1 Pferd, 5 Checks
So sieht ein Rundum-Check fürs Pferd aus

Verspannt im Training, schiefe Hufe, viel zu oft krank. Irgendwas stimmt nicht mit dem Pferd, aber was nur? CAVALLO hat fünf Experten zu einer Stute gerufen, die mit ganz typischen Problemen kämpft. Geballtes Wissen und Team-Arbeit bringen die "Baustellen" ans Licht – und auch die Lösungswege.

Top Thema Checks fürs Pferd
Foto: Lisa Rädlein

Check-Kandidat

Claviclac, genannt Clavi, ist elf Jahre alt. Carolin Reeb kaufte sie im Herbst 2013. Leider sieht die schicke Rappstute den Tierarzt zu oft.

Immer wieder kämpft sie mit Koliken. 2016 wurde eine Leptospirose-Infektion diagnostiziert, woraufhin sie zweimalig mit Antibiotika behandelt wurde. Danach kam es wieder zu mehreren Koliken mit Klinikaufenthalt. Bei einer Gastroskopie wurden eine Magenschleimhautentzündung und Magengeschwüre entdeckt, die daraufhin über einen längeren Zeitraum behandelt wurden. Eine Blutuntersuchung ergab Futtermittelallergien auf Weizen, Hafer, Mais, Melasse und Hefe.

Beim Reiten und Longieren ist Clavi anfangs verspannt und klemmig. Sie braucht eine lange Lösungsphase, jeden Tag aufs Neue. Regelmäßige Physio-Behandlungen haben nur kurzfristigen Erfolg. Nach den Behandlungen ist ein deutlicher Unterschied spürbar, dieser hält aber nicht an.

Medizin-Check

Exterieur:

  • klare Beine?
  • gute Rückenlinie?
  • wacher Blick?
  • ausgeglichener Eindruck?

Krank sieht Clavi gar nicht aus. "Die ist schön im Lack", lobt Tierarzt Stefan Schneider. "Gut gebaut, lange, trockene Beine ohne Gallen, wache Augen, macht einen guten, ausgeglichenen Eindruck. Gefällt mir."

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Lisa Rädlein
Stefan Schneider, Burkhard Rau und Claudia Butry (v.l.n.r.) nehmen Clavi kritisch unter die Lupe.

Die Rappstute schaut interessiert in die Expertenrunde mit Stefan Schneider, Dressurausbilderin Claudia Butry und Hufexperte Burkhard Rau. Sie wirkt aber skeptisch, fällt Claudia Butry auf, die sich noch auf Abstand hält, als die beiden Herren schon voller Elan die Stute abtasten, um herauszufinden, wo sie verspannt ist. Auch Fütterungsexpertin Leda Führ und Sattelexperte Stefan Wolfrum halten die Stute bei ihrem Besuch eine Woche später für gut in Schuss und im Futter.

Erstes Fazit: Das Exterieur dürfte Clavi keine Probleme bereiten.

Muskulatur:

  • Schultern gleich stark bemuskelt?
  • Schulterspitzen auf gleicher Höhe?
  • Muskulatur an den Beinen gleich stark?
  • Wirbelsäule in Rückenmuskulatur eingebettet?
  • Kuhlen neben dem Widerrist?
  • Hals zu beiden Seiten gleich beweglich?
  • Unterkiefer zu beiden Seiten gleich beweglich?
  • An welchen Stellen druckempfindlich auf Berührungen?

"Wenn ich sie ganz leicht am Widerrist berühre, findet sie das schon nicht gut", stellt Burkhard Rau fest, der sich nicht nur mit Hufen auskennt, sondern auch Physiotherapeut für Pferde ist. Claudia Butry fragt, ob die Stute Probleme mit dem Sattel haben könnte. Die Besitzerin bestätigt, dass der Sattel hinten ein bisschen wippt. "Wir dürfen da aber nicht zu viel hineininterpretieren, da das Pferd sehr sensibel ist", wendet Stefan Schneider ein.

"Werden die Zähne kontrolliert?", möchte er wissen. Besitzerin Carolin Reeb bestätigt, dass Clavis Zähne einmal im Jahr korrigiert werden, zuletzt vor etwa einem halben Jahr. Burkhard Rau schiebt Clavis Unterkiefer vorsichtig von links nach rechts. So will er testen, ob Zahnhaken im Weg sind, die die Kaubewegungen behindern können. "Da geht nicht viel", meint er, "aber ich glaube, das liegt daran, dass sie doch ein bisschen angespannt ist."

Eine Woche später checkt Sattelberater und Pferdephysiotherapeut Stefan Wolfrum die Stute. "Muskulär steht sie grundsätzlich ganz gut da, nur am Rücken und am Hals würde ich mir mehr wünschen." Das war nicht immer so, erzählt Besitzerin Carolin Reeb, die ihr Pferd noch nie so proper gekannt hat wie momentan. "Clavi hat sich im letzten Dreivierteljahr sehr verändert. Seither hatte sie auch keine Kolik mehr und ich habe das Gefühl, dass auch ihr Magen wieder okay ist."

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Clavi hat schiefe Schultern. Die Muskulatur ist unterschiedlich ausgeprägt.

Der Physiotherapeut behandelt das Pferd einmal von vorne bis hinten. Er findet heraus: Im Hals ist Clavi nach rechts beweglicher als nach links. Das bestätigt auch die Besitzerin. Wolfrums Eindruck: Clavis Genick und zwei Lendenwirbel sind nach links blockiert, die Muskulatur auf der linken Seite extrem hart.

"Weil ihre linke Seite schwächer ist, muss sie rechts mehr kompensieren. Auf der rechten Seite ist das Iliosakralgelenk fest und das äußere Knieband instabil." Ihm als Physiotherapeuten ist jedoch wichtig: "Das ist nur eine Bestandsaufnahme, keine Diagnose!" Die Diagnose überlässt er lieber dem Tierarzt.

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Wo klemmt’s? Burkhard Rau stellt fest, dass die rechte Schulter beweglicher ist als die linke.

Leda Führ, Tierärztin und Fütterungsexpertin, checkt die Muskulatur an den Beinen der Stute: vorne oberhalb des Karpalgelenks und hinten oberhalb des Sprunggelenks. Vor allem hinten fällt die ungleiche Muskulatur auf. Hinten rechts istsie stärker ausgeprägt. "Im Schulterbereich lässt sich das schwer vergleichen, weil da oft ein bisschen Speck sitzt", erklärt sie.

Vorführen an der Hand:

  • Tritt das Pferd mit allen Hufen gleich stark auf?
  • Taktstörungen?

Zurück zum Tierarzt: Stefan Schneider bittet die Besitzerin, das Pferd an der Hand vorzuführen. Zunächst im Schritt und Trab auf hartem Boden geradeaus, dann soll sie ihre Stute im Schritt auf einer eng angelegten Acht führen.

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Erster Bewegungs-Check: Vorführen an der Hand auf hartem Boden.

Stefan Schneider stellt fest: Keine Lahmheit, kein Wendeschmerz, aber insgesamt ein steifer Gang. Claudia Butry fällt auf, dass Clavi sich in Linkswendungen nicht so gut biegen kann. "Im Stand ist ihre Vorhand mehr rechts und ihre Hinterhand mehr links", bemerkt sie.

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Stefan Wolfrum testet, wie gut sich die Stute im Hals biegen kann und wie fest die Muskulatur ist. Fazit: Nach rechts geht’s besser.

Beim Vorführen auf weichem Boden ist Stefan Schneider nicht so zufrieden. "So ganz astrein läuft sie nicht", bemerkt auch Burkhard Rau. Die Dressurausbilderin findet, dass die Stute etwas ins Schwanken kommt. "Hinten rechts geht sie leicht außer Takt", meint Stefan Schneider, während der Hufexperte erkennt, dass das Pferd vorne rechts und hinten links weiter von der Körpermitte weg auffußt.

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Tierärztin Leda Führ zeigt, wo die Muskulatur an Clavis Unterschenkeln unterschiedlich ausgeprägt ist.

Alle Experten sind sich einig: Das Pferd ist gesund und lahmfrei, hat aber Probleme aufgrund seiner Schiefe.

Trainings-Check

An der Longe:

  • Lässt das Pferd den Hals fallen?
  • Geht es über den Rücken?
  • Pendelt der Schweif locker in der Bewegung mit?

Die ersten Trabtritte an der Longe sind kurz, das Pferd hält Hals und Rücken fest. Nach ein paar Runden lässt Clavi kurz den Hals fallen. Ein guter Moment, finden die Experten. "Dann sind die Bewegungen sofort geschmeidiger", fällt Stefan Schneider auf. Claudia Butry und Burkhard Rau beobachten, wie die Stute fußt. An der Longe bestätigen sich ihre Vermutungen:

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Die ersten Trabtritte an der Longe sind steif.

Clavi ist rechts hohl und hat links ihre Zwangsseite. "Auf der linken Hand macht das rechte Hinterbein einen kleinen Kreis und vorne rechts stützt sie sich ab. Auf der rechten Hand schiebt sie nach innen – typisch für die hohle Seite", erkennt Claudia Butry.

Stefan Schneider, nicht nur Tierarzt, sondern auch Dressurausbilder, ist es wichtig, dass Pferde auf einen treibenden Impuls sofort reagieren. Damit Clavi den Hals entspannt, rät er: Leicht an der Longe zupfen – und wenn sie den Hals fallenlässt, sofort loslassen. "Darf ich mal?" Carolin Reeb übergibt ihre Stute an den Profi.

Er motiviert Clavi zu einem frischen Tempo und hilft ihr über die aktive Hinterhand, ihren Schwung durch den Körper fließen zu lassen und loszulassen. Stefan Schneider ist überrascht, wie gut Clavi mitmacht und hat zum Schluss den Eindruck, sie hat Spaß an der Bewegung. "Jetzt biegt sie sich nach rechts und links", meint er.

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Stefan Schneider testet, ob sich Clavi motivieren lässt, den Hals fallen-zulassen. Er ist überrascht, wie gut sie mitmacht.

Die Idee, das Pferd vorwärtsgehen zu lassen, sei absolut richtig, stimmen Claudia Butry und Burkhard Rau zu. Doch die Dressurausbilderin zweifelt, ob das klassische Longieren die Arbeit ist, die ein schiefes Pferd braucht. Sie vermisst dabei die äußere Begrenzung, um die äußere Schulter und die Hinterhand in der Spur halten zu können.

"Deshalb finde ich ja die Equikinetik mit den auf den Boden gelegten Gassen so gut", erwidert Burkhard Rau. "Die geben den Pferden eine gute Orientierung."

Unter dem Sattel:

  • Ist der Reiter angespannt? Wenn ja, warum?
  • Stört der Reiter mit seinem Sitz oder rückwärts wirkenden Zügeln?
  • Wie geht das Pferd unter einem anderen Reiter?

Als Carolin Reeb in den Sattel ihrer Stute steigt und am langen Zügel Schritt reitet, werden die Experten am Rand des Reitplatzes gesprächig. "Lass dich mehr vom Pferd bewegen und treibe nicht bei jedem Schritt", rät Claudia Butry. "Wie heißt es so schön? Der Schritt gehört dem Pferd!"

Die Dressurausbilderin wünscht sich locker herabhängende Beine. "Auf eine treibende Hilfe soll eine Reaktion kommen, deshalb müssen wir damit sparsam sein", erklärt sie. Ein Pferd, das nicht direkt auf Hilfen anspricht, kann nicht fein geritten und anspruchsvoll ausgebildet werden, findet sie.

Das sieht auch Stefan Schneider so, der mit seiner Frau, Grand-Prix-Reiterin Uta Gräf, auf dem Rothenkircher Hof im rheinlandpfälzischen Kirchheimbolanden einen Ausbildungsstall betreibt: "Viele Reiter drücken zu viel. Davon werden die Pferde stumpf. Unsere Dressurpferde müssen hochsensibel sein."

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Die Bügel sind zu lang, findet Dressurausbilderin Claudia Butry. Ihr Tipp: Ein Loch kürzer, damit die Reiterhüfte nicht blockiert.

Claudia Butry bittet die Reiterin, die Steigbügel ein Loch kürzer zu machen. "Dann bist du flexibler im Becken und kannst Clavis Bewegungen besser zulassen", erklärt sie. "Trabst du mal an?"

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Beim Reiten hebt sich Clavi anfangs heraus und macht sich fest. Ihre Besitzerin Carolin Reeb ist vorsichtig und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Die Stute trabt wieder mit festgehaltenem Rücken und hebt sich heraus. Ab und zu gerät sie aus dem Takt, mehrmals galoppiert sie an. "Der Trab ist ihr unangenehm", vermutet Burkhard Rau. Für den gleichmäßigen Takt hilft ein Trick: "Sag dir leise den Trabtakt vor."

Claudia Butry vermutet, dass Reiterin und Pferd schon gedanklich "dichtmachen", wenn sie an Arbeit denken. Ihr Tipp: Locker bleiben, Erwartungen herunterschrauben, langsam an die Zügelverbindung herantasten, lieber zunächst im Entlastungssitz bleiben.

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Clavi könnte hinten aktiver sein und den Hals mehr fallenlassen.

Kann eine andere Reiterin das Pferd aus seinem Muster herausholen? Stefan Schneider hat eine Bereiterin aus seinem Team mitgebracht. Anina Gerhardt lässt Clavi am losen Zügel fleißig vorwärtsgehen, bis sie den Hals fallen lässt und nimmt dann langsam die Zügel auf.

Nach ein paar Minuten trabt und galoppiert die Stute mit aktiver Hinterhand über den Rücken. Die Bereiterin hat die Schiefe des Pferds kaum merklich korrigiert, indem sie auf der rechten, hohlen Seite in leichter Konterstellung geritten ist.

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Unter der Profi-Reiterin kann Clavi über den Rücken gehen.

"Reiten ist Gefühl und richtiges Timing", kommentiert Stefan Schneider den Ritt seiner Mitarbeiterin. "Ja, Profis können das. Aber nicht jeder Reiter ist perfekt. Deshalb ist es unsere Aufgabe als Ausbilder, Lösungswege zu finden, die der Reiter auch umsetzen kann", entgegnet Butry.

Claudia Butry zweifelt, dass das reine Vorwärtsreiten für Pferde wie Clavi der richtige Weg ist. Sie hält es für wichtig, zuerst an der Geraderichtung zu arbeiten, während Stefan Schneider die Schiefe erst einmal nicht problematisch findet. "Durch dieses Training stabilisiert sich die Stute", meint er.

Butry hingegen würde lieber mit gezielten Übungen am Boden und im Sattel mit Seitengängen und in Konterstellung arbeiten sowie den Sitz der Reiterin verbessern. Sie hat den Eindruck, dass Carolin Reeb etwas schiebend sitzt und ihr Pferd sich dadurch gestört fühlt. Sattel und Reiterin rutschen dabei leicht nach links.

Huf-Check

  • Von vorne und von der Seite schauen: Verlaufen die Hufwände gerade nach unten?
  • Von vorne und von der Seite schauen: Sind die Hufwände der Hufe innen und außen gleich lang? Ist ein Huf flacher oder steiler?
  • Von unten schauen: Hat die Sohle links und rechts des Strahls die gleiche Fläche? Gibt es Ausbeulungen?

Dem Hufexperten springen die extrem unterschiedlichen Hufe der Rappstute genauso ins Auge wie den anderen Experten. Er sieht die Hufe im Zusammenhang mit dem ganzen Pferd – und seinen Bewegungen. "Der Huf ist für mich ein Zeigeorgan", sagt Burkhard Rau. Denn er liest aus den Pferdefüßen, wie das Pferd sich bewegt und wie es geritten wird.

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Hufexperte Burkhard Rau fällt auf, wie unterschiedlich Clavis Hufe sind.

Clavi hat vorne rechts einen Plattfuß und vorne links einen sehr steilen Huf. "Das Pferd ist insgesamt schief. Das offenbart sich in den unterschiedlichen Hufen", erklärt Rau. "Wir dürfen aber nicht zu sehr auf die Vorderhufe schauen. Für die Vorwärtsbewegung sind die Hinterhufe entscheidend", ergänzt er.

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Vornen rechts hat Clavi einen Plattfuß, vorne links ist der Huf sehr steil.

Tatsächlich sind auch die hinteren Hufe nicht gleich. Auch wenn sie optisch nicht so auffällig sind, ähnelt der jeweils diagonale Hinterhuf dem Vorderhuf. Wenn ein Hinterhuf nicht vollflächig auf dem Boden steht oder aufgrund seiner Form zu wenig Fläche auf den Boden bringt, kann das Pferd nicht gleichmäßig abfußen. Das bringt das Tier aus dem Takt: Ein Hinterbein greift dann weniger vor als das andere.

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Nur eine Woche später: Die Zehen sind abgelaufen, die Wände schnabeln nach außen. Das Bearbeitungsintervall von sechs Wochen ist zu lang.

Sind nun die Hufe schuld an der Schiefe oder ist die Schiefe schuld an den Hufen? Vermutlich bedingt das eine das andere. "Wird die Schiefe korrigiert, wirkt sich das auch auf die Hufe aus", so Rau. Er fügt hinzu: "Bleiben die Hufe aber so unterschiedlich, kann das Pferd sich nicht ausbalanciert bewegen." Das wiederum verursache einseitige Überlastungen, die zu Fehlhaltungen und Verspannungen führen.

Physiotherapeut Stefan Wolfrum vermutet, dass die Stute schon lange auf ihren schiefen Füßen lebt und deshalb in sich schief geworden ist. "Ich habe die Stute schon so gekauft", bestätigt Carolin Reeb.

Doch die Hufe des Pferds sind inzwischen auf einem guten Weg: "Ich habe den Eindruck, dass sie allmählich eine bessere Form bekommen und die Unterschiede nicht mehr ganz so extrem sind wie damals", findet sie.

Wichtig sei nun, die Hufe möglichst symmetrisch zu bekommen, betont Burkhard Rau. Das gehe nicht von heute auf morgen, so der Experte, sondern könne sich über ein Jahr hinziehen. Ein Sechs-Wochen-Intervall für die Bearbeitung ist ihm für Korrekturen zu lang. "Im besten Fall alle zwei Wochen ein bisschen nacharbeiten", empfiehlt er.

Denn oft geraten die Pferdefüße schon ab vier Wochen nach der Bearbeitung aus der Form. Wie viel sich innerhalb kurzer Zeit verändern kann, dokumentieren unsere Fotos: Beim zweiten Termin, sechs Tage nach dem ersten Treffen, sind Clavis Hufe an der Zehe abgelaufen, die Hufwände schnabeln über dem Boden etwas nach außen. Ein ganz anderes Bild als eine knappe Woche zuvor.

Sattel-Check

  • Ist der Sattel zu lang?
  • Hat er genug Widerrist- und Wirbelsäulenfreiheit?
  • Passen Baumwinkel und Baumbreite?
  • Liegen die Sattelkissen gleichmäßig auf?
  • Weisen die Gurtstrippen senkrecht zum Boden?
  • Liegt der Schwerpunkt des Sattels in der Mitte?
  • Fällt der Sattel zu einer Seite?
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Erster Termin: Der Schwerpunkt von Clavis Dressursattel liegt zu weit hinten.

Clavis Dressursattel wurde vor mehr als einem halben Jahr angepasst. Die Sattlerin empfahl damals, vorne ein halbes Pad darunterzulegen, damit der Sattel nicht nach vorne rutscht. Beim ersten Termin mit Stefan Schneider, Claudia Butry und Burkhard Rau sind sich alle einig: Der Schwerpunkt des Sattels liegt nicht zu weit vorne, sondern zu weit hinten. "Vorne zu polstern, ist völliger Quark", entfährt es Rau.

Eine Woche später sieht die Lage anders aus. Wir sind überrascht: Der Sattel liegt im Schwerpunkt. Wie kann das sein? Sattel-Experte Stefan Wolfrum vermutet, dass er selbst seine Finger im Spiel hatte. Er hatte die Stute vor dem Sattel-Check physiotherapeutisch behandelt. "Dadurch verändere ich ihre Haltung, ihr Rücken kommt wieder in die Waagerechte und der Sattel liegt wieder im Lot", erklärt er. Das sei ein großes Problem beim Sattelanpassen: Das Pferd könne von einem Tag auf den anderen ganz anders dastehen.

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Zweiter Termin: Nach einer physiotherapeutischen Behandlung liegt der Sattel im Lot.

Am Sattel bemängelt Stefan Wolfrum Kleinigkeiten: Es wäre besser, wenn das Kopfeisen runder wäre und der Sattel vorne etwas weiter nach links käme. Beim Reiten fällt ihm auf, dass der Sattel die Reiterin nach rechts drückt und ihre linke Hüfte herunterschiebt. Vorerst könnte ein Pad helfen, aber ein anderes als das, was für Clavi empfohlen wurde. Eine freundliche Stallkollegin leiht uns für das Experiment ihr Lammfellpad mit Korrektureinlagen.

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Der Sattel drückt in die schlechter bemuskelte linke Schulter. Stört das die Stute?

Der Sattelexperte legt eine dünne Einlage in die vordere linke Tasche und bittet die Reiterin, wieder aufzusitzen. Beim Antraben bleibt Clavi entspannt, ohne den Kopf hochzureißen oder in den Galopp zu fallen. "Reicht! Schritt!", rät Wolfrum zufrieden. Clavi schreitet mit langem, tiefen Hals. Ihre Reiterin strahlt.

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Mit einer Korrektureinlage im Sattelpad entspannt Clavi sofort – eine gute Übergangslösung.

Stefan Wolfrum erklärt den Effekt: "Der Sattel hat von oben in die linke Schulter gedrückt, weil diese schwächer bemuskelt ist. Das kann ich kurzfristig mit dem Pad ausgleichen, bis dort die fehlende Muskulatur wieder aufgebaut ist. So etwas aber bitte nicht einfach nachmachen, sondern mit dem Sattler absprechen", betont der Experte.

Fütterungs-Check

  • Riecht das Heu gut, ist es holzig oder pikst es?
  • Ist die Kraftfuttermenge auf den Bedarf abgestimmt?
  • Enthält das Mineralfutter viel Calcium?
  • Passen die gefütterten Kräuter und Minerale zueinander?

Clavi ist ein Sensibelchen. "Solche Pferde fühlen sich schnell gestresst, auch wenn sie es nicht nach außen zeigen", meint Tierärztin und Fütterungsexpertin Leda Führ. Und weil Stress auf den Magen schlägt, kann Clavis Charakter schuld daran sein, dass sie so anfällig für Magenprobleme ist. "Doch wir können Magenpferden mit der Fütterung helfen", weiß die Tierärztin.

Damit verbundene Symptome, die auch Clavi zeigt, wie etwa ärgerliche Reaktionen beim Gurten oder Klemmen beim Reiten, können dann verschwinden. "Wichtig ist, rechtzeitig vorzubeugen. Pferde haben ein gutes Schmerzgedächtnis und fallen schnell wieder in alte Verhaltensmuster, wenn sie sich nicht ganz wohlfühlen", betont Leda Führ.

Um Clavis Speiseplan zu checken, will die Expertin wissen, was die Stute täglich bekommt. Carolin Reeb schleppt ein Sortiment an Futterschüsseln und -Eimern heran. Die Tierärztin schmunzelt. "Die Besitzerin hat sich sicher genau überlegt, was ihrem Pferd guttut. Doch in der Pferdefütterung ist oft weniger mehr", betont sie.

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Riecht das Heu gut? Fütterungsexpertin Leda Führ prüft so die Qualität.

Clavi hat Heu rund um die Uhr zur Verfügung. Grundsätzlich ist das gut, da gerade magenempfindliche Pferde keine Fresspausen über vier Stunden haben sollten, so die Tierärztin. Doch viel Heu ist auch viel Energie: Ein Kilo Heu hat im Schnitt so viel Energie wie ein halbes Kilo Hafer. Und früh geschnittenes Heu oder Heu vom zweiten Schnitt ist energiereicher als Heu, das nach der Blüte geschnitten wird.

Für leichtfuttrige Pferde kann das schon zuviel sein, sodass sie besser mit mehreren kleinen Rationen oder aus Heunetzen gefüttert werden sollten. Clavi ist eine schlanke Dame, die viel Heu verträgt. "Bei Pferden mit Magenproblemen darf das Heu nicht zu strohig sein oder sogar beim Anfassen piksen. Das reizt den Magen", so Leda Führ.

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Wegen Futtermittelallergien bekommt Clavi getreidefreies Müsli.

Aus dem Müsli fischt die Tierärztin kurze Halme: Luzernehäcksel. "Die werden gerne in getreidefreie Müslis gemischt, können aber die Magenschleimhaut reizen", weiß sie. Das haben Wissenschaftler der Uni Leipzig 2017 herausgefunden. "Also lieber Müsli ohne Luzernehäcksel füttern", rät Leda Führ.

Ob Clavi Futtermittelallergien hat, wie etwa gegen Getreide, hält sie für fraglich. "Eine Blutuntersuchung liefert in der Regel keine genauen Ergebnisse", erklärt die Expertin. Einen einigermaßen aussagekräftigen Allergietest führe beispielsweise die Tierärztliche Hochschule Hannover durch.

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Tierärztin Leda Führ entdeckt darin Luzernehäcksel. Sie können die Magenschleimhaut reizen, wie eine Studie der Uni Leipzig zeigte.

Für Clavis empfindlichen Magen füttert Carolin Reeb melassefreie Rübenschnitzel und eingeweichte Leinsamen. "Alles, was schleimig ist, ist prima", lobt die Tierärztin. Aufpassen nur bei den Leinsamen: Sie enthalten giftige Blausäure – auch die goldenen Sorten. Daher nicht mehr als 200 Gramm täglich oder zehn Minuten kochen.

Sie empfiehlt: "Wenn in Fertigfuttermischungen geschrotete Leinsamen enthalten sind, bitte bei dem Hersteller nachfragen, ob die Leinsamen gegen die Blausäure behandelt wurden."

Das Mineralfutter sollte die übrige Fütterung ausgleichen und ergänzen. "In vielen Mineralfuttern steckt unnötig viel Calcium", meint die Expertin. Bei heubasierter Fütterung sei der Calciumbedarf in der Regel durch das Heu gedeckt.

Grundsätzlich wichtig: Manche Mineralstoffe vertragen sich nicht gut, und manche Kräuter können gleichzeitig helfen und schaden. Calcium etwa hemmt die Aufnahme von Mangan, Zink und Eisen. Teufelskralle und Ingwer helfen Pferden mit Arthrose, sind aber weniger gut für den Magen.

Deshalb gilt auch beim Füttern der ganzheitliche Ansatz: Nicht das einzelne Kraut, Mineral oder Spurenelement zählt, sondern die bedarfs- und typgerechte Mischung. "Eine individuelle Futteranalyse durch einen Experten ist immer sinnvoll", so Leda Führ.

Nebenwirkungen?

Dosierung: Die richtige Menge macht’s. Leinöl etwa liefert die mehrfach ungesättigte Fettsäure Omega 3. Doch ein Überschuss (mehr als 250 ml/Tag) kann die Darmflora durcheinanderbringen.

Medikamente: Die Darmflora kann auch, wie bei Clavi, durch die Behandlung mit Antibiotika zerstört werden. In solchen Fällen mit dem Tierarzt besprechen, was unterstützend gefüttert werden kann. Vorsicht auch beim Magensäurehemmer Omeprazol: Dies führt dazu, dass das Futter nicht so gut aufbereitet in den Darm gelangt. Außerdem wird nach dem Absetzen zunächst mehr Säure produziert.

Haltung: Stetige Bewegung ist das Beste für Verdauung, Muskeln, Bänder und Gelenke. Clavi hat zwar täglich Auslauf, doch im Winter ist die Zeit begrenzt. Wäre ein Offenstall die bessere Wahl? "Das hängt vom Haltungskonzept ab. Auch Herdenstress kann bei sensiblen Pferden auf den Magen schlagen", sagt Tierärztin Leda Führ.

Fazit

Viele kleine Baustellen

Alle Experten ziehen an einem Strang und schauen dabei über den Tellerrand: Ein drückender Sattel, ein schmerzender Magen, Muskelverspannungen oder ein blockierter Reiter können Gründe dafür sein, dass ein Pferd sich nicht gerne bewegt. Jede "Baustelle" wirkt sich auf eine andere aus. Werden diese Stellschrauben neu justiert, kann es wieder aufwärts gehen.

Medizin-Check: Mit einem Gesundheitscheck ohne Befund und einer physiotherapeutischen Behandlung ist der Startschuss gefallen, dass Clavi sich positiv entwickeln kann. Muskuläre Schwächen können durchs Training ausgeglichen werden.

Trainings-Check: Stefan Schneider rät zu frischem Vorwärts, um die Stute zu motivieren, den Hals fallenzulassen und über den Rücken zu gehen. Claudia Butry hingegen möchte zunächst die Schiefe des Pferds korrigieren. Hier gilt es nun, für Reiterin und Pferd den richtigen Weg zu finden.

Sattel-Check: Vorübergehend gleicht eine Einlage im Sattelpad die schmalere linke Schulter aus. Regelmäßige Sattelkontrollen sind nötig, da sich das Pferd durchs weitere Training verändern wird.

Huf-Check: Die Bearbeitungsintervalle werden verkürzt. Je mehr das Pferd geradegerichtet ist, desto symmetrischer werden wohl auch die Hufe.

Fütterungs-Check: Für den neuen Futterplan werden passende Rationen berechnet. Einzelne Futtermittel, wie das Müsli, werden durch Alternativen ohne Luzernehäcksel ersetzt. Vor allem in Stress-Situationen hilft Clavi vorbeugend magenberuhigendes Futter, beispielsweise gekochte Leinsamen oder melassefreie Rübenschnitzel.

So geht’s weiter: Die Experten sind optimistisch und werden Clavi auf ihrem Weg begleiten. Wir berichten!

Die Experten

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Claudia Butry ist klassische Dressurausbilderin und Bewegungstrainerin nach Eckart Meyners. Die Sitzschulung ist ein wichtiger Bestandteil ihres Reitunterrichts. www.neuesreiten.de

Claudia Butry

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Leda Führ ist Tierärztin und hat sich auf das Thema Fütterung spezialisiert. Beim Tierernährungs-Hersteller Iwest ist sie als Futterberaterin tätig und nimmt die Speisepläne der Pferde unter die Lupe. www.iwest.de

Leda Führ

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Burkhard Rau ist Hufbeschlaglehrschmied und Sachverständiger für Hufpflege und Hufbeschlag. Als Pferdephysiotherapeut und Trainer hat er jedoch nicht nur die Hufe im Blick. www.equicura.de

Burkhard Rau

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Stefan Schneider ist Tierarzt und Dressurausbilder. Mit seiner Frau, Dressurreiterin Uta Gräf, betreibt er einen Ausbildungsstall in Rheinland-Pfalz. www.gutrothenkircherhof.de

Stefan Schneider

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Stefan Wolfrum ist Sattelberater bei der Firma Iberosattel. Als Physiotherapeut für Pferde weiß er, wie wichtig ein gut passender Sattel ist. Er prüft, wo es bei Pferden drückt. www.pferdephysiotherapiewolfrum.de

Stefan Wolfrum

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4 / 2023

Erscheinungsdatum 15.03.2023

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