Das Pferd fängt an zu beißen, weil Bewegung fehlt. Eine stressige Reitstunde löst Koliken aus, und eine Rehe-Therapie schlägt einfach nicht an, weil der Patient Streit in der Herde hat. Das sind keine ausgedachten Geschichten, sondern reale Fälle aus dem Tierarzt-Alltag von Dr. Michaela Gambs.
Bei den erwähnten tierischen Patienten zeigt sich ein Phänomen, das beim Menschen mittlerweile zahlreiche Studien belegen: Körper und Psyche sind stark miteinander verbunden. Das wissen wir auch intuitiv, etwa wenn wir spüren, dass uns bei Angst das Herz bis zum Hals schlägt. Oder dass wir uns bei der Arbeit kaum noch konzentrieren können, weil der Rücken schmerzt. Leidet die Psyche, leidet auch der Körper – und andersherum.
Psyche und Körper sind nur gemeinsam stark
Im Humanbereich beziehen Ärzte immer häufiger die Psyche in Behandlungen mit ein. So erhalten heutzutage Menschen mit chronischen Rückenschmerzen oft auch psychologische Beratung. Denn es hat sich gezeigt, dass die Angst vor dem Schmerz das Leiden häufig noch verschlimmert. „Auch bei kranken Pferden ist es wichtig, den seelischen Zustand mit im Blick zu haben – und gegebenenfalls zu behandeln“, sagt Dr. Michaela Gambs.
Pferde können ebenfalls unter Angst, Trauer und Stress leiden. Französische Forscher wiesen sogar nach, dass die Vierbeiner depressiv sein können und dabei ein ganz ähnliches Verhaltens- Profil aufweisen wie Menschen: Sie reagieren etwa abgestumpft auf Reize.
Hilfe für die Seele kommt aus der Natur
Aber mit welchen Mitteln kann man Pferden mit angeschlagener Psyche helfen? Die Gesprächstherapie auf der Couch kommt für Tiere freilich nicht in Frage – schließlich können sie uns nicht erzählen, welche Sorgen sie beschäftigen. Laut Dr. Michaela Gambs gibt es zudem schulmedizinisch kaum Psycho-Medikamente für Pferde: Und wenn doch, kommt eine Behandlung aufgrund der hohen Kosten oft gar nicht erst zustande.
Deshalb greift die Tierärztin auf Mittel aus der Natur zurück. Vor allem mit der Kombination aus Homöopathie, Kräutern und Futteroptimierung erzielt sie bei Patienten oft verblüffende Effekte.
Gib die Kugel: Das Mittel gegen Kummer

Globuli gelten als Geheimwaffen bei Aggression, Wut und Trauer. Schulmedizinisch ist die Wirkung der kleinen Kügelchen umstritten. Doch mehr als die Hälfte der Deutschen greift zu den homöopathischen Mitteln. Tierärztin Dr. Michaela Gambs setzt die Kügelchen als Kummermittel ein – zusätzlich zur schulmedizinischen Behandlung und in den meisten Fällen in Ergänzung mit weiteren Therapien.
Wie wirken Globuli? Das Prinzip ist einfach: Ähnliches wird mit Ähnlichem geheilt. Der Patient erhält in stark verdünnter Form die Grundsubstanz, die eigentlich das Krankeitsbild hervorrufen würde. Das soll den Körper zur Selbstheilung anregen.
Die Crux ist es, genau das richtige Mittel zu finden. „Das ist bei Pferden noch schwieriger als bei Menschen, weil sie nicht erzählen können, was ihnen Kummer bereitet“, sagt Dr. Gambs. Sie stellt also dem Besitzer Fragen zum Verhalten des Pferds und nutzt Muskeltests aus der Kinesiologie, um das passende Mittel zu finden. „Es gibt fünf bis sechs homöopathische Arzneimittel, die schon einiges abdecken.“ Meist kombiniert sie die Mittel, teils gibt Dr. Gambs sie einzeln.
Ein klassisches Eifersuchtsmittel ist Ignatia (Ignatiusbohne). Argentum Nitricum (Sibernitrat) soll Nervosität lindern, etwa bei aufregenden Ereignissen wie Turnieren. Natricum Muriaticum (Kochsalz) kann bei Rückzug und Kummer zum Einsatz kommen – etwa wenn ein Pferd einen Freund verloren hat. Nux vomica (Brechnuss) besänftigt bei Zorn und Wut. Dieses Mittel war laut der Tierärztin auch der Schlüssel zum Behandlungserfolg bei einem Dauerpatienten, einem Koliker.
Wut in der Reitstunde löste beim Pferd Kolik aus
Immer wieder montags um 21.30 Uhr kam der Notruf: Wallach Whisper hat eine Kolik. Die Tierärztin konnte schon die Uhr danach stellen. Sie fuhr zu dem Pferd, spritzte krampflösende Mittel und dem Wallach ging es bald wieder besser. Warum aber kam die Kolik immer wieder und immer am gleichen Tag und zur gleichen Zeit? Michaela Gambs befragte die Besitzer des Pferds und fand heraus: Scheinbar schlug die Reitstunde dem Warmblut auf den Magen. Die fand nämlich immer montags statt, kurz vor der Kolik. „Das Pferd bekam im Unterricht nicht seinen Willen – das löste wahrscheinlich Wut und Stress aus“, sagt die Tierärztin.
Sie verordnete dem Pferd Nux vomica. Die Besitzerin gab die Kügelchen drei Wochen lang – und später nur noch vor der Reitstunde. Whisper entspannte sich zusehends, und die Tierärztin musste keine weitere Kolik mehr bei dem Wallach behandeln.
Gutes Futtermanagement hebt die Laune
Auch Futter kann die Laune von Pferden heben. Kauen macht die Vierbeiner glücklich. Dafür brauchen sie ausreichend Raufutter. „Wer seinem Pferd qualitativ hochwertiges Heu füttert, tut damit auch Gutes für die Psyche“, sagt Dr. Gambs. Heu sollte möglichst zuckerarm sein. Denn zu hohe Mengen Zucker können bei Pferden Unausgeglichenheit fördern.
Gegen schlechte Laune wirkt auch gutes Futtermanagement: Als Gambs eigenes Pferd aufgrund einer Verletzung Boxenruhe hatte, wurde es immer depressiver. Die Tierärztin begann, mehrere kleine Portionen im Heunetz zu füttern. So verlängerte sie die Futterzeit und sorgte für Beschäftigung.
Knabberhölzer als Stimmungsbomben
Aber wie geht das bei Pferden auf Diät? Gerade die sind ja oft besonders garstig. Kein Wunder: Grenzt man die Kauschlagmenge beim Pferd drastisch ein, gerät das Tier in Überlebensstress. Es denkt, es verhungert. Denn das Sättigungsgefühl ist an die Kauschlagmenge gekoppelt. Für mehr Zufriedenheit können Knabberhölzer sorgen. Die Hölzer regen Pferde zum Kauen an. Als Snack eignen sich etwa Zweige von Silberweide und Hasel.
Kräuter-Kur gegen Unruhe und Schreckhaftigkeit
Die Kraft von Kräutern nutzen Menschen seit Jahrtausenden zur Heilung von Körper und Geist. Da Kräuter wie Medizin wirken können, ist ein bewusster Einsatz wichtig. „Pferde sollten Kräuter immer nur kurweise bis zu sechs Wochen bekommen“, rät Dr. Michaela Gambs.
Gute Erfolge zeigt eine Kräuter-Kur laut der Tierärztin bei Hektik, Unruhe und Schreckhaftigkeit. „Hinter solchem Verhalten kann eine erhöhte Belastung mit Schwermetallen wie Arsen und Kupfer stecken. Die chemischen Stoffe kommen in Böden, Heu und Wasser vor“, sagt Dr. Gambs. Sie verabreicht betroffenen Patienten spezielle Kräutermischungen. Diese sollen den Stoffwechsel ankurbeln und Umweltgifte schneller ausleiten.
Lavendel beruhigt bei Schreck und Transport
Eine dufte Sache für die Psyche ist Lavendel. Die lila Pflanze kann Stress entgegenwirken, denn sie beruhigt den Herzschlag. Eine US-Studie zeigte: Pferde kommen nach Schreckmomenten schneller runter, wenn sie Lavendel einatmen.
Auch beim Hängerfahren kann Lavendel für Entspannung sorgen. Das fand eine US-Studentin heraus. Sie ließ Pferde für eine Studie 15 Minuten im Anhänger transportieren und maß dabei deren Herzfrequenz und Cortisolspiegel. Eine Gruppe von Pferden inhalierte beim Transport Lavendelöl, eine atmete nur Wasserdampf ein. Das Ergebnis: Pferde mit Lavendelöl in der Nase fuhren deutlich relaxter.
Akupressur fürs innere Gleichgewicht
Eine Wohltat für die Psyche ist zudem Akupressur. Die Heilmethode stammt aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Sanfter Fingerdruck soll Körper und Seele ins Gleichgewicht bringen. Dabei stimuliert der Therapeut mit kreisenden Bewegungen Akupressurpunkte, die nach traditioneller chinesischer Vorstellung den Fluss der Lebensenergie harmonisieren.
„Akupressur kann das Pferd freundlicher stimmen und der Psyche etwa bei Unruhe und Angst gut tun“, sagt Tierärztin Dr. Ina Gösmeier aus Marl (www.goesmeier.de). Die Technik können auch Laien lernen und damit ihrem Liebling die Seele streicheln.
Erst als auch die Einsamkeit des Ponys behandelt wurde, schlug die Rehe-Therapie an.
Shetty Pünktchen litt unter Hufrehe und lag fast nur noch. Als letzten Versuch wollten die Besitzer einen homöopathischen Ansatz probieren. Sie riefen Dr. Michaela Gambs. Die Tierärztin fand heraus: Pünktchen war extrem einsam, seit sich die Herdenkonstellation geändert hatte und ihre zuvor beste Freundin sie attackierte. Die Tierärztin ergänzte die Rehe-Therapie mit Kräuterpräparaten und Globuli für die Psyche. Nach sechs Wochen lief das Pony beschwerdefrei.
Futtermanagement bei Aggression aufgrund von Boxenruhe
Stute Fleur durfte nach einer Sehnenverletzung nur eingeschränkt bewegt werden. Das Pony begann, aus Frust zu beißen und zu treten. Um für mehr Beschäftigung zu sorgen, stellte Dr. Michaela Gambs das Futtermanagement um. Fleur bekam ihr Raufutter fortan im Heunetz in vielen kleinen Portionen über den Tag verteilt. Die Laune der Stute besserte sich zusehends.
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