Werden Sie unwiderstehlich für Ihr Pferd
6 Übungen für mehr Beziehung statt Kontrolle

Das Ergebnis von Ian und Anke Bensons innovativem Humanship-Programm: Pferde suchen menschliche Nähe. 6 Übungen, wie Sie für Ihr Pferd unwiderstehlich werden

Titel Thema Unwiderstehlich - Anziehende Übungen
Foto: Lisa Rädlein

1. Das Pferdeverhalten spiegeln

„Das Spiegeln soll den Menschen aus dem Denken heraus und ins Fühlen bringen“, erklärt Ian Benson. Auf diese Art und Weise beieinander zu sein, habe einen positiven Effekt auf das Pferd – es sei ein Moment des „gemeinsam Herde seins“. Das klingt womöglich esoterisch, doch die Wirkung ist stark.

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Unwiderstehlich
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Titel Thema Unwiderstehlich - Anziehende Übungen
Lisa Rädlein
Eine Hand auf den Widerrist des Pferds legen. Das ist Ihre Verbindung.

So geht es: Eine Hand auf den Widerrist des Pferds legen. Das ist Ihre Verbindung. Der Strick zum Halfter liegt locker in der Hand. Es soll kein Zug darauf sein. Übernehmen Sie nun jegliches Verhalten Ihres Pferds. Es schaut nach rechts? Sie schauen nach rechts. Es geht nach vorn, drei Schritte? Sie gehen ebenso drei Schritte nach vorn. Die Übung kann je nach Pferdetyp sehr ruhig oder sehr aktiv ablaufen. „Fühlen Sie, wie der Atem des Pferds ist, wie sich sein Körper bewegt – auch dann, wenn es seine Füße stillhält. Achten Sie auf das Ohrenspiel, den Gesichtsausdruck“, rät Ian Benson. Viele Pferde sind verdutzt, dass ihr Mensch gar nichts von ihnen möchte, sondern nur mitmacht. Schon nach zehn Minuten spüren Sie Effekte.

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Der Strick zum Halfter liegt locker in der Hand.

Anke Benson hat nach einer Stunde des Spiegelns einen besonderen Erfolg erlebt: „Danach stellte sich mein Pferd zum ersten mal mit freundlichem Gesichtsausdruck neben der Aufstieghilfe in Position“, erzählt sie.

2. Der Gang auf die andere Seite

Sie stehen neben dem Pferd, der Führstrick hängt herab. Nun gehen Sie vorn um Ihr Pferd herum und stellen sich auf die andere Seite, wie zuvor auf Höhe der Führposition. Das Pferd soll dabei stehenbleiben, ohne dass Sie ein Signal am Knotenhalfter geben. Es soll lernen, sich nicht automatisch mitzubewegen, wenn Sie sich bewegen. Das Pferd soll aus freien Stücken einfach abwarten, bis Sie auf der anderen Seite sind. Es gibt zwei typische Reaktionen beim ersten Ausprobieren dieser Übung.

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Der Strick zum Halfter liegt locker in der Hand.

Erstens: Viele Pferde drehen sich im Kreis, bevor der Mensch überhaupt auf die andere Seite gelangt. Sie gehen dann einfach einfach weiter in Richtung Pferdekopf, Sie folgen ihm. Dreht sich das Pferd, gehen Sie mit. Weiter und weiter. Ohne dass Sie irgendwas am Kopf des Pferds zu regulieren versuchen. Das Pferd soll eine andere Lösung finden. Bleibt es stehen, gehen Sie um es herum und stellen sich entspannt daneben. Ziel erreicht!

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Sie stehen neben dem Pferd, der Führstrick hängt herab. Nun gehen Sie vorn um Ihr Pferd herum und stellen sich auf die andere Seite, wie zuvor auf Höhe der Führposition.

Zweite typische Reaktion: Pferde mit Horsemanship-Erfahrung haben häufig gelernt, die Hinterhand weichen zu lassen, wenn der Mensch sich in diese Richtung bewegt. Passiert das, gehen Sie in der Pferdebewegung mit, bis es eine neue Lösung sucht und stehen bleibt. Das Pferd lernt zu unterscheiden, wann es gemeint ist und wann nicht.

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Sie stehen neben dem Pferd, der Führstrick hängt herab. Nun gehen Sie vorn um Ihr Pferd herum und stellen sich auf die andere Seite, wie zuvor auf Höhe der Führposition.

3. Gemeinsam entspannt gehen

Beim Gehen beachten Sie die Distanz zum Pferd: Es soll gut eine Armlänge entfernt vom Menschen gehen. Das ist etwas mehr als das übliche Maß hierzulande. Der Mensch bleibt zudem auf Schulterhöhe. Ian und Anke Benson legen Wert darauf, dass Mensch und Pferd Distanz zueinander einhalten. Nur auf Einladung des Menschen darf das Pferd ganz nah kommen. Wichtig ist bei dieser Übung, dass das Pferd nicht am Kopf gezogen wird. Die führende Hand des Menschen zeigt in die Richtung, in die sich das Paar bewegt.

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Beim Gehen beachten Sie die Distanz zum Pferd: Es soll gut eine Armlänge entfernt vom Menschen gehen. Der Mensch bleibt zudem auf Schulterhöhe.

Die Körpersprache sagt an, es geht los: Fokus finden, einatmen, Körperspannung erhöhen. Das Seil soll keinen Impuls an das Knotenhalfter geben. Bedeutet: Der Knoten, der Seil und Knotenhalfter verbindet, hängt senkrecht herab. „Wir sind es so gewohnt, unsere Pferde zu kontrollieren, dass dies vielen Menschen schwer fällt“, sagt Ian Benson. Pferde sind Profis im Lesen der Körpersprache – sie reagieren hier auf unsere kleinsten Signale, wenn sie bemerkt haben, dass wir diese bewusst einsetzen. Damit das funktioniert, ist es wichtig, früh nachzugeben. Sobald das Pferd das Gewünschte anbietet: die Körperspannung herunterfahren.

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Wichtig ist bei dieser Übung, dass das Pferd nicht am Kopf gezogen wird. Die führende Hand des Menschen zeigt in die Richtung, in die sich das Paar bewegt.

4. Auf den Kreis schicken

Das Pferd soll im Kreis um den Menschen herumgehen. Ganz unspektakulär also! Erster Schritt: Das Pferd auf den Kreis schicken. Dafür mit der Führhand in die Richtung weisen, in die sich das Pferd bewegen soll. Körperspannung aufbauen, Blick dahin richten, wo das Pferd hingehen soll. Reicht das nicht aus, darf das Seilende kreisend bewegt werden, so dass sich das Pferd auf der Kreislinie in Bewegung setzt. Berühren ist meist gar nicht notwendig. Sobald das Pferd reagiert, entspannen Sie Ihre Körperhaltung. Nun schreitet das Pferd idealerweise auf dem Kreis. Oder es trabt – korrigieren Sie das Tempo nicht! „Eigene Ideen des Pferdes sind erlaubt,“ so Anke Benson.

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Erster Schritt: Das Pferd auf den Kreis schicken. Dafür mit der Führhand in die Richtung weisen, in die sich das Pferd bewegen soll.

Vorgegeben wird nur, dass das Pferd auf einer kreisrunden Spur gehen soll. Stellen Sie sich bildlich vor: Außen und innen der Kreislinie sind Linien gezogen. Genau mittig soll das Pferd gehen. Die Einhaltung der Linien geben Sie mit Ihrer Körpersprache vor. Kommt das Pferd zum Beispiel mit der Schulter herein, schauen Sie auf die Schulter und schwingen falls notwendig das Ende des Seils in Richtung Schulter.

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Sobald das Pferd reagiert, entspannen Sie Ihre Körperhaltung. Nun schreitet das Pferd idealerweise auf dem Kreis.

„Die Übung hilft, Grenzen zu setzen und schult die Balance des Pferds“,erklärt Ian Benson. Die Übung soll kein Zirkeln am Schlabberseil sein. „Halten Sie eine leichte Verbindung.“ Das Seil soll in einem leichten Bogen vom Pferdekopf zur Menschenhand gehen.

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Damit die Verbindung stetig ist, markiert Benson Schülern gerne die Stelle am Seil, an der die Hand liegen soll, mit einem Tape.

Damit die Verbindung stetig ist, markiert Benson Schülern gerne die Stelle am Seil, an der die Hand liegen soll, mit einem Tape. Idealerweise bleibt die Hand genau da, ohne das Seil zu verkürzen oder zu verlängern. Klappt das gut? Hält das Pferd gut die Spur und sein Ohrenspiel verrät, dass es auf Sie konzentriert ist? Ziel erreicht!

5. Den Huf auf ein Brett platzieren

Diese Übung zeigt, wie Körperspannung und -entspannung wirken: Ian Benson erklärt Berberstute O’Netma, dass er gern ihre beiden Vorderhufe auf dem Brett sehen möchte. Die Besitzerin der Stute berichtete zuvor, dass diese Probleme mit Objekten auf dem Boden und Stangen hat.

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Auf dem Bild sieht man, wie die Stute mit Vorderbein-Anheben auf Ian Bensons erhobene Hand und mehr Körperspannung antwortet, in dem Moment gibt er schon wieder nach.

Nach wenigen Minuten stand sie auf dem Brett, ohne dass Ian Benson sie durch Hinführen oder Antippen dahin dirigiert hatte. Seine Hilfsmittel sind das Fokussieren des Beins, das sich bewegen soll, kombiniert mit dem Ansteigen lassen seiner Körperspannung, also Aufrichten, Einatmen, Erhöhen des gesamten Muskeltonus.

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Dass die Stute so schnell einen Huf auf das Brett setzte, lag daran, das er seine Körperspannung sofort herunterfuhr, wenn die Stute sich nur ein kleines bisschen seinem Wunsch annäherte.

Bei Benson sind das minimale Veränderungen, bei Einsteigern sieht man sie stärker. Die entstehende Erwartungshaltung nennen die Bensons „Energie“. Sie vermittelt dem Pferd: „Ich möchte etwas von dir.“

Auf Bild 1 sieht man, wie die Stute mit Vorderbein-Anheben auf Ian Bensons erhobene Hand und mehr Körperspannung antwortet, in dem Moment gibt er schon wieder nach. Dass die Stute so schnell einen Huf auf das Brett setzte, lag daran, das er seine Körperspannung sofort herunterfuhr, wenn die Stute sich nur ein kleines bisschen seinem Wunsch annäherte – entspannte Körperhaltung, Gewichtsverlagerung, Hände nach unten.

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Entspannte Körperhaltung, Gewichtsverlagerung, Hände nach unten. Die Bensons nennen das „Release“, Nachlass. Diese Art mit dem Pferd zu kommunizieren, funktioniert, weil die Körpersprache so schnell wie möglich entspannt, sobald das Pferd etwas Richtiges anbietet.

Die Bensons nennen das „Release“, Nachlass. Diese Art mit dem Pferd zu kommunizieren, funktioniert nicht, weil ein Druck stetig erhöht wird, sondern weil die Körpersprache so schnell wie möglich entspannt, sobald das Pferd etwas Richtiges anbietet. Das ermutigt die Pferde, nach Lösungen zu suchen.

„Sobald sie ihren Vorderhuf vom Boden hebt, lasse ich nach“, erklärt Ian Benson. Hat sie das verstanden, gibt er den Nachlass erst, wenn der Fuß in der Luft ist und im nächsten Schritt, wenn sie ihn auf das Brett aufsetzt.

6. Unsichtbare Doppellonge

Wie wäre das, wenn man sein Pferd ohne Zügelverbindung von hinten fahren könnte? Auch das ist eine zentrale Übung im Konzept des Humanships, genannt: „unsichtbare Doppellonge“. Es ist eine Fortgeschrittenenübung, für die gut ausgebildetes Körperbewusstsein nötig ist. Der Mensch nimmt die Rolle ein, die ein Hengst, der ein anderes Pferd separieren möchte, nutzen würde – ohne zu scheuchen!

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Bei dieser Arbeit können wir das Pferd nicht dazu zwingen, bei uns zu sein.

Ian Benson geht dafür hinter Berberstute O’Netma her. Er lässt sie von Beginn an immer wieder die Richtung wechseln. Den Richtungswechsel von hinten fragt Ian Benson über seine Körperposition ab, indem er die eigenen Schultern so positioniert, wie er gern O’Netmas Schultern bewegen würde. Zugleich verändert er seine Handhaltung der wie Zügelfäuste aufrecht stehenden Hände. Die Hand auf der Seite, in die er das Pferd dirigieren möchte, öffnet leicht zur Seite.

Ein Seil hat er in der anderen Hand, das er notfalls als Grenze auf den Boden werfen kann. Körperspannung und Nachlass setzt er genauso schrittweise ein, wie in der Übung mit dem Brett (siehe Übung „05 Den Huf auf ein Brett platzieren“). „Bei der unsichtbaren Doppellonge können wir das Pferd nicht zwingen, bei uns zu sein“, erklärt seine Frau Anke Benson. „Man weiß nie, wie lange die Reise dauert und wohin sie führt.“

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Beim Üben mit Berberstute O’Netma funktioniert der Wechsel von der rechten auf die linke Hand von Beginn an gut. Andersherum mag die Stute nicht – sie schlägt mit dem Kopf, auch wenn sie die Aufgabe ausführt.

Beim Üben mit Berberstute O’Netma funktioniert der Wechsel von der rechten auf die linke Hand von Beginn an gut. Andersherum mag die Stute nicht – sie schlägt mit dem Kopf, auch wenn sie die Aufgabe ausführt. „Ein Pferd mit deutschem Charakter“, sagt der Neuseeländer schmunzelnd: „Sie sagt: Okay, ich mach es, auch wenn ich nicht erfreut bin!“

Als O’Netma das erste Mal in diese Richtung abwendet, ohne mit dem Kopf zu schlagen, beendet Ian Benson die Übung. Er stellt sich abwartend auf den Platz – und O’Netma schließt sich ihm an. Ihre Aufmerksamkeit ist jetzt bei ihm, auch wenn am Zaun gegenüber die Herdenfreunde warten.

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6 / 20253

Erscheinungsdatum 17.05.2023