Kein Stall ohne Schimmelpilze. Die Gift-Zwerge verstecken sich in allem, was Pferden schmeckt. Pilze sind doppelt riskant: Sie machen Pferde über die Luft und durchs Fressen krank. Atmen Tiere die gefährlichen Sporen ein, schlägt ihnen das auf die Lunge; chronischer Husten droht.
Wenn Pferde vergiftetes Futter fressen, gerät die Verdauung durcheinander; lebensgefährliche Kolik kann die Folge sein. Leber oder Nieren leiden, und selbst das Pferdehirn attackiert der Schimmel. Das Problem: Schimmelpilze verstecken sich meist so gut, dass Reiter sie nicht bemerken.
Wie kommen Sie dem Gift im Stall auf die Schliche? Schimmelpilze produzieren sogenannte Mykotoxine, wobei Myko für Pilz und Toxin für Gift steht. Eigentlich kein Grund zur Sorge – nichts in der Natur ist absolut keimfrei. Gefährlich wird es erst, wenn die Pilze sich explosionsartig vermehren.
Das kann schnell passieren: Regnet es während der Ernte oder wird das Futter falsch gelagert, bietet es Schimmelpilzen einen optimalen Nährboden.
Pferde fressen Schimmel
Wie schwierig es ist, verpilztes Futter zu erkennen, weiß Tierärztin Dr. Heike Kühn aus Truchtlaching in Bayern. "Mehrere Reiter berichteten, dass ihre Pferde nicht so fit wie sonst waren", erzählt sie. "Daraufhin habe ich das Blut der Tiere kontrolliert. Alle hatten erhöhte Leberwerte."
Erst eine Futteranalyse ergab, dass der Hafer mit Mykotoxinen verseucht war. Zu sehen war der Schimmel im Kraftfutter nicht. Pferde schreckt giftiges Getreide nicht ab. "Reiter sollten sich keinesfalls darauf verlassen, dass die Tiere verschimmeltes Futter verschmähen", warnt Dr. Ingrid Vervuert vom Institut für Tierernährung an der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Selbst mäkelige Fresser rühren gammeligen Hafer an, wenn sie hungrig sind.















Pilzsporen reizen Atemwege
In welchen Mengen Schimmelpilzgifte Pferden schaden und warum einige Tiere empfindlicher als andere reagieren, ist noch nicht geklärt. Viele Pferde husten bereits, wenn sie an verpilztem Futter schnuppern und entwickeln eine chronische Bronchitis, wenn Pilzsporen permanent die Atemwege reizen.
Tipp: Gehen Sie aufmerksam durch den Stall, wenn Heu oder Stroh aufgeschüttelt werden. Gutes Raufutter staubt nicht. Auch wenn Sie selbst husten, niesen oder sich jucken müssen, taugen die Ballen nichts. Pilze greifen die Leber an Schimmelpilze belasten nicht nur die Lunge.
Sie können auch die Darmflora aus dem Gleichgewicht bringen und Koliken auslösen, wenn Pferde verseuchtes Futter fressen. Bauchschmerzen sind nur die Spitze des Eisbergs: Über die Darmschleimhaut gelangen Mykotoxine in den Blutkreislauf und schädigen Organe wie Nieren und Leber.
Anzeichen einer Pilzvergiftung: Das Pferd frisst schlecht, magert ab, kann kaum schlucken, hat Durchfall, steht erschöpft oder depressiv im Stall und lässt sich beim Reiten nicht motivieren. Tiere, bei denen die Leber stark geschädigt ist, bewegen sich oft zwanghaft: Sie laufen monoton im Kreis oder schleifen mit den Zehen. Diese Symptome können beispielsweise auftreten, wenn Pferde Getreide fressen, das mit Aflatoxinen verseucht ist. Mittels Ultraschall erkennt der Tierarzt, dass die Leber des Tiers vergößert ist. Auch die Nieren können geschwollen sein.















Zearalenon, Fumonisine und Deoxynivalenol
Zearalenon, ein Toxin, das in Getreide, gelegentlich aber auch in Heu vorkommt, kann der Grund sein, warum Stuten ununterbrochen rossen oder nicht trächtig werden. "Auch die Spermaqualität von Hengsten kann sich bei übermäßiger Giftaufnahme verschlechtern", sagt Ingrid Vervuert.
Besonders sensibel reagieren Pferde, wenn sie Fumonisine fressen. Das sind Schimmelpilzgifte, die sich vor allem in Mais, seltener in Hafer oder anderen Getreidearten bilden. "Sie können das Gehirn zerstören", sagt Professor Josef Böhm vom Institut für Tierernährung an der Veterinärmedizinischen Universität in Wien.
Presst das Pferd den Kopf gegen die Wand und will sich nicht mehr bewegen, sind bereits wichtige Gehirnteile geschädigt. Die gute Nachricht: Fumonisin-Vergiftungen gibt es in Deutschland nur sehr selten. In Amerika spielen diese Gift-Zwerge eine größere Rolle.
Wichtiger ist hierzulande das Deoxynivalenol, kurz DON – ein Schimmelpilzgift, das ebenfalls Getreide ungenießbar machen kann. Reiter vergifteter Tiere berichten, dass die Pferde nichts mehr fressen wollen. Nicht nur in Heu, Stroh und Getreide nisten sich Schimmelpilze ein. Auch Äpfel können mit Mykotoxinen verseucht sein.















Im Notfall: Tonerde als Mykotoxinbinder
Fressen Pferde verpilztes Obst, kann das die Verdauung stören. Gleiches droht bei schimmeligem Brot oder Möhren. Da Koliken, schlechte Leberwerte und Appetitlosigkeit auch viele andere Ursachen haben können, wird eine Schimmelpilzvergiftung häufig nicht sofort vom Tierarzt erkannt.
Zudem ist die Diagnose schwierig: Eine Blutprobe offenbart nur, welches Organ geschädigt ist, nicht aber, welches Gift durchs Pferd geistert. "Viele Mykotoxine lassen sich nur kurzzeitig im Blut nachweisen", sagt Dr. Ingrid Vervuert. Danach verstecken sich die Gifte in den Organen.
Häufig werden Futter oder Einstreu erst verdächtigt, wenn es mehreren Pferden im Stall schlecht geht. "Mit einer Futtermittelanalyse kann man Schimmelpilzgifte gut nachweisen", meint Dr. Ayman Hashem vom Futtermittelinstitut Stade des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, kurz LAVES.
Ist das Pferd vergiftet, muss der Reiter schnell gegensteuern. "Am wichtigsten ist es, dass das Tier nur noch einwandfreies Futter bekommt", betont Dr. Ingrid Vervuert. Abhängig von den Symptomen verabreicht der Doc zusätzliche Medikamente.
Tonerde soll Toxin binden
Um das Pferd zu entgiften, bieten einige Futtermittelhersteller sogenannte Mykotoxinbinder an. Sie enthalten Tonminerale oder Hefezellbestandteile und werden unter den Hafer gemischt. Im Körper sollen sie Schimmelpilzgifte binden, noch bevor die Toxine über die Darmwand ins Blut gelangen und Organe angreifen können. Die unschädlich gemachten Pilze soll das Pferd einfach ausscheiden.
Mykotoxinbinder können auch vorbeugend verabreicht werden. Doch Wirkung und Sinn dieser Mittel sind umstritten. "Wenn man Pferden nur einwandfreies Futter gibt, braucht man Mykotoxinbinder nicht", meint Ingrid Vervuert. Das Problem ist bloß, dass Schimmelpilze sich so gut in Hafer und Co. verstecken können, dass sie dem Reiter beim Füttern nicht auffallen.
Deswegen prophylaktisch Mykotoxinbinder zu füttern, davon halten Fütterungsexperten wie Ingrid Vervuert dennoch nichts. Wer unsicher ist, ob das Futter gesund ist, kann Proben ins Labor schicken – oder wirft es besser weg.















Futter sauber und trocken lagern
Trotz aller Warnungen und Vorsichtsmaßnahmen landet immer wieder ungenießbares Futter im Pferdestall. Meist passiert das versehentlich, manchmal auch absichtlich: Weil es dem Pferd nach der verseuchten Mahlzeit selten sofort schlecht geht, füttern einige Leute offensichtlich Angegammeltes – um Geld zu sparen.
Die Quittung kommt jedoch immer und ist teuer: Die Kosten für Tierarzt und Labor summieren sich schnell auf hunderte Euro, und einwandfreies Futter muss ohnehin noch her. Mit Schimmelpilzen ist eben nicht zu spaßen.
Info: So nehmen Sie Futterproben richtig
Welche Schimmelpilzgifte in Hafer, Heu oder Stroh stecken, zeigt sich im Labor. Dort werden die Pilze künstlich angezüchtet und dann das Gift bestimmt. Reiter können Futterproben in privaten Labors testen lassen.
So geht‘s: Sammeln Sie mehrere Körner beziehungsweise Halme, da Mykotoxine oft ungleichmäßig in Hafersack oder Heuballen verteilt sind. Protokollieren Sie auch Zeitpunkt sowie Ort der Probenahme.
Der Nachteil: Die Analyse ist teuer. "Das kostet hundert Euro und mehr", meint Dr. Ingrid Vervuert. Unser Tipp: Sprechen Sie vorher mit Ihrem Stallbetreiber. Vielleicht können Sie sich die Kosten teilen. Von gutem Futter profi tieren schließlich alle Pferde im Stall.
Hintergrund:
Schimmelpilze können sich vor oder während der Ernte in allen Futtermitteln einnisten. Ein Beispiel: Ist Heu beim Pressen noch nass, entsteht ein idealer Nährboden für Pilze. Auch bei der anschließenden Lagerung können sich Mykotoxine bilden:
Getreide schimmelt, wenn Temperatur und Luftfeuchtigkeit zu hoch sind. Auch unter Planen oder im Freien hat Futter nach der Ernte nichts verloren, weil es dort nicht richtig trocknen kann und immer wieder nass wird.














