Aus dem Alltag kennen viele Pferdehalter das Phänomen, nun ist es auch wissenschaftlich untersucht: Pferde orientieren sich in unbekannten Situationen an der Reaktion des Menschen. Bei Katzen und Hunden konnten bereits zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass sie emotionale Informationen des Menschen nutzen, um ihr eigenes Verhalten danach auszurichten, wenn eine Situation für sie unklar ist. Eine deutsche Studie („Social Referencing in the Domestic Horse“, Januar 2020) liefert nun Hinweise, dass auch Pferde menschliche Emotionsäußerungen als Richtschnur für ihre Reaktion auf ein Objekt nutzen.
46 Pferde wurden für die Studie zwei Testgruppen zugeordnet. Die Pferde beider Gruppen betraten einzeln einen Roundpen, in dem sich ein neues Objekt befand – ein blauer Plastikbehälter, der mit einem blau-gelben Duschvorhang bedeckt war. Die Testleiterin stand in der Mitte des Roundpens. Bei den Pferden der ersten Testgruppe ließ sie ihren Blick mit einem positiven Gesichtsausdruck zwischen Pferd und Objekt hin- und her wandern, ihre Körperhaltung war entspannt und sie sagte alle 10 Sekunden in einem optimistischen Ton den Satz: „Das ist großartig“. Bei der zweiten Testgruppe verhielt sie sich gegensätzlich, sagte immer wieder „Das ist furchtbar“, blickte besorgt und ängstlich und nahm eine angespannte Körperhaltung ein.
Das Ergebnis: Die Pferde, die positive emotionale Signale wahrnahmen, suchte mehr Nähe zu dem unbekannten Objekt, hielten sich länger zwischen Testleiterin und Objekt auf und zeigten weniger Vermeidungsverhalten. Die andere Gruppe, die negative Signale empfing, zeigte sich der Mülltonne gegenüber wachsamer und warf dem Objekt mehr Blicke zu.
Ebenfalls interessant: Je nach Pferderasse zeigten sich Unterschiede. Vollblüter blickten im Vergleich zu Ponys und Warmblütern seltener zur Experimentleiterin und interagierten auch seltener mit ihr. Auch zwischen Wallachen/Hengsten und Stuten variierte das Verhalten: Stuten verbrachten mehr Zeit hinter der Person, brachten diese also schützend zwischen sich und das fremde Objekt. Männliche Pferde dagegen blieben länger zwischen Experimentleiterin und Objekt. Dies decke sich mit früheren Studien, die gezeigt hätten, dass Stuten misstrauischer und ängstlicher sind, während Wallache im Training möglicherweise leichter zu desensibilisieren seien.
Schlaue Pferde – was sie wirklich können – CAVALLO Im Gespräch mit Prof. Dr. Konstanze Krüger
Reiter wissen es schon lange – Pferde haben erstaunliche mentale Fähigkeiten. Man denke nur mal an Riegel vor Boxen oder Futterkisten, die von unseren Vierbeinern geöffnet werden. Pferde lernen vor allem durch Beobachtung von anderen Herdenmitgliedern oder auch uns Menschen. Diese Gewitztheit fasziniert auch Forscher: In der ersten Folge unseres CAVALLO-Podcasts unterhalten wir uns mit Konstanze Krüger, Professorin für Pferdehaltung an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, über die mentalen Fähigkeiten von Pferden. Denn in ihrem Buchprojekt „The Beautiful Equine Mind“ sammelt die Forscherin genau solche Erlebnisse und erklärt, was hinter den geistigen Fähigkeiten der Pferde steckt.
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