Helene Bockhorst: Pferdebesitzerin und Comedian im Interview

Interview Helene Bockhorst
Von der Bühne in den Stall

Zuletzt aktualisiert am 27.08.2024
Helene Bockhorst mit ihrer Isländerstute in einem Bach
Foto: Andreas Ufer
CAVALLO: Wo treffe ich Sie gerade an? (im Arbeitszimmer, im Pferdestall etc.) Wo genau wohnen Sie und wo kann man das auf der Deutschland-Karte verorten?

Helene Bockhorst: Zu Hause an meinem Schreibtisch – ich bin meistens morgens am Stall; ab mittags bin ich entweder zu Hause, oder ich sitze in der Bahn und zittere, ob ich es wohl pünktlich zum Soundcheck schaffe. Ich wohne in einem Dorf in der Pfalz, bin aber mit meinen Lesungen und Comedy-Shows in ganz Deutschland auf Tour.

Wie viele Pferde haben Sie? Ich weiß bisher nur von einer Stute namens Fina, ist das richtig? Wie alt ist sie?

Ich habe nur ein eigenes Pferd, Fina. Sie ist 17 Jahre alt. Ansonsten gibt es noch einen etwas jüngeren Islandwallach, mit dem ich gelegentlich Bodenarbeit mache. Der gehört mir aber nicht, sondern ist nur mein "Ferienkind”.

Und Sie sind für dieses Pferd extra umgezogen?

Ich bin umgezogen, um näher am Stall zu wohnen, aber wenn ich mal ganz ehrlich bin, habe ich das für mich selbst getan – es ist viel schöner, mit dem Fahrrad in ein paar Minuten beim Pferd zu sein, als sich jeden Tag ewig in den Stau zu stellen. Fina wird es vermutlich egal sein, wie lange ich zu ihr unterwegs war, aber ich habe dadurch viel an Lebensqualität gewonnen und liebe das Landleben.

Warum haben Sie das Pferd nicht zu sich geholt?

Ich habe vorher immer mitten in der Stadt gewohnt, und da ist es ja schon schwer, ein Auto adäquat zu parken, geschweige denn ein Pferd. (lacht)

Wer kümmert sich um das Pferd, wenn Sie mal auf Tour gehen?

Ich habe meinen Tourplan etwas ans Pferdebesitzer-Dasein angepasst: Im Gegensatz zu vielen Kollegen gehe ich nicht längere Zeit am Stück auf Tour, sondern habe im Schnitt 2-3 Shows pro Woche. Am ersten und am letzten Tag eines Tourblocks schaffe ich es meistens noch in den Stall, sodass sie normalerweise nur einen freien Tag pro Woche hat. Fina steht in einem Offenstall mit Vollpension und fühlt sich sehr wohl in ihrer Herde, insofern hält sich ihre Enttäuschung in Grenzen, wenn sie mich mal einen Tag nicht sieht. Wenn ich durch TV-Aufzeichnungen doch mal mehrere Tage am Stück weg bin, buche ich für Fina Bodenarbeit oder Beritt bei meiner Reitlehrerin. Zudem haben wir eine sehr nette Stallgemeinschaft – wenn ich in einer anderen Stadt bin und mein Pferd etwas braucht, muss ich nur eine Whatsapp schreiben. Umgekehrt bin ich morgens immer bereit, Decken an- und auszuziehen für die Pferdebesitzer mit "richtigen” Berufen…

Wenn Fina uns etwas zu Ihnen sagen müsste: Wie würde Sie Fina als Person beschreiben? Was verbindet sie mit Ihnen als Pferdebesitzerin?

Ich glaube oder hoffe, dass Fina sagen würde, dass ich mich in den letzten Jahren weiterentwickelt habe, an mir gearbeitet habe und geduldiger geworden bin. Früher war ich sehr ehrgeizig und wollte alles sofort und am liebsten schon gestern. Inzwischen schaffe ich es öfter, im Moment zu sein, auf mein Pferd einzugehen und Pausen zu geben, um alles zu verarbeiten.

Was schätzen Sie besonders an Ihrer Stute und an Pferden im Allgemeinen?

Das Tolle ist: Fina weiß ja nicht, dass ich auf der Bühne stehe und im Fernsehen bin. Wenn ich einen guten Auftritt hatte und die Leute mir zugejubelt haben, ist das Fina egal. Und wenn ich einen schlechten Auftritt hatte, ist es ihr genauso egal. Am Stall bin ich ein Mensch wie jeder andere auch, der an seiner Körpersprache und seinem Sitz arbeiten muss. Manchmal fahre ich extra nach einem Auftritt nachts noch zurück nach Hause, um mich möglichst schnell wieder wie ein normaler Mensch zu fühlen.

Was macht Sie glücklicher? – eine erfolgreiche Bühnenshow oder ein Ausritt mit Fina?

Eindeutig der Ausritt mit Fina, und generell alles, was mit Pferden zu tun hat. Klar ist es schön, auf der Bühne zu stehen und das Lachen der Zuschauer zu hören, aber deren Interesse wird irgendwann nachlassen. Zeit mit Pferden zu verbringen, macht mich glücklicher und ausgeglichener, und wenn man etwas gefunden hat, was man so sehr liebt, bleibt einem das fürs ganze Leben.

Helene Bockhorst reitet mit Fiona durch einen Fluss
Andreas Ufer
Über was können Sie (im Pferdekontext gesehen) nicht lachen?

Ich finde es super schade, dass teilweise immer noch mit Zwang und Gewalt gearbeitet wird. Als ich ein Kind war, ging es im Reitunterricht ziemlich rau zu, Reitlehrer schmissen ihren Hut oder Schlüsselbund und ich habe mehr als einmal mit angesehen, wie Pferde mit der Gerte oder mit einem Besen verdroschen wurden. Das macht mich im Nachhinein sehr traurig, weil ich inzwischen lernen durfte, wie kooperativ Pferde sind und dass man dem Pferd auch fair und gewaltfrei erklären kann, was man von ihm will. Wie man anhand der jüngsten Skandalvideos sieht, ist Gewalt in der Pferdeausbildung leider immer noch kein Relikt der Vergangenheit, da läuft es mir kalt den Rücken runter.

Haben Sie prominente Pferdemenschen aus Sport, Zucht und Ausbildung als Vorbilder?

Ich glaube, wenn man sich jemanden zum Vorbild nimmt und denkt "genau so will ich das auch machen”, kann man sehr unglücklich werden – gerade, wenn man selbst ein Pferd hat, was andere Voraussetzungen mitbringt. Wenn es darum geht, wen ich mir gerne anschaue, fallen mir Vertreter der Akademischen Reitkunst ein, z.B. Bent Branderup, der ja auch mit einem Zitat in meinem Buch vertreten ist, oder Marius Schneider.

Für welche Pferdethemen interessieren Sie sich am meisten?

Freiarbeit (vom Boden aus und neuerdings auch geritten), Geländereiten und Wandern mit Pferden.

Was macht Sie zum Pferdemenschen?

Für mich gibt es nichts Wichtigeres als mein Pferd, und ich bin der festen Meinung, dass mein Pferd das Tollste und Interessanteste auf der ganzen Welt ist. Ich kann kein normales Gespräch führen, ohne mindestens einmal zu erwähnen, dass ich ein Pferd habe. Ich gebe mehr Geld für mein Pferd aus als für mich, Fina wird gesünder ernährt als ich selbst und bekommt regelmäßig Physio- und Zahnarzttermine, während ich meine eigenen Termine ewig aufschiebe und mir schon mehrmals kaputte Zähne in der Notaufnahme habe ziehen lassen.

Wann haben Sie mit dem Reiten begonnen bzw. wann fing das an, dass Sie sich für Pferde begeistern konnten?

Ich habe mich schon mit 6 Jahren gerne mit Pferden beschäftigt, in der Nachbarschaft gab es einen Mann, der mehrere Pferde hatte und einmal auch ein Fohlen aus seiner Stute gezogen hat. Ich war stundenlang dort zum Putzen und Tüdeln – wahrscheinlich bin ich den Pferden ganz schön auf den Keks gegangen. Später habe ich anderen Schülern Nachhilfeunterricht gegeben und das ganze Geld für Reitunterricht und Reiterferien ausgegeben.

Um was geht es in Ihrem Buch "Der Supergaul"? – Der Titel trägt ja die zusätzliche Zeile "Kein Pferderoman"… Ist das Buch trotzdem was für Pferdemädchen?

In dem Roman geht es um eine Tierkommunikatorin, die behauptet, mit schwierigen Pferden telepathisch Kontakt aufnehmen zu können. In Wirklichkeit ist sie eine chronische Lügnerin. Aber dann fängt eines Tages wirklich ein Pferd an, mit ihr zu sprechen, und bringt ihr Leben ordentlich durcheinander. Das Buch wirft einen humorvollen Blick auf die Pferdeszene und ist auf jeden Fall geeignet für Pferdemenschen mit Selbstironie. Ich habe schon viele sehr nette Rückmeldungen dazu bekommen und finde es toll, dass die Pferdeszene über sich selbst lachen kann!

Inwiefern hat Fina einen Beitrag zum Buch geleistet?

Ohne Fina und unsere gemeinsamen Erlebnisse wären mir viele Einfälle nicht gekommen. Außerdem habe ich einen Teil des Buches am Stall geschrieben, ich saß dort mit meinem Laptop auf einer Bank mit Blick auf den Paddock, und wenn mir gerade mal nichts eingefallen ist, habe ich die Pferde beobachtet. Dann war die Schreibblockade schnell wieder weg – vielleicht hat Fina mir die Ideen ja telepathisch übermittelt, dann müsste ich sie eigentlich als Co-Autorin angeben. (lacht)

Im Mittelpunkt steht eine sogenannte Tierkommunikatorin. Haben Sie selbst schon mal eine solche Dienstleistung für Ihr Pferd in Anspruch genommen?

Ich selbst nicht, aber an einem anderen Stall, wo Fina am Anfang stand, hat eine andere Besitzerin mal einen Tierkommunikator gerufen, nachdem ihr Wallach Fina gebissen hatte. Der packte dann über die wahren Hintergründe der Tat aus: Und zwar soll Fina zuvor nicht nur das andere Pferd, sondern auch dessen Mutter beleidigt haben. Jaaaaa, alles klar…

Sie waren vorher Redakteurin, jetzt sind Sie selbstständig. Wollen Sie uns ein bisschen was zu Ihrem beruflichen Werdegang erzählen? Warum wollten Sie Redakteurin werden? Wo waren Sie genau? Wie kam der Schritt von hinter dem Schreibtisch rauf auf die Bühne?

Ich habe früher bei einer Fachzeitschrift für die Wohnungswirtschaft gearbeitet. Sicher ein toller Job, wenn man sich für Dämmstoffe, Fußbodenheizungen und Dachziegel begeistern kann, aber mich persönlich haben diese Themen relativ kalt gelassen und ich habe dann angefangen, nach Feierabend aufzutreten, um mein Leben etwas spannender zu machen.

Unsicherheit ist ein Thema, dass Sie in Bühnenshows in irgendeiner Form verarbeiten. Wie gehen Sie im Hinblick auf den Umgang mit Ihren Pferden mit dem Thema Unsicherheit oder Scheitern um?

Ich nehme relativ viel Unterricht (im Durchschnitt 2x pro Woche, plus ab und zu Kurse). Dadurch können wir sehr kleinschrittig arbeiten und ich habe immer wieder Erfolgserlebnisse. An sich denke ich aber, dass Unsicherheit – oder ich würde es lieber "Vorsicht” nennen – nicht zwangsläufig etwas Schlechtes sein muss im Umgang mit Pferden. Vorsichtig und selbstkritisch zu bleiben, kann einen auch davor bewahren, unfair zum Pferd zu sein und zu schnell zu viel zu verlangen. Dafür braucht es allerdings einen sicheren äußeren Rahmen und die Erkenntnis, dass man alle Zeit der Welt hat.

Sie kombinieren ernste Themen mit Comedy, machen Sie auch Witze über Pferdeprobleme?

Manchmal schon. Ich habe zum Beispiel eine Nummer übers Fiebermessen beim Pferd, wo es darum geht, dass man dem Pferd den Sinn dahinter nicht vernünftig erklären kann. Wie muss sich das aus der Perspektive des Pferdes anfühlen – immer, wenn es ihm sowieso schon nicht gut geht, kommt ein Mensch und steckt ihm was in den Po? Da lachen dann auch Nicht-Pferdemenschen, weil es einfach eine absurde Situation ist.

Was ist Ihr Traum für die Zukunft?

Meine Kindheitsträume habe ich mir verwirklicht: Ich wollte ein eigenes Pferd haben und ein Buch veröffentlichen, in dem es um Pferde geht. Alles, was jetzt noch kommt, ist Bonus. Ich würde mich freuen, wenn ich möglichst lange körperlich fit genug bleibe, um Bodenarbeit zu machen und zu reiten. Aber wenn nicht, muss ich eben Kutsche fahren lernen… (lacht)

Was würden Sie unseren Lesern gerne noch mit auf den Weg geben?

Wie wichtig es ist, dankbar zu sein für unsere Pferde und das, was sie jeden Tag für uns tun. Und: Bitte kauft mein Buch, ihr werdet es nicht bereuen! (lacht)

Buchcover "Der Supergaul" von Helene Bockhorst
Ullstein Verlag

Tierkommunikatorin Berenice kann mit Pferden telepathisch Kontakt aufnehmen – behauptet sie zumindest. In Wirklichkeit schummelt sie sich durchs Leben. Eines Tages meldet sich jedoch tatsächlich ein sprechendes Pony bei ihr…

Helene Bockhorst im Porträt
Enrico Meyer