Wann wird Hitze für Pferde gefährlich?
Kritisch wird es, wenn Pferde an einem Tag mehr als zehn Prozent ihres Körpergewichts ausschwitzen und dies nicht sofort durch Trinken ausgleichen. Ab welchen Rahmenbedingungen das der Fall sein wird, sei individuell unterschiedlich, so Tierärztin Dr. Christine Fuchs: "Wenn mein Pferd ausreichend getrunken hat und ich es bei 30 Grad normal im Schatten bewege, ist das kein Problem. Hat das Pferd jedoch zu wenig getrunken und muss viel leisten, dann können schon 25 Grad problematisch werden." Generell, so die Tierärztin, müssten einige Faktoren zusammenkommen, damit ein Pferd Hitzeprobleme bekommt: Neben den Außentemperaturen spielen Leistung, Trinkmenge und ggf. Vorerkrankungen oder Alter eine Rolle.
Neben Schwitzen entzieht auch langanhaltender Durchfall dem Körper Flüssigkeit. Deshalb ist Dehydration eine häufige Todesursache bei Salmonellosen und anderen Infektionen, die starken Durchfall auslösen.
Was führt zu Hitzschlag bei Pferden?
Zum Hitzschlag, den Tierärzte auch als akute Wärmestauung bezeichnen, kommt es ausschließlich bei extrem heißem Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit. Die mit Feuchtigkeit gesättigte Luft kann den Pferdeschweiß nicht mehr aufnehmen, er verdunstet nicht und kühlt den Körper nicht.
Schuld ist außer Überanstrengung bei schwülheißem Wetter auch falsche Unterbringung. In überfüllten, schlecht belüfteten Ställen staut sich die Hitze. Stundenlanges Stehen in Hängern, Turnierzelten oder praller Sonne führt ebenfalls manchmal zum Hitzschlag, bei dem sich das Innere des Pferdes bis auf 50 Grad aufheizt.
Ein Hitzschlag kann auch durch Dehydration entstehen. Viele Pferde bekommen aber einen Hitzschlag, ohne dass sie dehydriert sind.
Die Folgen einer Dehydration können fatal sein: Wenn dehydrierte Pferde über zehn Prozent ihres Körpergewichts durch Schwitzen oder Durchfall verlieren, trocknen sie aus. Lebenswichtige Organe werden so nicht mehr ausreichend durchblutet und mit Sauerstoff versorgt. Mittelfristig bricht der Stoffwechsel zusammen, später kollabiert der Kreislauf. Soweit kommt es jedoch meist nur, so Tierärztin Dr. Christine Fuchs, wenn das Pferd grundsätzlich schlecht mit Flüssigkeit und Elektrolyten versorgt ist und dann sehr viel leisten muss.
Bei Hitzschlag legt der Wärmestau im Körper die Blutzirkulation lahm. Das Blut erreicht die Organe nicht mehr, Sauerstoffversorgung und Stoffwechsel brechen zusammen. Nur das Gehirn wird noch ausreichend mit Blut versorgt. Ein lebensgefährlicher Kreislaufschock droht, wenn das Pferd nicht sofort behandelt wird.
Welche Pferde erleiden schneller einen Hitzschlag?
Gefährdet sind vor allem Vielseitigkeits- und Distanzpferde. Besonders gefährdet sind untrainierte Pferde, weil sie schnell schwitzen. Grundsätzlich vertragen Robustrassen mit dichtem Fell Hitze schlechter als etwa Araber. Zur Risikogruppe zählen auch alte Pferde mit Kreislaufproblemen und Tiere, die durch Krankheit oder Erschöpfung geschwächt sind.
Wie äußert sich ein Hitzschlag bei Pferden?
Zu den Symptomen gehören Leistungsschwäche, langsame Erholung nach Belastung und Apathie. Manche Pferde haben Koliksymptome, Krämpfe oder Verdauungsprobleme. Der Puls ist schwacher und schnell, die Atmung schnell und oberflächlich.
"Entscheidend ist bei den PAT-Werten, also Puls, Atmung, Temperatur, wie schnell sie nach einer Belastung wieder heruntergehen", sagt Tierärztin Dr. Christine Fuchs: Trabt oder galoppiert das Pferd einige Minuten kann der Puls schon mal auf 120 Schläge oder mehr hochgehen. Auch die Atemfrequenz ist dann erhöht. "Zehn Minuten nach der Belastung sollten die Werte aber wieder auf üblichem Niveau sein."
Im Sommer könne die Körpertemperatur des Pferds auch mal auf über 38 Grad steigen, so die Tierärztin, ohne dass das Tier Probleme habe. "Liegt sie über 39 Grad, sollte man sich aber Gedanken machen."
Die Schleimhäute, gut sicht- und tastbar am Zahnfleisch, geben wichtige Hinweise auf den Kreislaufzustand des Pferds. Alarmsignale: Sie sind bläulich oder dunkel verfärbt; bei Druck aufs Zahnfleisch (Kapillarfüllungszeit) bleibt die Druckstelle länger als 3 Sekunden weiß; bei über 4 Sekunden besteht Lebensgefahr! Das Pferd kann bewusstlos zusammenbrechen, der Kreislauf kollabieren.
Einen Anhaltspunkt, wie es um den Flüssigkeitshaushalt des Pferds steht, liefert der Hautfaltentest: Wenn Sie an der Schulter des Pferds eine Hautfalte anheben, sollte sich diese nach dem Loslassen sofort wieder glätten. Glättet sie sich erst nach zwei bis drei Sekunden, spricht das für eine Flüssigkeitsunterversorgung. Allerdings könne der Hautfaltentest von Pferd zu Pferd unterschiedlich ausfallen und sei kein valides Kriterium, betont Dr. Fuchs: "Der Test ist nur aussagekräftig, wenn das Pferd extreme Hitzeprobleme hat."
Die Tierärztin diagnostiziert Hitzeprobleme stattdessen über eine Blutuntersuchung. "Ist der Hämatokritwert, also der Anteil der roten Blutkörperchen, erhöht, ist zu wenig Flüssigkeit im Blut." Sie bestimmt zudem den Blutgaswert; anhand dessen kann die Tierärztin Rückschlüsse auf den Elekrolyt- und den Säure-Basen-Haushalt ziehen. "Mit mobilen Geräten kann man das direkt am Pferd machen und hat die Werte nach wenigen Minuten." Auch die Körpertemperatur misst die Tierärztin; sie sollte unter 39 Grad Celsius liegen.
Welche Folgen haben Hitzeprobleme beim Pferd?
Weil Dehydration die Durchblutung drosselt, ist die Darmbewegung (Peristaltik) gestört. Das Futter wird schlecht transportiert, durch die Darmwand sickern Toxine und können Hufrehe auslösen.
Auch die Organe leiden: Durch Sauerstoffmangel im Gewebe sterben Zellen ab, was zu Hirnödemen, Schäden im zentralen Nervensystem oder der Lunge führen kann. Bei Wassermangel erzeugen die Nieren stark konzentrierten Urin oder stellen die Urinproduktion ein. Gifte, etwa aus dem Eiweiß-Abbau, werden kaum noch ausgeschieden – Organschäden und Nierenversagen drohen.
Pferd überhitzt: Was tun?
Hören Sie bei Verdacht auf ein Hitzeproblem sofort mit der Arbeit auf. Stellen Sie das Pferd an einen ruhigen, kühlen und schattigen Ort. Rufen Sie sofort den Tierarzt. Lassen Sie es während der Wartezeit trinken, allerdings nicht zu viel Wasser auf einmal und nicht zu kalt.
Reiben Sie das Pferd mit einem klatschnassen Schwamm ab oder duschen Sie es ab. Lassen Sie das Wasser kurz auf dem Fell. Wiederholen Sie die Prozedur mehrmals, aber ziehen Sie es nicht mit einem Schweißmesser ab: "Überhitzte Pferde kühlen schneller herunter, wenn ich das Wasser im Fell lasse", so Dr. Fuchs und verweist auf eine Studie der Universität Maryland aus dem Jahr 2021: Pferde wurden sechs Minuten lang im Minutentakt mit jeweils 30 Liter 6 Grad kalten Wasser übergossen. Das Wasser blieb dabei im Fell. Die Tiere kühlten deutlich schneller ab, als wenn die Pferde mit dem Schweißmesser abgezogen wurden; in diesen Fällen stieg die Temperatur sofort wieder an.
Bei Hitzschlag ist Abkühlung wichtig – mit reichlich Wasser, feuchter Erde oder Eispackungen im Genick. Bewährt haben sich Kaltwasserdruckmassagen: Man spritzt das Pferd mit einem Wasserschlauch kalt ab und massiert den Körper intensiv mit einer Bürste. Die Massage sollte etwa fünf Minuten dauern und nach 30 bis 60 Minuten wiederholt werden.
Nach dem Abkühlen stehen kollabierte, festliegende Pferde manchmal von allein wieder auf. Solange sie liegen, schonen sie ihren Kreislauf: Man sollte daher nie versuchen, sie mit Gewalt hochzuscheuchen!
Stark ausgetrocknete Pferde wollen oft nichts trinken. Der Tierarzt gibt ihnen per Nasenschlundsonde oder Infusion 30 bis 50 Liter Kochsalzlösung. Vorher nimmt er Blut, um festzustellen, welche Elektrolyte fehlen und der Kochsalzlösung zugesetzt werden müssen.
So beugen Sie Hitzeproblemen beim Pferd vor
Ihr Pferd sollte jederzeit einen Salzleckstein zur Verfügung haben. Bringt das Tier große Leistungen, etwa im Vielseitigkeitssport, reicht das nicht aus. "Diese Pferde brauchen dann noch zusätzlich Salz, etwa in Form von Viehsalz im Futter", so Tierärztin Dr. Christine Fuchs. Vor einem Turnierstart können Elektrolyt-Pasten dafür sorgen, dass das Pferd ausreichend mit Elektrolyten versorgt ist.
Lassen Sie es vor oder nach der Belastung grasen. Gras besteht zum überwiegenden Teil aus Wasser und enthält Elektrolyte.
Bringen Sie Ihrem Pferd möglichst von klein auf bei, überall zu trinken, auch aus Bächen. Auf Transporten müssen Pferde im Sommer alle zwei Stunden getränkt werden. Nutzen Sie bei Wanderritten jede Trinkgelegenheit und lassen die Tiere bei Pausen grasen.
Ist Ihr Pferd trotzdem pingelig, sollten Sie auf Turniere, Wander- oder Distanzritte genug Wasser von zu Hause mitnehmen. Oder den Tipp von Dr. Fuchs ausprobieren: "Mischen Sie daheim ab und zu Apfelsaft in einen Eimer Wasser oder hängen Sie einen Teebeutel hinein, etwa Kamillentee." Das Pferd gewöhnt sich an den Geschmack – und trinkt dann auch fremdes Wasser etwa auf Turnier oder Wanderritten leichter, wenn das ebenfalls nach Saft oder Tee schmeckt.
Rohfaserreiches Futter beugt Austrocknung vor. Im Sommer brauchen Pferde einen Sonnenschutz wie Bäume oder Unterstände.
DIE EXPERTIN:
Dr. Christine Fuchs ist Fachtierärztin für Pferde, FEI-permitted treating vet und Pferde-Chiropraktikerin (nach IAVC und AVCA) Sie ist spezialisiert auf Orthopädie, Tierverhalten und Tierschutz. www.tierklinik-luesche.de