Paar-Probleme lösen: CAVALLO-Check für Pferd und Reiter
Wo ist das Problem?

Zuletzt aktualisiert am 26.12.2010
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Foto: Rädlein
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Herrscht zwischen Reiter und Pferd dicke Luft, liegt das selten an einem großen Streit. Viel öfter klemmt‘s an Kleinigkeiten, die das Leben schwer machen. Verhärten sich die Fronten, wächst sich eine Lappalie womöglich zum Drama aus: Das Pferd tut nicht, was der Reiter will; der packt daraufhin kräftig zu und ärgert sein Pferd noch mehr.

Angestaute Spannung entlädt sich in Gertenhieben und Sporenstichen; das Pferd antwortet mit buckeln, steigen oder durchgehen. Ist es so weit gekommen, weiß jeder Reiter, dass er ein Problem hat. Doch die Ursachen dafür lassen sich oft ebenso schwer finden wie die Wege zur Lösung. Denn Probleme sind so vielfältig wie die beteiligten Persönlichkeiten.

Es gibt mindestens ebensoviele Ansätze, um Reitprobleme zu erkennen und zu lösen. In CAVALLO erklären erfolgreiche Ausbilder verschiedener Disziplinen jetzt, woran sie erkennen, was zwischen Reiter und Pferd schief läuft und wie sie die beiden wieder auf Erfolgskurs bringen. In der neuen Ausbildungs-Serie werden sich fünf dieser Experten (siehe unten) individuellen Reitproblemen widmen. Die Analysen, Lösungen und konkrete Übungsvorschläge lesen Sie ab November in CAVALLO.

Diese Ausbilder zeigen, wie Sie Ursachen von Reit-Problemen suchen und Lösungen finden.

Probleme sind lösbar – das zeigen unsere Experten in den kommenden fünf Monaten. Kai Nehring startet mit Araber-Stute Asscarah, die bei Ausritten in der Gruppe buckelt.

Kai Nehring

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Kai Nehring ­ist Western-Trainer mit Vorliebe für Araber, die er auch bei Reining-Turnieren vorstellt. Er lebt in Ostbevern, Niedersachsen.

Ute Holm

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Ute Holm aus Stuttgart ­ist erfolgreiche Cutting-Reiterin. Ihr Motto lautet: Westernreiten, aber bitte klassisch.

Michael Geitner

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Michael Geitner bringt Pferde mit Dual-Aktivierung in Balance und Menschen in die Führposition.
Er lebt in Rechtmehring, Bayern.

Corinna Lehmann

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Corinna Lehmann lebt in Langenberg
in Nordrhein-Westfalen. Sie ist Ausbilderin für klassische Dressur und Sitzexpertin.

Andrea Schmitz

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Rädlein

Andrea Schmitz aus Wedemark in Niedersachsen ist Schülerin von Richard Hinrichs und Ausbilderin für klassisch-barocke Dressur.

Helfen hilft nicht immer

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privat

CAVALLO: Was verraten Pferde über die Probleme ihrer Besitzer?

Mehlem: Wie jemand reitet, so lebt er. Pferde bringen unser Innerstes an die Ober­fläche. Sie zeigen all unsere Stärken und Schwächen. Sie spüren Verspan­nungen, Ängste und Wünsche. Nur wer dem Pferd zuhört und an sich
selber arbeitet, kann Probleme lösen.

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Wie können Reiter das tun?
Im Idealfall kann ein Reiter sich selbst und das Pferd so gut spüren, dass das Pferd ihm „sagt“, wo ein Problem liegt und wie es behoben werden kann. Bei Angst oder Stress beginnen Reiter – wie alle Menschen – sich selbst vor unangenehmen Gefühlen wie beispielsweise Misserfolgen unbewusst zu schützen. In der Psychologie sprechen wir von Schutzmechanismen. Manchmal wird dann ein Problem verleugnet, bagatellisiert oder dem anderen zugeschrieben. Dann ist angeblich oft das Pferd schuld. Angst kann umschlagen in Aggression oder zu Erstarrung führen. Wenn Angst verleugnet wird, kann sie auch bewirken, dass ein Reiter sich in besonders gefährliche Situa­tionen begibt, ohne es zu merken, anstatt sich zu schützen. Hierin liegt eine wichtige Quelle für Unfälle.

Was bewirkt Kritik?
Wir sollten nicht einfach andere kritisieren, solange wir nicht darum gebeten werden. Helfen ist nicht immer hilfreich, auch wenn es in guter Absicht geschieht. Auch kommt es hier auf die Intention an. Wenn ich glaube, eine gute Idee zu haben, kann ich ja den Reiter fragen, ob er sie hören möchte und sie dann so formulieren, dass die Person die Rückmeldung auch annehmen kann.

Es ist meist hilfreicher, auf das Positive zu fokussieren und nicht auf Fehlersuche zu gehen. Kritik aus einer Haltung des Besserwissens oder der Konkurrenz bewirkt das Gegenteil und stört die Beziehung zwischen Reiter und Pferd noch mehr. Dagegen kann eine Rückmeldung aus einer Haltung der Empathie (ich versetze mich in den anderen hinein) auch hilfreich sein.

Welche Rolle spielt der Reitlehrer?
Der Reitlehrer sollte dem Reitschüler einen sicheren Raum bieten und ihn vor negativer Kritik und Bewertung schützen. Er sollte einfühlsam und unterstützend sein, eine gute Menschenkenntnis haben und möglichst pädagogisch geschult sein. Schüler können nur in einer angstfreien Atmosphäre lernen.

Sind Sie richtig ausgerüstet?

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Sattel und Zaumzeug sind die wichtigsten Zwischenstücke zwischen Ihnen und Ihrem Pferd. Reitprobleme lassen sich nur mit der perfekt passenden Ausrüstung in Angriff nehmen. Weil sich Pferde je nach Alter, Trainings- und Futterzustand ständig verändern, lassen Sie Ihren Sattel ein Mal pro Jahr von einem Sattler überprüfen. Das Gleiche gilt für Zaum und Gebiss. Legt Ihr Pferd bereits die Ohren an, wenn Sie mit Sattel und Zaumzeug um die Ecke biegen, ist das kein gutes Zeichen.

Probleme zeigen sich oft schon beim Gurten. Bläht sich das Pferd extrem auf, knirscht mit den Zähnen, schnappt oder geht es sogar in die Knie, drücken meistens Sattel oder Gurt. Pferde, deren Sperr- und Nasenriemen festgezurrt sind, können nur schlecht kauen und werden kaum im Genick nachgeben. Ist das Kopfeisen am Sattel zu eng oder das Sattelpolster zu fest, wird das Pferd die Schulterblätter zurückziehen, um dem Druck auszuweichen. Ist die Kammer zu eng, können die hinteren Sattelkissen auch auf die Rückenmuskulatur drücken. Eine zu enge Kammer verlagert nämlich den Schwerpunkt Ihres Sattels von der Sattelmitte nach hinten. Ein zu weites Kopfeisen belastet die Schulter, der Sattel kann auf den Widerrist drücken. Der Schwerpunkt kommt so zu weit nach vorn. Zu enge Genickstücke können auf den Atlaswirbel drücken, zu lange Gebisse auf die Lade. Zu enge Gebisse kneifen am Maulwinkel. Welche Gebissdicke Sie wählen, hängt von der Maulbeschaffenheit Ihres Pferds ab. Hier hilft Ihnen Ihr Pferdezahnarzt.

Ist Ihr Pferd wirklich fit?

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Gehen Sie sicher, dass Ihr Pferd körperlich fit ist. Puls, Atmung und Temperatur können Sie selbst mit wenig Aufwand überprüfen. Stellen Sie Ihr Pferd einmal pro Jahr einem Physiotherapeuten, Osteopathen oder Chiropraktiker vor. Wenn ein Pferd sehr lange mit weggedrücktem Rücken geritten wird, verhärten sich das Rückenband, die Rückenfaszie und die darunter liegende Rückenmuskulatur. Auch eine schlechte Bauchmuskulatur verhindert, dass das Pferd den Rücken aufwölben kann.

Pferde, die lange schon in Kompensationshaltungen verharren, brauchen viel Zeit, bis diese Muster durch Training und Behandlung aufgebrochen werden. Pferde, die sich im Genick verwerfen, sich hinterm Gebiss verkriechen, mit den Zähnen knirschen oder ständig Taktfehler zeigen, können auch körperliche Probleme haben. Galoppiert das Pferd nur noch im Viertakt und weicht mit der Kruppe aus, muss das nicht immer ein Trainingsdefizit sein. Osteopathen, Chiropraktiker oder Physiotherapeuten lösen blockierte Hals- , Brust- und Lendenwirbel; ein schiefes Becken oder ein schief getragener Schweif können Folge eines Problems im Kreuzdarmbeingelenk sein.

Lassen Sie regelmäßig einen Pferdezahnarzt ins Maul schauen und das Gebiss kontrollieren. Ist beispielsweise der letzte obere Backenzahn zu lang, drückt er in den Unterkiefer, sobald das Pferd das Genick beugt. Pferde signalisieren Zahnprobleme wie Haken oder scharfe Kanten sehr unterschiedlich: Manche lassen sich gar nichts anmerken, andere schlagen zum Beispiel mit dem Kopf, verwerfen sich im Genick, kauen nicht oder knirschen sogar mit den Zähnen. Einige wehren sich auch gegen jeglichen Druck im Maul. Pferde, die permanent die Zunge beim Reiten raushängen, könnten ebenfalls Zahnprobleme haben. Schon eine Behandlung im Jahr bringt Zähne wieder ins Gleichgewicht.

CAVALLO-Check: So testen Sie sich

1. Wechselt Ihr Pferd ohne Störung die Gangart? Übergänge enthüllen viele Problemzonen.

2. Können Sie Ihr Pferd wirklich überall hin führen? Geht das nicht, fehlt es grundlegend an Vertrauen.

3. Hat Ihr Pferd immer ein Ohr bei Ihnen? Dann haben Sie die
Aufmerksamkeit Ihres Pferds.

4. Lässt sich Ihr Pferd auf beiden Seiten annähernd gleich reiten? Dann sind Balance und Geraderichtung okay.

5. Können Sie Ihr Pferd einhändig reiten? Dann steht es gut an Schenkel- und Gewichtshilfen.

6. Können Sie Ihr Pferd von beiden Seiten und in jedem Tempo führen? Dann haben Sie volle Kontrolle.

7. Lassen Sie die Zügel zwischen Mittel- und Ringfinger hindurch­laufen. Klappen alle Lektionen, haben Sie eine weiche Hand.

8. Gibt das Pferd bei Zügelkontakt nach und kaut vertrauensvoll ab? Dann stimmt die Anlehnung.

9. Mit dem Ellenbogen an der Pferdeschulter merken Sie, ob Ihr Pferd sich leiten lässt oder Sie schiebt.

10. Fassen Sie die Zügel an der Schnalle. Können Sie lenken, bremsen und beschleunigen, stimmen Sitz und Schenkelhilfen.

11. Können Sie am langen Zügel schnurgerade von A bis C reiten? Dann folgt das Pferd Ihrem Blick und ist in der Balance.

12. Können Sie jederzeit zwischen Innen- und Außen­stellung wechseln, ohne an den Zügeln zu ziehen? Dann ist Ihr Pferd korrekt gestellt und gebogen.

13. Lässt Ihr Pferd den Hals fallen, wenn Sie am langen Zügel um die Bahn traben? Geht es in die Dehn­ung, ist es locker und entspannt.

14. Können Sie ohne Zügel­zug exakt zwischen zwei Stangen anhalten? Dann ist Ihr Pferd durchlässig.

15. Geht das Pferd gerade rückwärts? Dann sitzen Sie wahrscheinlich gerade und haben es auf beiden Seiten recht gleich­mäßig gym­­nas­ti­ziert.