Doppelpack. Das aber rezeptfrei, wie es sich für Tierheilpraktikerinnen gehört.
CAVALLO begleitete das Duo aus Oberndorf bei Cuxhaven bei seiner Arbeit und traf dabei auf Alternativmedizinerinnen, die weit mehr tun, als Globulis zu verteilen. Manchmal hilft auch ein praktischer Rat. Zum Beispiel bei Max. Der 25-jährige Haflinger teilt sich seit mehreren Jahren Koppel und Stall mit einem Isländer und mehreren Ziegen. „Die Besitzerin von Max hat uns gerufen, weil er im Fellwechsel Gewicht verliert“, sagt Kati van der Weerd.
Tatsächlich könnte Max’ Allgemeinzustand besser sein; er ist deutlich zu dünn und hat zu wenig Muskulatur. Das geht aber nur zum Teil aufs Konto seines fortgeschrittenen Alters. „Offenbar bekommt er zu wenig Heu, das ihm dann auch noch die Ziegen und der Weidekumpel streitig machen“, sagt Rike. Damit er wieder mehr auf die Rippen bekommt, wird sie mit ihrer Schwester später einen detaillierten Futterplan erstellen.
„Natürlich könnten wir auch einfach ein homöopathisches Mittel verkaufen und es dabei belassen“, sagt sie. „Das allein hilft dem Pferd aber nicht.“ „Und der Reiterin auch nicht“, ergänzt ihre Schwester. Mit dem Futterplan in der Hand kann sie angemessene Rationen für Max durchsetzen – oder andernfalls den Stall verlassen. Da könnte man durchaus von selbst darauf kommen.
„Manchmal ist man einfach in bestimmten Verhaltensmustern gefangen“, sagen die Pferde-Heilpraktiker-Zwillinge. „Da braucht es dann nur jemanden, der einen in die richtige Richtung schubst.“ Oder beherzt zur Schermaschine greift. „Dieses Jahr haben wir hier oben ein absolutes Mauke-Jahr“, sagt Rike. „Bei einem Friesen, der schon sechs Monate darunter litt, haben wir als erstes den Kötenbehang abrasiert“, sagt sie. Für die Besitzer war das bis dahin undenkbar gewesen, ein Friese ohne Fusselfüße. „Sieht aber eigentlich ganz gut aus, und die Mauke ist er inzwischen auch los“, sagt Kati.
Behandlungsschritte abstimmen
Auf dem nächsten Hof können die Heilpraktikerinnen für Pferde auf die Schermaschine verzichten. Dort warten schon Denario und Ashley, die beide mit Mauke kämpfen. Besonders ausgeprägt ist die Krankheit bei Stute Ashley: Eine dicke Creme-Schicht bedeckt die geschwollenen Beine bis zu den Fesselgelenken.
„Vorige Woche waren die noch doppelt so dick“, erzählt eine Einstellerin. Die Kur der Heilpraktikerinnen für Pferde aus Babycreme (einmal täglich einreiben, feste Placken entfernen, auswaschen, neu eincremen) und homöopathischen Mitteln hat angeschlagen. Im Laufschritt geht es zurück zum Auto und zum nächsten Patienten.
Insgesamt acht Pferde stehen heute auf dem Plan der beiden. Sie werden um 19 Uhr rund 200 Kilometer auf dem Tacho haben und ungezählte Whatsapp-Nachrichten, SMS und Anrufe auf dem Handy. Doch der Tag ist dann noch lange nicht zu Ende. „Gleich haben sich noch Kleintierbesitzer in der Praxis angemeldet“, erzählt Rike. Anschließend wertet sie mit ihrer Schwester die Ergebnisse der Blutproben von gestern aus und berät sich mit Heilpraktikerinnen für Pferde über die nächsten Behandlungsschritte bei den betreffenden Patienten.
Dann gehen sie die Protokolle vom Tag durch und erteilen noch telefonisch Ratschläge. Das zieht sich bis spät in die Nacht. „Aufstehen ist um sechs Uhr früh, damit wir mit unseren beiden Pferden noch etwas machen können, bevor um acht Uhr der Wahnsinn über uns hereinbricht“, sagen die beiden. Das geht jeden Tag so. Auch samstags und mitunter sogar sonntags. Seit rund 15 Jahren. „Wir haben uns das ja so ausgesucht und hart dafür gearbeitet“, sagt Kati.

Physiotherapie als Basis
Pferdeverrückt waren die Pferde-Heilpraktikerinnen schon als Kleinkinder. „Wir sind als Dreijährige stiften gegangen“, erzählt Rike. „Auf der Dorfstraße wurden wir gestellt, mit 30 Pfennig in der Tasche. Davon wollten wir ein Pony kaufen.“ Später gab es sogar eines geschenkt. „Aber nur, damit unser Vater uns nicht ständig zum Reitunterricht bringen musste“, sagt Kati. Zum Pferdewunsch kam später der Traum von der Tierarztausbildung. Es blieb dabei. „Wir hätten Studienplätze gehabt, konnten uns das Studium aber einfach nicht leisten“, erzählen die beiden.
Stattdessen wurden sie Physiotherapeutinnen. Dann erkrankte das gemeinsame Pferd Soulaymann nach einer Impfung. Die beiden riefen einen Tierheilpraktiker zur Hilfe. „Nachdem wir gesehen haben, was der macht, beschlossen wir: Das können wir besser“, erzählen sie. Gesagt, getan. Neben dem Job lernten die beiden an einer Tierheilpraktikerschule, die von einer Tierärztin betrieben wird. Kein Widerspruch für die beiden. „Nur durch Handauflegen wird kein Pferd gesund“, sagt Rike.
„Allein mit Schulmedizin aber oft auch nicht“, ergänzt Kati: „Zusammen geht aber vieles, was sonst nicht möglich wäre.“ Wie etwa bei einem 23 Jahre alten Shetty mit Rehe. „Das hatte ein Tierarzt, allerdings kein Pferdespezialist, acht Wochen lang auf Schmerzmittel gesetzt“, erzählt Rike. Das Hufbein war kurz vor dem Durchbruch, als die Besitzerin bei den Zwillingen anrief. „Am nächsten Tag sollte es eigentlich zum Abdecker“, erinnert sie sich. Die beiden fuhren mit einem befreundeten Tierarzt hin, der das Pony röntgte. „Er war sich sicher, das wird nichts mehr“, erzählt Kati.
„Wir haben aber noch Hoffnung gesehen.“ Der Deal: Wenn sich die Lage nicht in einer Woche bessert, wird das Pony erlöst. „Wir haben es entgiftet, Stoffwechsel und Durchblutung angekurbelt und einen guten Hufschmied aufgetrieben“, erzählen die beiden. Sieben Tage später hatte sich das Shetty deutlich erholt und der Tierarzt war baff. Es sind solche Fälle, die ihnen eine große Kundschaft beschert haben und seit kurzem eine Fernsehserie beim NDR.
„Anders als in ähnlichen Formaten zeigen wir, wie eine Behandlung tatsächlich ausgeht“, betont das Zwillingspaar: „Wunder können wir nicht wirken. Nicht jedes Tier ist zu retten.“ Und in manchen Fällen sind Tierarzt, Schmied und Osteopath die besseren Ansprechpartner. „Das muss man den Leuten klar sagen, auch wenn wir dann nichts daran verdienen“, sagen beide. „Aber wir machen das ja für die Tiere.“
