Bienvenido hat Spaß. Der P.R.E.-Wallach tobt zwischen den hohen Sandwällen umher, galoppiert, stoppt abrupt und trabt mit schwungvollen Tritten zurück. Rutschen bei solchen Manövern? Fehlanzeige. Kein Wunder, denn der Reitsand, auf dem sich der Spanier fürs Foto-Shooting präsentiert, ist ein ganz besonderer – so besonders, dass er aus dem Abbaugebiet Bottrop im tiefsten Ruhrgebiet bis nach Dubai in die Arabischen Emirate exportiert wird.
Sand aus dem Ruhrpott für Dubai
Sand in die Wüste – ernsthaft? Haben die dort nicht genug davon? Genau diese Fragen stellte sich auch Udo Ellekotten. Ihm gehört das Familienunternehmen und die Sandgrube, in der der „Equiterra Reitsand aus Kirchhellen“ (www.equiterra.net) abgebaut wird. Als er im November 2014 die Anfrage aus Dubai bekam, glaubte er zunächst an einen Scherz. War es aber nicht: Die Scheichs wollten den Kirchheller Sand für ein Pferdesport-Leistungszentrum haben, das sie neu aufgebaut hatten.
Überzeugt hatte sie die Qualität des Natursands. Vielleicht hatten sie auch von dem Herzblut gehört, das Udo Ellekotten in die Herstellung seines Sands steckt. Denn Ellekotten ist selbst Reiter. Auf vielen Springturnieren ärgerte er sich über die schlechten, manchmal sogar gefährlich rutschigen Bodenverhältnisse. Besonders die unbeständige Qualität des Sands war ihm ein Dorn im Auge. Also machte er sich selbst ans Werk – und baut nun seit über 25 Jahren genau den Reitsand ab, den er selbst immer haben wollte. Denn Sand ist nicht gleich Sand, sagt Ellekotten: „Nicht jeder Sand ist für Reitboden geeignet.“
Aufbau des perfektes Reitbodens aus Sand
Ein guter Reitboden muss besondere Eigenschaften haben, damit Pferd und Reiter optimal und vor allem gefahrlos trainieren können. Das beginnt schon beim Aufbau: Die Grundlage bildet ein solider Baugrund, zum Beispiel Beton. Je nachdem, wie gut dort Wasser abfließen kann, wird teilweise eine zusätzliche Drainage benötigt. Darauf liegt die Tragschicht, die beispielsweise aus 15 bis 40 Zentimeter Schotter bestehen kann. Diese Tragschicht ist die Basis des Reitplatzes; sie sorgt dafür, dass der Boden stabil ist und Wasser abfließen kann.
Auf die Trag- folgt eine vier bis zehn Zentimeter hohe Trennschicht. Sie verhindert, dass sich Tretschicht und Tragschicht vermischen. Die Trennschicht kann etwa aus Brechsand bestehen, also maschinell zu Sand zerkleinertem Gestein. Brechsand verdichtet sich sehr gut und ist rutschfest.
Als Letztes kommt die Tretschicht, der für uns Reiter wichtigste Teil – nämlich der Bodenbelag. Dieser ist meist acht bis zehn Zentimeter hoch und besteht aus purem Sand oder Sandgemischen mit Lehm, Vlies oder Holzhäckseln.
Unterschiedliche Reiter, unterschiedliche Böden
Dressurreiter etwa mögen elastische Böden. Die federn das Auftreten der Pferde gelenkschonend ab und bieten einen optimalen Untergrund für ausdrucksstarke Bewegungen und Lektionen. Springreiter benötigen guten Grip, damit die Pferde in engen Wendungen zwischen den Hindernissen nicht wegrutschen. Rutschen wollen hingegen Westernreiter bei Sliding Stops; sie bevorzugen daher weiche, bewegliche Böden.
Unabhängig von der Reitweise gilt jedoch: Betonharte Böden belasten die Pferdegelenke, zu weiche Böden sind auf Dauer Gift für die Sehnen. Ob ein Boden zu hart oder zu weich wird, liegt unter anderem an der Körnergröße des Sands. Zu große Sandkörner führen nämlich zu einer mangelnden Scherfestigkeit. Das heißt, der Pferdehuf verdrängt beim Auftreten zu viel Sand – und das Tier kommt ins Rutschen. Zu feine Sandkörner wiederum verhärten sich bei hoher Feuchtigkeit stark.
Darauf kommt es beim Sand an
Deshalb kommt es auf die Sieblinie an. Darunter versteht man das richtige Mischungsverhältnis von groben und feinen Sandkörnern. Je nachdem, wie gemischt wird, sorgt die Sieblinie dafür, dass der Boden besonders elastisch, scherfest oder beweglich wird.
Quasi schon die perfekte Mischung an Sandkörnern unterschiedlicher Größe findet man in der Sandgrube der Familie Ellekotten. „Das Tolle an unserem Natursand ist, dass er trittfest, extrem saugfähig und nicht spitzkörnig ist“, erklärt Ellekotten. Denn eckige Körner wirken wie eine Feile und schmirgeln Hufhorn, aber auch Eisen regelrecht ab. Abgerundete Körner hingegen verringern den Abrieb an Hufen und Eisen.
Der Natursand kommt genau so in die Reithalle, wie er abgebaut wird. Zusatzstoffe wie Holzschnitzel braucht der Kirchheller Sand nicht. Allerdings wird der Quarzfeinsand regelmäßig auf seine Qualität kontrolliert: Enthält der Sand zu viele Schlämmstoffe oder Schluff? Das sind Bodenpartikel, die feiner als Sand, aber gröber als Lehm sind. Gibt’s zu viele davon, kann die Drainage oder die Tragschicht verstopfen, und trockene Böden stauben.
Ist hingegen genau der richtige Anteil an Schlämmstoffen enthalten, binden diese den Sand – so wie beim Natursand aus Kirchhellen, der besonders für Dressur und Springen geeignet ist. Ein zu weicher oder fester Sand bekommt hingegen noch Zusätze wie Lehm, Vlies oder Holzhäcksel. Welcher Zuschlag in Frage kommt, hängt von der Beanspruchung des Bodens und persönlichen Vorlieben ab.
Entsorgung bedenken
Was Reiter dabei nicht außer Acht lassen sollten: die Entsorgung von altem Füllmaterial. Denn künstliches Vlies muss etwa gesondert entsorgt werden, weil es sich nicht zersetzt. Damit steigen die Entsorgungskosten im Vergleich zu Natursand oder Sand, der nur biologisch abbaubare Zuschlagstoffe wie Holz enthält.
Und warum ist nun Sand aus der Wüste nichts fürs Reiten? Das liegt an der Beschaffenheit der Wüstensandkörner. Durch den ständigen Wind werden die Körner sehr fein und rund geschliffen. Horn und Eisen würden so zwar nicht abgeschmirgelt; allerdings lassen sich solche feinen Körner auch nicht zu trittfestem Reitboden verdichten.
Wie trittfest der Kirchheller Sand ist, testete P.R.E.-Wallach Bienvenido beim Foto-Shooting. Sieblinie, Schluff und Co. sind dem Wallach vermutlich herzlich egal. Wer ihm aber beim Toben zusieht, der weiß: Ein guter Reitboden macht auch Pferden Spaß.
Pferde-Shooting in der Sandgrube - Strandfeeling mitten im Ruhrpott




