Das Corpus delicti fühlt sich etwas schmierig an, ist unten grün und sträubt die Haare wie ein Malerpinsel. Es ist nur ein Fitzel krankes Fell – aber ein wichtiges Puzzleteil für den Tierarzt, der sich ein Bild vom Leiden eines Pferds macht. In diesem Fall prasselte täglich Regen auf dessen Haut und machte daraus ein weiches, feuchtwarmes Bett für Bakterien.
Solche Winzlinge mit dem exotischen Namen Dermatophilus congolensis sind nicht die einzigen, die das größte Organ des Pferds täglich auf die Zerreißprobe stellen. An der Haut nagen zig andere Bakterien, Pilze, Insekten, dazu Sonne und Regen. Die Haut ist Aufprallschutz, Klimaanlage und Wärmedämmung; ihre Hornschicht bildet Haare und Hufe; ihre Drüsen verströmen Düfte, mit denen Pferde kommunizieren. Zudem speichern spezielle Depots Fett und Pigmente, die faszinierende Farbmuster ins Fell malen und UV-Strahlen abschirmen. Alle diese Schutzdienste lassen kaum eine Haut auf Dauer heil. Besonders strapaziert wird sie bei Pferden, die unter freiem Himmel leben – der Nachteil einer artgerechten Haltung. „Offenstallhaltung begünstig Infektionen wie Dermatophilose. Daran leiden immerhin zehn von hundert Pferden mit Hautproblemen“, sagt Professor Karl Heinz Böhm, Mikrobiologe an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Er entdeckte 1993, daß Dermatophilus congolensis nicht nur in den Tropen vorkommt, wie lange geglaubt. Auch im naßkalten Deutschland befällt es immer mehr Bestände – am liebsten auf Paddocks und Weiden. Die an sich ja pferdefreundlichste Wohnform läßt die Haut häufig im Regen stehen.
Carola Bromberg erfuhr dies bei ihrem sechsjährigen Wallach, dem Trakehner-Traber-Mix Cash. „Nach der Umstellung in den Offenstall begann das Drama. Der Sommer war verregnet, im Herbst wuchsen Knubbel auf dem Rücken“, erzählt die Holsteinerin aus Hohenlockstedt. „Ein Pilz“, meinte der erste Tierarzt – der übliche Schnellschuß, wenn Pferde Haare lassen. „Praktiker neigen dazu, bei Haut- und Fellveränderungen auf Pilze oder Milben zu schließen“, beobachtet Dr. Gerhard Loesenbeck, der im Bad Kissinger Tiermedizin-Labor Laboklin Hautproben analysiert. Je schneller die Diagnose, desto falscher ist aber oft die Behandlung.
Cash wurde alle drei Tage mit pilztötenden Shampoos gewaschen, dann verlor er das Fell bis zur Schweifrübe und hinunter zu den Beinen. Ein zweiter Veterinär vermutete Stoffwechselstörungen und empfahl, mehr zu reiten – Cash müsse schwitzen und kräftig gestriegelt werden.
Labor-Test: Errerger in Haut-Proben aufspüren
„Wenn ich die Proben erst bekomme, wenn das Pferd schon zwei Jahre behandelt wurde, erkenne ich die Krankheit kaum noch“, erklärt Dr. Loesenbeck. Narben und Haarverlust erschweren dann die Spurensicherung. In 80 von 100 Fällen finden Labormediziner den Schuldigen für die Panne in der Haut – sofern der die Probe genügend Indizien liefert.
Dazu muß er wiederum vom Pferdebesitzer erfahren: Wann begann das Problem? Entstanden die Schäden langsam oder plötzlich? Wurden sie seither besser oder schlimmer? Besteht Juckreiz, der sich durch Beißen, Scheuern oder Stampfen äußert? Wie oft und wie lange wird das Pferd geputzt; werden Sättel, Bandagen, Striegel oder Bürsten gemeinsam benutzt? Sind mehrere Tiere in einem Bestand betroffen? Wie und womit wurde bereits behandelt? Dann untersucht der Veterinär das Pferd auf Felltyp, -farbe und -glanz, kahle Stellen, lose oder abgebrochene Haare, Schmutz, Parasiten wie Milben, Läuse oder Haarlinge und Hautschäden: Anzahl, Ausbreitung, Form, Durchmesser, Tiefe. Wuchert wildes Fleisch darauf, oder nässen diese Wunden?
Anhand solcher Informationen entscheidet der Tierarzt, welches Proben-Material er ans Labor schickt. Das sind zum Beispiel Hautgeschabsel mit Pilzen und Milben oder Tupferproben, an denen Bakterien kleben. Bei einer Stanzbiopsie schneidet der Veterinär sechs Millimeter große Hautstücke aus dem Pferd, an denen Labormediziner Entzündungen im Gewebe erkennen, die etwa Ekzeme begleiten. „Nur ein Test im Fachlabor führt bei Hautleiden den sicheren Nachweis. Pferdebesitzer sollten diese Kosten deshalb nicht scheuen“, betont auch der Hannoveraner Mikrobiologe Professor Böhm.
Sein Lieblings-Objekt Dermatophilus liefert das beste Beispiel für die Gefahr, die durch Fehldiagnosen droht. „Früher hielt man es für einen Pilz“, sagt Professor Böhm. „Dann sah man genau hin und erkannte, daß es fadenbildende Bakterien sind, die sich dort breitmachen, wo das Pferd naß wird – in der Sattellage, an Rücken und Beinen.“ Viele Tierärzte schöpfen bei Knubbeln und eitrigen Fellfitzeln aber keinen Verdacht. „Wir bekommen selten den Hinweis auf Bakterien“, sagt Dr. Peter Kopp vom Ludwigsburger VetMed-Labor. „Vielleicht liegt es ja daran, daß der Name Dermatophilus leicht mit Dermatophyten, also Pilzen, verwechselt wird.“ Das allerdings ist fatal.
Wird der wunde Rücken eines bakterienbefallenen Pferds mit pilztötenden Shampoos geschrubbt, freuen sich allein die Mikroben – schließlich kann ihnen die rauhe Prozedur nichts anhaben. „Eine Dermatophilus-Infektion heilt nur durch die richtigen Antibiotika“, sagt Professor Böhm.

Kranke Haut durch Viren, Baktrien und Pilze
Ist die Haut erst einmal mürbe, nisten sich schnell weitere unerwünschte Gäste ein. Infektionen oder Verletzungen, nasses Wetter, dauernd feuchtes Fell unter Sätteln oder Decken schaffen für die Pilze Trichophyton und Microsporum ideale Bedingungen. Auch der Mensch begünstigt das Wachstum von Pilzen mit seinem Putzfimmel. „Die größte Gefahr für die Haut ist übertriebene Hygiene, also Waschen mit Shampoos“, warnt Böhms Hannoveraner Kollege und Haut-Experte Professor Wilfried Meyer. „Das zerstört den Fettfilm und damit die Abwehr.“
Daß in deutschen Ställen zuviel geschrubbt wird, vermuten Meyer und seine Mitarbeiter schon länger. Vor zwei Jahren starteten sie mit Hilfe von CAVALLO eine Umfrage nach Putz-Praktiken. Beim ersten Auswerten der Fragebögen blieb den Wissenschaftlern fast die Spucke weg. „Es gibt sogar Leute, die ihre Pferde mit Scheuersand bürsten.“ Wer der Haut Gutes tun will, sollte lieber Paddocks drainieren und gründlicher misten. Gerade im Schlamm und in nassen Boxen wimmeln Fusobakterien, Staphylokokken und Streptokokken, die neben Dermatophilus die aufgeweichte Haut der Fesselbeugen stürmen – eine schrundige, eitrige Mauke entsteht. Angriffe toben nicht nur am Boden, sondern auch in der Luft. Der Stich der Culicoides-Mücken läßt immer mehr Pferde aus der Haut fahren – sie bekommen Sommerekzem. Scheuern sich solche Allergiker Schweifrübe und Mähnenkamm blutig, handeln sie sich oft noch eine bakterielle Sekundärinfektion ein.
Dasselbe passiert, wenn winzige orangefarbene Herbstgrasmilben auf der Weide die Haut an Beinen und Kopf anbohren und nässende, juckende Schrunden hinterlassen. Auch im Schlepp des Equinen Papova-Virus, das jungen Pferden blumenkohlartige Warzen ans Maul zaubert, fühlen sich Bakterien wohl.

Alopezie: Großflächiger Haarausfall bei Pferden
Was aber, wenn die Haut leidet, ohne daß Warzen sprießen oder ein Corpus delicti schmierig grün wie bei einer fortgeschrittenen Dermatophilose auf den Schuldigen hinweist? Was, wenn auf den abgezupften Haaren unterm Mikroskop keine Milben krabbeln und in Labor-Kulturen weder Bakterien noch Pilze wachsen? Der grauen Araber-Stute Daisy gingen vor sechs Monaten plötzlich an Hintern und Hals büschelweise Haare aus. Die Haut darunter war heil, Daisy schubbelte sich nicht und war munter wie immer. Dann wuchsen über die nackten Stellen störrische weiße Haare, die beim Putzen wie Schnee zu Boden schwebten. Auch im Fall Daisy tippte der Tierarzt zunächst auf Pilze und verschrieb Salben. Nach fruchtlosen Labortests lautet die Diagnose schlicht Alopezie – ein Kahlschlag unbekannter Ursache, der zwar häßlich aussieht, Pferde aber überhaupt nicht kratzt. Eine Behandlung ist zwecklos.
„Der Pferdebesitzer muß überzeugt werden, von einer ’Therapie’ durch Auftragen von Crèmes abzusehen“, sagt Tierärztin Dr. Marianne Sloet van Oldruitenborgh-Oosterbaan von der Universität Utrecht. „Will man unbedingt etwas verschreiben, dann Biotin in einer Dosis von 15 bis 30 Milligramm pro Tag und Pferd.“ Natürlich arbeiten Dermatologen daran, so mysteriöse Krankheiten wie die Alopezie eines Tages heilen zu können. Vorerst sind sie aber froh, wenn sie überhaupt wissen, wie das Leiden entsteht. Bei einer Form des Haarausfalls entdeckten sie die Ursache. „Die Alopecia areata oder umschriebene Alopezie ist eine Auto-Immunreaktion“, erklärt Dr. Loesenbeck. „Das Pferd reagiert allergisch auf die eigenen Eiweiße im Haarfollikel und greift sie an.“
Wie ein Anker hält dieser Follikel normalerweise ein Haar in der Haut. Auch Mähnen- und Schweifhaare wurzeln bis zu vier Millimeter tief – und fallen aus, wenn das amoklaufende Immunsystem ihre Ankerketten kappt.

Allergisch gegen Pferdefell?
Daß sich das Pferd manchmal gegen seine eigene Haut wehrt, ist eine neue Erkenntnis. Längst bekannt ist dagegen, daß Pferdehaut manche Menschen zum Weinen bringt. Solche Allergiker reagieren sofort mit Augenbrennen, Triefnase und roten Quaddeln. „Man fand drei Eiweiß-Typen beim Pferd, die Allergien auslösen“, sagt Dr. Frank Jugert, der dieses Leiden derzeit an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen erforscht. „Sie stecken aber nicht, wie viele glauben, in den Haaren, sondern in den Hautschuppen.“ Dabei haben Pferde-Allergiker noch Glück im Unglück. „Während Katzen-Allergiker noch im 4. Stock niesen, wenn im Erdgeschoß eine Katze das Haus verläßt, sind Pferde-Allergene meist lokal beschränkt“, tröstet Dr. Jugert. Weil Hautschuppen vom Pferd allerdings an Reithosen und Pullovern haften bleiben, rät er Pferde-Allergikern zum Kleiderwechsel noch im Stall oder im häuslichen Keller. „Damit lassen sich die Beschwerden lindern“, weiß Dr. Jugert aus Gesprächen mit seinen 70 Versuchspersonen. „Manche müssen sich beim Bürsten ihrer Pferde aber sogar mit Staubschutzmasken vor dem Anflug der Schuppen schützen.“ Ihnen könnte geholfen werden – wenn das Aachener Team endlich grünes Licht von der Ethikkommission der Hochschule bekäme.
„Wir wollen untersuchen, ob die Allergiker auf alle Pferderassen gleich reagieren.“ Doch dazu muß man ihnen Blut entnehmen, und das erlaubten die Ethiker bisher nicht. Seit einem Jahr liegt das Vorhaben deshalb auf Eis, das unter anderem das Geheimnis der gelockten Curlys lösen könnte. Erfahrungen zeigen, daß bei Kontakt mit Lockenpferden selbst Allergikeraugen trockenbleiben. „Könnte sein, daß das an der fettigen Curlyhaut liegt, die weniger schuppt“, spekuliert Dr. Jugert und verweist auf das Gefühl beim Streicheln eines Curlys. „Die Hände fühlen sich an wie eingecremt.“ Warum Curlyhaut soviel Talg produziert, weiß bisher keiner. Vielleicht hängt es mit den Locken zusammen, hinter denen der Anatomie-Professor Meyer eine Panne im Erbprogramm des Bindegewebes vermutet.
Normalerweise stülpen sich Fibroblasten, Vorläufer der Bindegewebszellen, während der Embryonalentwicklung in die Haut und formen später die Haarpapille, auf der das Haar sitzt wie ein Zapfen – umhüllt vom normalerweise runden Follikel, der das Haar in der Haut hält. „Werden die Fibroblasten nicht gleichmäßig aktiviert, teilen sie sich unterschiedlich schnell. Das verformt den Follikel oval.“ Curly-Haare zwirbeln sich dadurch und schlagen Wellen.

So enstehen Fell- und Farbvarianten
Junge Fohlen haben, unabhängig von der Rasse, oft lockiges Haar. Allerdings ist die wollige Pracht schnell hinüber. „Im Lauf des Wachstums entstehen neue Fibroblasten, die wieder für runde Haarfollikel sorgen“, sagt Professor Meyer. Obwohl Hautzellen seit 65 Millionen Jahren nach einem ererbten Programm funktionieren, wurden sie durch Mutationen ständig verändert. So wich die Einheits-Haut des Wildpferds Dutzenden von Fell- und Farbvarianten, während der Mensch auf das Pferd kam. Seit er Rösser züchtet und der Natur ins Erb-Werk pfuscht, nehmen auch Haarwirbel zu. Deren Zahl und Sitz sind so unverwechselbar wie ein menschlicher Fingerabdruck. Wirbel gelten deshalb, zusammen mit Abzeichen, seit neuestem im Equidenpaß als Kennzeichnungs-Alternative zu Brand oder Chip.
In der Natur dienen Wirbel einem biologischen Zweck: Sie sitzen dort, wo der Haarstrich seine Richtung ändert. So verlaufen die Haare am Rücken von vorn nach hinten, an den Beinen von oben nach unten. Dadurch funktioniert das Fell wie ein angeborener Regenmantel, leitet Wasser ab und verhindert außerdem, daß sich das Fell gegen den Wind sträubt, wenn das Pferd rennt. Was allerdings manchmal hinter Wirbeln vermutet wird, hält keiner wissenschaftlichen Untersuchung stand. „Ansichten wie im Mittelalter“, kommentiert Professor Meyer knapp die Meinung, aus Wirbeln den Charakter eines Pferds ablesen zu können.
Es gibt noch mehr Märchen über die Haut und ihre verhornten Anhängsel, Haare und Hufe. So sollen Beine mit Abzeichen und hellen Hufen anfälliger für Krankheiten sein – doch das bestätigte sich bisher nur hinsichtlich der Sonnenempfindlichkeit.
Professor Meyer macht auch dafür Programmstörungen in den Zellen verantwortlich. „In der rosafarbenen, unpigmentierten Haut unter weißen Abzeichen fehlt schützendes Melanin, weil die Pigmentzellen dort defekt sind.“ Solche weißen Beine sind anfälliger für Blasen und Krusten, wenn das Pferd in der Sonne steht. Der englische Forscher Tony Stannard gab dem Leiden den unaussprechlichen Namen „Leukocytoclastic-photoaggravated pastern dermatitis“, weil er vermutet, daß diese Fessel-Dermatitis durch UV-Licht und Immunreaktionen ausgelöst wird. Ärger mit solchen Sensibelchen, die sofort Sonnenbrand bekommen, könnte man sich sparen, findet Tierheilpraktiker Ulrich Becker aus Neunkirchen. „Kommt weg von unpigmentierten Pferden“, empfiehlt er den Züchtern, „aber sie lassen sich ja von Heilpraktikern nichts sagen.“ So werden eben weiterhin schicke breite Blessen oder modische Cremellos gezogen.

Equine Sarkoide und Vitiligo
Pigmente schützen nicht nur vor UV-Strahlen, sondern bringen auch Farbe ins Fell – je nachdem, wieviel Melanin in spezialisierten Zellen, sogenannten Melanozyten, gebildet wird. Wie produktiv die Farbfabrik ist, entscheiden Hormone. Eins von ihnen, das Melanotrope Hormon (MSH), fließt aus der Hirnanhangdrüse mit dem Blut in die Haut. Dort sorgt es dafür, daß die Melanozyten Melanin produzieren. Stellen die Hormone ihre Arbeit ein, verblaßt das Fell. Forscher beobachteten 1984 an Camargue-Pferden, daß deren MSH-Spiegel im Blut sinkt, je heller sie werden. „Normalerweise vermehren sich Melanozyten beim erwachsenen Tier nicht mehr. Sind sie fehlgesteuert, wuchern sie zu Melanomen“, erklärt Professor Meyer – ein Krebs, unter dem vor allem Schimmel leiden.
„Zusätzlich stimulieren Sexualhormone den Stoffwechsel der Pigmentzellen und regeln den Haarwechsel des Fohlens zum erwachsenen Pferd“, so der Haut-Forscher. Dieses System ist kompliziert und entsprechend störanfällig. Überall kann es zu Pannen kommen. Bei weißgeborenen Albinos zum Beispiel, die bei Pferden anders als bei Kaninchen und Mäusen äußerst selten vorkommen, produzieren die Pigmentzellen von Geburt an kein Melanin – die Haut ist rosa, die Iris farblos, weshalb Adern rot durchschimmern. Den tödlichen Melanin-Verlust fürchten vor allem Paint-Züchter. Wird ein Overo-Fohlen mit diesem „Lethal White Syndrom“ geboren, stirbt es binnen weniger Tage, weil die Pigmentstörung mit einem Darm-Defekt gekoppelt ist. Weißgeborene Pferde mit blauen, sogenannten Fischaugen sind dagegen kerngesund.
Völlig harmlos sind auch rosa Flecken oder Ringe um Maul, Augen, Vulva oder After. Wissenschaftler bezeichnen dieses vermutlich ebenfalls angeborene Phänomen, bei dem nicht nur Pigmente, sondern komplette Pigmentzellen fehlen, als Vitiligo. Weniger harmlos sind Equine Sarkoide – von Viren hervorgerufene Tumore, unter denen eines von 100 Pferden unabhängig von der Farbe leidet. Der Uni Wien gelang es nun, durch Operation plus Behandlung mit Zellwachstumshemmern die Heilungschancen auf 94 Prozent zu steigern.
Solche Tumore entstehen, wenn der Hautstoffwechsel enthemmt ist. Umgekehrt kann er aber auch blockiert sein. Das passiert immer dann, wenn die Haut gequetscht, verletzt oder chemisch verätzt wird, etwa durch Sattel- und Bandagendruck, Biß- und Schnittwunden oder Kaltbrände. All dies hinterläßt weiße Haare, die sich struppiger anfühlen als das restliche Fell. „Ein Versorgungsengpaß“, erklärt Professor Meyer. „Stockt der Stofftransport zwischen Körper, Haut und Haaren, wird das Fell grisselig und dünn.“ Ob Haare über solchen Wunden weiß oder normal nachwachsen, ist wie Lotterie. „Leider läßt sich das nicht vorhersagen, weil Melanozyten individuell auf Eingriffe reagieren“, so der Hannoveraner Anatomie-Experte.

Dystrophie: Mähnen- und Schweifhaare fallen aus
Den Schmerz beim Verziehen von Mähnen empfinden Pferde aller Rassen gleich – der Grund, weshalb Professor Meyer von dieser traditionellen Unsitte abrät. „Sie können schließlich nicht sehen, ob Sie Haare aus lebenden Haarfollikeln reißen oder aus toten.“ Manche Pferde lassen ihr Langhaar dagegen freiwillig. Bekannt sind dafür die Appaloosas, wo Mähne und Schweif bei einigen Pferden ab etwa drei Jahren schütter werden. Gegen diesen angeborenen Schönheitsfehler, der als Dystrophie bezeichnet wird, helfen weder Arzneien noch pflegende Haarwuchsmittel. Das bekümmert auch Peter Schilpp aus dem schwäbischen Obersulm, für den solche Schweife Ausschußware sind. Der Häute-Händler verkauft Pferdefelle und Schweife, letztere an Spielwarenhersteller. „Früher stopfte man Matratzen mit Roßhaar. Seit es Latex und Federkern gibt, wippen echte Schweife nur noch an den Hinterteilen von Schaukelpferden.“
Die Pferdehaut landet am Lebensende in Lederfabriken; vorzugsweise über Sofas und Polstersesseln. „Pferdehaut ist reißfest, abriebarm und liefert eines der besten Leder überhaupt“, schwärmt Schilpp. „Aber es wird nicht extra deklariert, sondern läuft unter Rindsleder. Die Deutschen würden es nicht kaufen, wenn sie wüssten, woher es stammt.“ Die Rohware liefert die Waiblinger Pferdemetzgerei Beerwart an Schilpp. Beerwart-Geschäftsführer Hans Holzapfel weiß Daten zur Haut, die kein Hochschul-Professor parat hatte. „Bei einem 600 Kilo schweren Reitpferd mit 1,70 Metern Stockmaß wiegt die Haut 35 Kilo, misst 1,90 auf 2,20 Meter“, kommt prompt die Antwort auf die Frage nach den Maßen des größten Pferdeorgans.
Stoffwechselstörungen und Allergien
Auf der Haut ist viel Platz für Signale aus dem Inneren des Körpers. „Die Haut ist ein wichtiger Indikator für den Allgemeinzustand, sozusagen ein Spiegel der Gesundheit“, sagt Professor Meyer und zählt auf, was ihr alles schadet: Stoffwechselstörungen wie das Cushing-Syndrom, Vergiftungen mit Schwermetallen oder Giftpflanzen, Würmer, Leber-, Nieren- und Darmschäden. „Die legen die Versorgung lahm. Und wenn man weder Hormone noch Baumaterial wie Keratin oder Glykoproteine rankriegt, wird die Haut spröde.“ Wie der Körper und seine Hülle genau zusammenwirken, ist noch nicht bis ins letzte erforscht. Das betrifft besonders Allergien. „Hier summieren sich viele verschiedene Faktoren. Wenn eine bestimmte Schwelle erreicht ist, bricht die Allergie aus.
Das betrifft, ebenso wie beim Menschen, immer mehr Pferde“, beobachtet Dr. Regina Wagner von der Veterinärmedizischen Universitätsklinik Wien. „Wir sehen vor allem Atopien, also allergische Hautreaktionen auf Pollen, Hausstaubmilben, Futtermilben oder Schimmelpilze. Hinzu kommen Allergien auf Insekten oder Medikamente.“ Wobei die Haut sich nicht nur gegen Arzneien zur Wehr setzen kann, sondern sogar gegen vermeintlich sanfte Mittel wie Teebaumöl oder Ballistolanimal. Dr. Wagner: „Darauf sehe ich öfters Kontaktallergien oder Überempfindlichkeitsreaktionen.“
Auch Getreide oder Zusatzfuttermittel können Allergien verursachen. Andererseits helfen bestimmte Futterstoffe der Haut bei ihrem Schutzdienst. „Sie braucht Aminosäuren wie Methionin und Lysin, außerdem Zink, Vitamin A, Biotin und Fettsäuren“, zählt Futterspezialistin Professor Christine Iben von der Uni Wien auf. „Wobei ich weder zusätzliche Aminosäuren, also Eiweiß, noch Vitamin A füttern würde, denn damit sind Pferde gut versorgt. Bei Zink, Biotin und Öl können Sie aber nichts falsch machen.“
„Jeder Mangel im Futter wirkt sich auch auf die Haut aus“, bestätigt Kollegin Dr. Wagner. „Andererseits kann man Hautschäden durch Futter nicht absolut vorbeugen oder sie gar heilen.“ Ein ganz simples Rezept gegen gängige Hautleiden geben aber die Professoren Böhm und Meyer gerne weiter. „Sattellage, Beine und Fesselbeugen unbedingt trockenhalten, Satteldecken regelmäßig waschen, Beine nicht in feuchtem Zustand einbandagieren“, empfehlen beide Haut-Experten. Das beugt zumindest Infektionen wie Dermatophilose, Mauke und Pilzen vor. Notfalls muss man empfindliche Pferde, ebenso wie Sommerekzemer, draußen mit dichten Spezialdecken schützen. Eine Decke hält nun auch dem Trakehner-Mix Cash Nässe und Bakterien vom Leib. Spöttern und Dogmatikern gegenüber kontert Besitzerin Bromberg, die ihr Pferd nie wieder Tag und Nacht in die Box sperren will, mit handfester Vernunft: „Das ist das einzige, was gegen die Knubbel hilft. Ich bin ein absoluter Verfechter der Offenstallhaltung. Aber bevor mein Pferd draußen leidet, decke ich es lieber ein.“ Recht hat sie.

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