Hintergrund der Studie
Tiefe Kopfhaltung, halb oder ganz geschlossene Augen, hängende Ohren: Wie sedierte Pferde aussehen, weiß jeder Reiter. Doch bislang gab es keine aussagekräftigen Studien dazu, in welchem Stadium welches Merkmal auftritt. Die Wissenschaftlerin Alice Rodrigues de Oliveira von der São Paulo State University (UNESP) entwickelte daher gemeinsam mit Kollegen von den Universitäten in Edinburgh, Zürich und Gent einen validen Standard für Gesichtsmerkmale, um die Sedierungstiefe von Pferden abschätzen zu können. Die so entstandene Skala nennt sich "FaceSed".
Für ihre Studie bezogen die Forscher drei Wallache und vier Stuten ein. Sie injizierten den Tieren das Sedationsmittel Detomidin; einige Tiere erhielten es in niedriger, einige in höherer Dosis, einige in Kombination mit Methadon. Die Forscher fotografierten die sieben Tiere dabei zu Beginn der Sedation, währenddessen und zu deren Ende hin in bestimmten Zeitabschnitten. Die Fotos wurden im Anschluss von vier Forschern für die Erstellung der Skala ausgewertet.
Unterlippe

Ist das Pferd noch nicht sediert, ist die Unterlippe des Pferds entspannt. Das Maul ist locker geschlossen.

Anders sieht es aus, wenn das Pferd leicht sediert ist: Dann wird die Unterlippe weicher, länger und streckt sich nach vorne-unten. Dasselbe gilt auch für die Oberlippe des Tiers.

Ist das Pferd vollständig sediert, ist an dessen Unterlippe keinerlei Spannung mehr zu erkennen: Sie hängt herab, häufig ist dabei auch das Pferdemaul leicht geöffnet. Weiteres Merkmal dieses Stadiums: Das Pferd lässt seinen Kopf hängen.
Ohren

Beim wachen Pferd sind die Ohren ständig in Bewegung: Das Pferd hält sie gestreckt und dreht sie dorthin, wo es gerade etwas sieht oder hört.

Das verändert sich, wenn das Pferd leicht sediert ist: Die Ohren beginnen dann leicht nach außen zu kippen. Die normale Anspannung der Lauscher lässt langsam nach.

In der vollständigen Sedation sind die Ohren deutlich entspannt. Sie kippen nach außen, die Ohrenspitzen sind weit voneinander entfernt, und das Pferd zeigt kein aufgewecktes Ohrenspiel mehr.
Oberlippe

Im wachen Zustand liegen Ober- und Unterlippe locker aufeinander. Das Pferdemaul ist geschlossen, ohne verkrampft zu sein.

Ist das Pferd leicht sediert, lässt diese normale Spannung in der Oberlippe langsam nach: Die Oberlippe wird länger und hängt deutlich über die Unterlippe hinaus. Dabei strecken sich auch die Nüstern des Tiers und werden flacher.

Noch länger wird die Oberlippe, wenn das Pferd vollständig sediert ist. An ihr ist dann keine Spannung mehr erkennbar, sie hängt weit nach vorne-unten.
Augen

Ein waches Pferd beobachtet aufmerksam seine Umgebung. Die Augen sind in diesem Zustand komplett geöffnet, der Blick ist wach und konzentriert.

Ist das Pferd leicht sediert, sind die Augen nur noch zum Teil geöffnet. Das Tier nimmt nicht mehr vollständig wahr, was um es herum passiert. Es wirkt so, als würde es dösen.

Ist das Pferd dann vollständig sediert, sind die Augen meist komplett geschlossen. Der Wirkstoff des Sedationsmittels entspannt den Lidmuskel des oberen Augenlid, das sich deshalb schließt.