Aus einer Pferdebox wird eine Trockensalzkammer
Shetlandpony Clausi döst, seine Augen sind halb geschlossen. Die Nüstern bewegen sich entspannt; am Anfang blähten sie sich bei jedem Atemzug noch weit auf. Der Shetty-Wallach entspannt bei seiner Auszeit sichtlich. Seine "Wellness-Oase” sieht auf den ersten Blick aber eher unspektakulär aus. Denn Clausi steht "nur” in einer normalen Pferdebox – die aber von Tierärztin Kerstin Wichelhaus umgebaut wurde, und zwar zu einer Trockensalzkammer. Auf Clausis Fells sieht man einen feinen Salzfilm, aber viel stärker wirkt das Salz in der Pferdelunge: Hier stößt es einen regelrechten Großputz an. Clausi hat den nötig: Er leidet an Equinem Asthma, einer chronischen Atemwegserkrankung. Seit er regelmäßig in die Salzkammer geht, sind seine Atemwege freier. Doch wie genau funktioniert dieser Lungen-Putz?

Shetlandpony Clausi leidet unter Equinem Asthma. Vor der Sitzung sind seine Nüstern stark gebläht.
Wie funktioniert die Halotherapie bei Pferden?
Salz wirkt antibakteriell, entzündungshemmend und gegen Pilze. Inhalieren mit Salz ist weit verbreitet; beim Menschen etwa klassisch bei Erkältungen. Auch bei Pferden mit Atemwegserkrankungen ist die sogenannte Soletherapie weit verbreitet: Dabei vernebelt ein Gerät das Salz mit Flüssigkeit. Die feinen Salztröpfchen dringen dann in die Atemwege ein. Aufgrund der Tropfenoberfläche kann das Salz aber nicht ganz so tief in die Bronchien gelangen. Um es zu inhalieren, muss das Pferd oft kraftvoll einatmen. Das kann aber erst recht einen Hustenreiz auslösen. Im Vergleich dazu ist das Inhalieren mit trockenem Salz, die Halotherapie, etwas effektiver. "Der Vorteil ist, dass das Salz wie Feinstaub wirkt und so noch tiefer in die Lunge eindringen kann", erklärt Kerstin Wichelhaus. Denn für eine Trockensalz-Sitzung mahlt der sogenannte Halogenerator handelsübliches Kochsalz in kleinste Partikel. Wirklich klein: Sie messen nur Mikrometer (das ist ein Tausendstel Millimeter). Über ein Gebläse verteilt die Maschine den Salzstaub in einem Raum oder Pferdeanhänger. Je dichter Box oder Anhänger verschlossen sind, desto konzentrierter bleibt das Salz als Feinstaub in der Luft – und desto mehr kann der vierbeinige Lungenpatient davon während der rund 45-minütigen Sitzung einatmen.

Kerstin Wichelhaus befüllt das Gerät mit Salz. Es reicht für mehrere Sitzungen. Ein Schrank schützt den so genannten Halogenerator.
Wie effektiv ist die Behandlung in der Trockensalzkammer?
In der Lunge löst der salzige Feinstaub festsitzende Bakterien und verdünnt den Schleim, der sich bei Atemwegserkrankungen sammelt. Den kann der Pferdekörper dann besser nach draußen befördern, die Atemwege werden freier. "Manche Pferde atmen bereits nach zwei Sitzungen besser, manche nach wenigen Tagen oder Wochen", sagt Tierärztin Kerstin Wichelhaus. Bei vielen Pferden kann sie nach einer mehrwöchigen Salztherapie mit täglichen Sitzungen die Medikamente reduzieren oder sogar ganz absetzen. Trockensalztherapie hilft Pferden, die Equines Asthma in geringer, mittel- oder hochgradiger Form haben. Während eines akuten Infekts sollte das Pferd allerdings nicht in die Salzkammer. Das wäre für den Körper zu belastend. Salz hilft aber nicht nur bei Lungenkrankheiten, sondern auch bei Hautproblemen wie Ekzemen, Mauke oder Wunden: Es wirkt desinfizierend und fördert die Wundheilung, indem es die Hautzellen zur Neubildung anregt. Und die positiven Effekte sind noch umfangreicher. Springreiter Alexander Auer hat ein Reha-Zentrum für Pferde und arbeitet seit acht Jahren mit seiner Trockensalzkammer. Er behandelte darin beispielsweise erfolgreich einen Patienten, der eine vereiterte Stirnhöhle durch einen Eiterzahn hatte. "Der Schleim lief nach den Sitzungen förmlich heraus", sagt er. Außerdem beobachtet er bei seinen Patienten ein verbessertes Lymphsystem. "Pferde haben auf einmal keine angelaufenen Beine mehr."

Welsh Cob Maben hatte Probleme mit Sommerekzem. Auch bei ihm zeigte die Trockensalz-Therapie Wirkung.
Eignet sich Trockensalz auch zur Prävention?
Nicht nur kranke Pferde entspannen in der Trockensalzkammer: Bei gesunden Tieren soll damit die Leistung gesteigert werden. Klar: Wer besser atmen kann, kann schneller rennen. "Angeblich sollen Distanzpferde auf der 160-Kilometer-Distanz dadurch bis zu 20 Minuten schneller sein", sagt Kerstin Wichelhaus. Studien zur positiven Wirksamkeit der Trockensalz-Therapie gibt es bisher nur im Humanbereich. Sie drehen sich meist um die Auswirkungen der Therapieform bei Atemwegserkrankungen wie Asthma oder Bronchitis, bei Allergien und bei Hauterkrankungen wie Akne oder Schuppenflechte.
Gibt es eine mobile Möglichkeit der Trockensalz-Therapie?
Wer seinem Pferd eine Trockensalz-Therapie gönnen möchte, muss in eine Salzkammer oder in einen Salzhänger. Für Pferde gibt es bisher keine mobilen Inhalatoren für Trockensalz; den eigenen Anhänger kann man also nicht umbauen. Deswegen kommen in Reha-Zentren wie bei Kerstin Wichelhaus oder Alexander Auer die Pferde oft für mehrere Wochen. Shetty Clausi muss seine Wellness-Oase mittlerweile räumen. Jetzt wird die Atmung noch mehr auf Trab gebracht: Tierärztin Kerstin Wichelhaus will ihn einige Runden traben und galoppieren lassen, damit der vom Salz gelöste Schleim leichter abtransportiert werden kann. Dann ist für heute Schluss mit Großputz.

Kerstin Wichelhaus ist Tierärztin und Osteopathin mit eigener Pferdepraxis. Sie bietet neben der haustierärztlichen Betreuung auch Therapien von Hustenpferden auf ihrem Hof an. www.tierarztpraxis-wichelhaus.de